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"Octopath Traveler II" im Test – bildhübsches Pixelmärc

Der Erstling war ein Mega-Hit, nun macht Square Enix mit dem Nachfolger "Octopath Traveler II" nochmals alles besser. Das Rollenspiel im "Heute"-Test.

Rene Findenig
"Octopath Traveler II" im Test – das bildhübsche Pixelmärchen sieht noch besser aus als der Vorgänger und bringt auch spielerisch Verbesserungen.
"Octopath Traveler II" im Test – das bildhübsche Pixelmärchen sieht noch besser aus als der Vorgänger und bringt auch spielerisch Verbesserungen.
Square Enix

Als "Octopath Traveler" 2018 für die Nintendo Switch erschien, begeisterte die Liebeserklärung an alte 16-Bit-Rollenspiele Millionen Zocker. Der Nintendo-Switch-Exklusivtitel eroberte bald auch den PC und die Xbox One und die außergewöhnliche Optik hebt sich bis heute von all den anderen Pixel-Rollenspielen ab, die um die Aufmerksamkeit der Spieler rittern. Die Figuren waren in Klassik-Retro-Manier aus wenigen Pixelblöcken zusammengesetzt und bewegten sich durch eine in 2,5D realisierte Welt. Das Ergebnis kam einem Pop-Up-Buch gleich – mit hübschen Unschärfe-Effekten und toller Beleuchtung.

Das bemerkenswerte JRPG aus dem Hause Square Enix hat nun mit "Octopath Traveler II" einen Nachfolger bekommen, der gleich (fast) in die Vollen geht. Zocken kann man es zum Start auf PlayStation 4, PlayStation 5, Nintendo Switch und PC und wieder gibt es den ausgezeichneten "HD-2D" genannten Grafikstil. Diese Grafik sieht aber noch weit spektakulärer und moderner aus, ohne auf die Retro-Wurzeln zu vergessen. Und auch beim Gameplay wurde an vielen kleinen Schrauben gedreht, ohne das hochgelobte Spielerlebnis des ersten Teils grob zu verändern oder dessen Kernelemente zu verwässern.

Oft kopiert, nie erreicht – und jetzt sogar noch besser

Oft kopiert, nie wirklich erreicht wurde der bejubelte Grafikstil des Vorgängers. Deshalb machen erneut Square Enix und Acquire gemeinsame Sache und zaubern ein neues Märchen in Videospielform auf die Bildschirme. Spieler verschlägt es nach Solistia, eine Welt, deren westlicher und östlicher Kontinent durch einen Ozean getrennt ist. Das Spiel stellt euch dabei acht Charaktere aus verschiedenen Teilen der Spielwelt vor, die aus je anderen Motiven zu Reisen aufbrechen – sei es auch der Suche nach Ruhm und Ehre, um Krankheit und Tod zu entkommen oder aber einfach nur, um die Welt zu entdecken.

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    Als "Octopath Traveler" 2018 für die Nintendo Switch erschien, begeisterte die Liebeserklärung an alte 16-Bit-Rollenspiele Millionen Zocker. 
    Als "Octopath Traveler" 2018 für die Nintendo Switch erschien, begeisterte die Liebeserklärung an alte 16-Bit-Rollenspiele Millionen Zocker.
    Square Enix

    Sogar noch weiter verbessert hat sich dabei "HD-2D"-Grafik aus dem ersten Teil. Mehr Details, bessere Lichteffekte, eine neue Kameraführung und an die Spielwelt angepasste Proportionen der Charaktere erwarten die Rollenspieler. Anders als in Teil 1 erscheinen die Figuren nun von der Größe her passend in die Spielwelt integriert – und wurden dank umfangreicherer Gesten auch besser animiert. Außerdem ist die Kamera-Technik neu: Durfte man einst das Game nur von schräg oben herab verfolgen, wechselt die Kamera nun bei Kämpfen und in vordefinierten Story-Momenten in dynamischere Nah-Ansichten. 

    Gemeinsam statt einsam in den neuen Nebenmissionen

    Andere Dinge ändern sich dagegen nicht. Wieder bekommen Spieler acht unterschiedliche Protagonisten vorgestellt, denen man im Verlauf des Abenteuers folgt, auch haben sie alle wieder herzerwärmende und detailliert erzählte Hintergrund-Geschichten zu bieten. Was aber schade ist: Hier hat man sich fast schon zu sehr an das Konzept des Vorgängers gekrallt und liefert den Spielern zum Start die exakt selben Figuren-Klassen des Vorgängers. Dass diese Figuren aber ganz neue und noch ausführlicher gestaltete Hintergrund-Geschichten zu bieten haben, entschädigt schnell für die kleine Enttäuschung.

    Auch eine andere Änderung zeigt sich im Spielverlauf schnell. So erleben wir die einzelnen Abenteuer der Charaktere in Form vieler Nebenmissionen nun tatsächlich streckenweise nicht mehr einzeln, sondern in immer wieder anderen Konstellationen – bevorzugt mit je zwei der acht Protagonisten. Das ist eine deutliche Verbesserung von einem der größten Kritikpunkte am Vorgänger. Und die neuen Nebenmissionen wurden zudem nicht nur als inhaltlicher Bonus umgesetzt, sondern führen auch nach einem recht langsam dahinplätschernden Erlebnis zu einer spannenden Handlung, die alle acht Figuren verbindet.

    Die Geschichten um die Figuren lohnen sich immer

    Zum Start des Rollenspiels wählt man sich wie schon aus dem Vorgänger bekannt einen Startcharakter, der bestimmt aber wieder nicht, wie das Abenteuer verlaufen oder enden wird. Während alle acht Charaktere einen rund einstündigen Prolog zu bieten haben, erlebt man diesen dann immer aus der Sicht des gewählten Charakters. Wer will, kann aber auch alle Story-Hintergrundgeschichten aller im Laufe des Abenteuers dazukommenden Figuren erleben – muss das aber nicht. Ob und wann man die Handlungsstränge ausprobieren will, kann man dabei selbst bestimmen. Unser Tipp: Es lohnt sich immer!

    Hierzulande darf man sich auf gut geschriebene, deutsche Untertitel freuen, die Sprachausgabe gibt es nur auf Englisch oder Japanisch. Hat man nach der Einführungs-Phase die Geschichte seines Charakters kennengelernt, lassen sich die weiteren Figuren rekrutieren. Bis zu vier Charaktere darf man gleichzeitig mit auf Abenteuer nehmen, indem man sie auf der Weltkarte an ihren Startpunkten besucht. So können zwei der Gruppen-Mitglieder völlig frei ausgewählt werden, die beiden anderen sind mit der Wahl des Start-Charakters und der Wahl der jeweils mit einer Figur verknüpften Missions-Reihe fix vorgegeben.

    Neue Wege-Aktionen und Gruppen-Mini-Verbesserungen

    Mehr als zuvor unterscheiden sich die Charaktere aber ncht nur durch ihre Geschichten, sondern auch durch ihre Fähigkeiten voneinander. Wieder gibt es Klassen mit stärkeren Nah- oder Fernkampffähigkeiten, neu ist aber, wie stark sich die Zauber und Bonus-Effekte der Figuren voneinander unterschieden und gegenseitig ergänzen können. Zuwachs bekamen auch die aus dem Vorgänger bekannten Wege-Aktionen, mit denen die Interaktionen von NPCs beeinflusst werden können. Die Krieger-Klasse etwa kann nahezu jeden zum Duell herausfordern und dadurch verborgene Schurken entlarven. Die Tänzerin wiederum kann andere dazu verführen, ihr zu folgen – etwa um Gegner in eine Falle zu locken. Das wurde nun erweitert.

    So stehen nun jeder Spielfigur zwei unterschiedliche Wege-Aktionen bei Tag und bei Nacht zur Verfügung, wobei die Spieler den Tag-Nacht-Wechsel in den meisten Gebieten der Spielwelt nun selbst auslösen dürfen. Das sorgt auch gleich dafür, dass wir je nach Tag oder Nacht unterschiedliche Feinde und Missionen sowie Beute in den Gebieten finden können. Auch, dass die Gruppen-Mitglieder gegenseitig nicht auf ihre Erlebnisse eingehen, wurde repariert, wenn auch nicht ganz aus der Welt geschafft. Gemeinsame Erlebnisse stärken zwar das Spiel-Erlebnis, bis auf kleinere Dialoge ändert sich aber trotzdem nichts.

    Kaum Änderungen an der Kampf-Mechanik des Vorgängers

    Fast vollständig beibehalten wurde die Kampf-Mechanik des Vorgängers. So wird weiter rundenbasiert gekämpft und wir geben den einzelnen Gruppen-Mitgliedern nacheinander Befehle, entweder anzugreifen oder die anderen Team-Mitglieder zu verteidigen und zu heilen. Das sich an alten japanischen Rollenspielen orientierende Gameplay erfordert aber durch eine besondere Schwachpunkte-Mechanik auch taktisches Denken. Fast jeder Gegner hat eine Schwachstelle – etwa bestimmte Waffentypen oder Zauber. Nutzt man diese Schwachstellen clever aus, kann man die Kontrahenten sogar eine Runde lähmen.

    Auch das Boost-System kehrt zurück. Dieses erlaubt es Spielern, in jeder Kampfrunde Boost-Punkte anzusammeln. Diese können ausgegeben werden, um etwa Angriffe und Fähigkeiten zu verstärken oder mächtige Kettenangriffe zu starten. Ein neues Element sind dagegen die sogenannten "Latenten Fähigkeiten". Auch diese Laden sich in den Kämpfen auf und lösen ebenfalls besondere Effekte und Attacken aus. Zu den stärksten Effekten zählt dabei besipielsweise, dass die Boost-Punkte eines Charakters komplett aufgeladen werden, aber auch, dass Attacken mehrfach in einer Runde ausgelöst werden können.

    "Octopath Traveler II" im Test – bildhübsches Pixelmärchen

    Feststellbar ist wieder eine knackige Lernkurve – wer die taktischen Möglichkeiten des Spiels nicht studiert und sie gekonnt einsetzt, wird spätestens beim ersten Bosskampf vor einer immensen Herausforderung stehen. Was weiter etwas nervt: Die Kämpfe werden zufällig in der Spielwelt ausgelöst – wer gerade keine Lust darauf hat, der kommt den Prügeleien trotzdem nicht aus. Generell sind die Verbesserungen in Teil 2 im Vergleich zum Vorgänger wohldosiert denn endlos: Etwas mehr Gruppendynamik, schönere Grafik, neue Kamera, lebendigere Charaktere, viel mehr Neuerungen gibt es dann aber nicht.

    Kritikpunkte gibt es weiter wenige, aber die haben sich auch kaum verändert – neben den Zufallskämpfen hätte es etwas weniger repetitives Punkte- und Beute-Sammeln sein dürfen, denn das Spiel ist ohnehin wieder gigantisch groß ausgefallen, ohne sich auch "Grinding" hingeben zu müssen. Doch der Rest ist einmal mehr top – und warum soll man ein atemberaubend gutes Spiel auch großartig ändern? So bringt "Octopath Traveler II" wieder ein bildhübsches Pixelmärchen, typische JRPG-Kämpfe mit taktischem Tiefgang, einen fantastisch orchestralen Soundtrack und ein außergewöhnlich gutes Gameplay.