Nicht Nummer 1

ÖSV-Legende schlägt Alarm: "Ärmere ohne Chance!"

ÖSV-Abfahrtsweltmeister Michael Walchhofer sorgt sich um die Ski-Zukunft in Österreich. "Uns fehlt die Breite. Da unten muss der ÖSV investieren."  

Martin Huber
ÖSV-Legende schlägt Alarm: "Ärmere ohne Chance!"
Legende Walchhofer: "Wir sind nicht die Nummer 1."
GEPA

"Heute": Nach der Absagen-Flut ist der Weltcup zurück in Europa. In Gurgl gab es Platz eins, zwei und drei für Österreichs Slalom-Herren. Sind wir bald wieder die Ski-Nation Nummer 1?

Michael Walchhofer: "Wir müssen den Ball flach halten, im Fußball und im Skifahren. (grinst) Vor Saisonstart gab es zwei ÖSV-Herren, die für mich Siegläufer sind: Marco Schwarz und Vincent Kriechmayr. Beim Rest im Team war für mich ein Sieg eine Überraschung. Dass Manuel Feller jetzt so performt hat, lässt alle hoffen. Ich bleibe aber bescheiden."

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    Das machen die Ex-ÖSV-Stars heute. Österreichs größte Ski-Legenden im Ruhestand.
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    Der ÖSV-Neunfachsieg hat mich nicht berührt
    Michael Walchhofer

    Warum?

    "Weil unsere Leistungsdichte nicht mit früher vergleichbar ist. Da sind wir noch weit weg. Wir sind nicht die Nummer 1. Umso wichtiger war aber der Sieg. Nicht nur für Feller, Schwarz und Matt. Der Erfolg nimmt alle im Team mit. Auch Typen wie Fabio Gstrein, der technisch super ausgereift ist. Er gehört aus der Reserve gelockt."

    Apropos Reserve: Sie wurden Abfahrts-Weltmeister, hatten aber zunächst kein Leiberl im ÖSV-Speedteam. Sie debütierten im Jänner 1999 als Slalomläufer im Weltcup. 16 Tage zuvor gab es am Patscherkofel den legendären Neunfachsieg der ÖSV-Stars.

    "Der Neunfachsieg hat mich nicht berührt. Ich bin im Slalom gestartet, weil ich nur da eine Chance auf einen Startplatz gesehen habe. In der Abfahrt sah ich schwarz. Mit den 1,98 Meter langen Skiern habe ich mir einen Weltcup-Slalomplatz durch den Europacup-Sieg geholt. Dann wurden die Ski kürzer und ich war mit meiner Größe und meinem Fahrstil chancenlos. Ich war plötzlich zu aufrecht, es ging um den tiefen Schwerpunkt."

    Die Abfahrt rückte wieder in den Fokus.

    "Genau. Dann hat sich der Hermann Maier mit dem Motorrad schwer verletzt. Und auch der Werner Franz fiel aus. Das wünscht man wirklich keinem, aber jawohl, es war meine Chance."

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      Anna und ihr Mann Manuel erwarten, nach Sohn Henry, jetzt das zweite gemeinsame Kind.
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      Facebook/Anna Veith
      Da unten muss der ÖSV investieren
      Michael Walchhofer

      Sie holten WM-Gold, Olympia-Silber, gewannen drei Mal Abfahrtskristall. Warum hat der ÖSV seine Vormachtstellung verloren?

      "Als ich klein war und Ski fuhr, war das Ehrenamt extrem viel Wert, es gab fanatische Eltern und Vereinstrainer. Da unten muss der ÖSV investieren. Ob das jetzt Geld ist oder andere Anreize – darüber soll man mit der Basis diskutieren. Uns fehlt die Breite."

      Hans Knauß meinte in einem "Heute"-Interview, der Masse wurde die Luft abgeschnürt, der ÖSV wäre an der Spitze zu aufgeblasen. Richtig?

      "Das kann man so stehen lassen. Es wurde zu wenig unten in den Vereinen gemacht. Ich schließe mich da selbst nicht aus, ich war lange ÖSV-Vizepräsident. Ich habe es kommen sehen, dass die goldene Zeit zu Ende geht. Die Erfolge waren noch da, man hat sich sonnen können. Wenn es immer gut läuft, ist es aber schwer, sich als Verantwortlicher, aus der Reserve zu locken. Da wurde zu wenig angegangen."

      Ist das jetzt besser?

      "Ich bin jetzt einfaches ÖSV-Mitglied und ich spüre wenig davon. Ich sehe keine Anreize für jene Trainer, die ihre Kinder super fördern. Ein Leistungsdenken ist aber notwendig. Und die Schere geht immer weiter auseinander."

      Welche Schere konkret?

      "Die Sommer haben sich enorm erwärmt, das spüren die Gletscher massiv. Ein Sommertraining wie zu meiner Zeit ist nicht mehr möglich. Die Vereine haben im Herbst nicht mehr diese Trainingsmöglichkeiten. Das verändert sich. Wie geht man damit um? Ich glaube nicht, dass man im Sommer Stangen fressen muss, um im Winter schnell zu sein. Aber jene die es sich leisten können, werden im Sommer mit ihren Kindern in die südliche Hemisphäre fliegen. Ärmere Kinder sind dann vielleicht ohne Chance. Da muss man sich Gedanken machen und Maßnahmen treffen."

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        GEPA

        Marco Schwarz hat sich in der Saison-Vorbereitung gewundert, mit wie vielen Paar Rennskiern sich Kinder zum Gletschertraining bei der Gondel anstellen?

        "Es wird wie verrückt investiert in unnötige Sachen. Das Material macht dich nicht zum Sieger. Es bringt vielleicht mal einen Vorteil, wenn die Ski perfekt präpariert sind. Aber es ist keine Notwendigkeit, um zu performen. Was zählt, ist, wie man am Ski steht. Mit zehn Jahren darf ich nicht nur Tore fahren, ich muss Skifahren. Das wird häufig verkannt von ehrgeizigen Eltern. Vereinstrainer bereiten ihre Kinder eigentlich nicht für das U-10-Rennen vor, sondern dass sie später schnell sind."

        Meine Kinder sind Rennen gefahren, waren aber keine Rennfahrer
        Michael Walchhofer

        Warum sind Ihre Kinder keine Rennfahrer geworden?

        "Meine Kinder sind Rennen gefahren, sie waren aber keine Rennfahrer. Sie sind gern mitgefahren und tun das heute noch, sie haben am Start aber nicht angetaucht. Ich konnte das nicht verstehen. Wenn ich mitfahre, will ich ja gewinnen. Für sie war und ist das nicht so."

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          GEPA
          Der Skisport ist nicht für den Klimawandel verantwortlich
          Michael Walchhofer

          Der Skisport war zuletzt Sündenbock in der Klimadebatte. Zurecht?

          "Der Skisport ist das schon länger, weil er sich gut dafür eignet. Ich sehe es pragmatisch. Ich kann die Saboteure beim Weltcup in Gurgl verstehen und auch nicht. Ich verstehe es, dass man auf die klimatische Veränderung hinweisen will. Das steht außer Frage. Ich verstehe aber auch die Athleten, die das ganze Jahr trainieren für dieses Rennen und dann gestört werden. Das ist nicht lustig. Der Skisport ist nicht für den Klimawandel verantwortlich. Was wir tun müssen, ist möglichst viele Maßnahmen zu setzen, um unseren Fußabdruck gering zu halten. Das muss die oberste Prämisse sein. Ich war zuletzt in Amerika an der Ostküste, da spielt Energieverbrauch aber gefühlt gar keine Rolle."

          Haben Sie Angst um den Skisport?

          "Ich habe mittelfristig keine Sorgen. In Zauchensee werden wir 2050 noch Skifahren können, selbst wenn die schlechtesten Prognosen eintreffen."

          mh
          Akt.
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