Politik

ÖGB bangt um das Weihnachtsgeld

ÖGB-Chef Erich Foglar warnt: Ohne Pflichtmitgliedschaft der Betriebe in der Wirtschaftskammer gebe es keine Kollektivverträge und weniger Lohn.

Heute Redaktion
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ÖGB-Präsident Erich Foglar
ÖGB-Präsident Erich Foglar
Bild: ÖGB/Reither

Heute: Was erwarten Sie von der neuen Regierung?

Erich Foglar: Was wir von der letzten schwarz-blauen Regierung kennengelernt haben, war nicht vorteilhaft für Arbeitnehmer in diesem Land. Und die Wahlprogramme der beiden Parteien verheißen nichts Gutes. Ein hervorstechender Punkt ist die Forderung nach Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern, die rein ideologisch und politisch motiviert ist.

Heute: Was bedeutet die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft für den einzelnen Arbeitnehmer?

Foglar: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer könnten nicht mehr die gewohnten Leistungen der Arbeiterkammer in Anspruch nehmen. Aber viel gravierender ist, wenn es für Unternehmen keine gesetzliche Mitgliedschaft zur Wirtschaftskammer gibt: Für Beschäftigte in solchen Unternehmen gilt dann kein Kollektivvertrag mehr.

Heute: Heißt das weniger Geld?

Foglar: Das heißt unter Umständen sehr viel weniger Geld. Im Kollektivvertrag ist Urlaubs- und Weihnachtsgeld geregelt, auf die es keinen gesetzlichen Anspruch gibt. Zulagen, Zuschläge, Mindestlöhne, Arbeitszeiten – all dies ist in den Kollektivverträgen festgelegt.

Heute: Wenn die Kammern so wichtig sind, warum genügt nicht eine freiwillige Mitgliedschaft?

Foglar: Freiwilliges Mitglied kann man beim ÖGB werden. Aber die Normwirkung, die vom Arbeitsverfassungsgesetz vorgesehen ist, gilt nur für Mitgliedsbetriebe in den Kammern. Die gesetzliche Mitgliedschaft in der WKÖ hat bisher allen Arbeitnehmern die Kollektivverträge gesichert, egal, ob sie Gewerkschaftsmitglied sind oder nicht. Wenn sich die Unternehmen nicht mehr dran halten müssen, geht diese Normwirkung verloren.

Heute: Glauben Sie, dass auch die Wirtschaftskammer weiterhin für eine Pflichtmitgliedschaft eintreten wird?



Foglar: Es gibt in der Wirtschaftskammer viele, die den Vorteil einer Pflichtmitgliedschaft sehen. Sie bringt ja auch Vorteile für die Unternehmen: Rechtssicherheit, fairer Wettbewerb oder gleicher Mindestlohn innerhalb einer Branche. Allerdings ist die Industrie federführend bei der Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft. Eines ist ganz klar: Einige wünschen einen völligen gesellschaftlichen Umbau und wollen aus rein ideologischen Gründen die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schwächen.

Heute: Was befürchten Sie noch von der neuen Regierung?



Foglar: Das wird sich noch erweisen. Laut Wahlprogrammen sollen Gewinne steuerfrei bleiben, wenn sie im Unternehmen belassen werden. Das bedeutet natürlich eine Umverteilung von unten nach oben.

Laut Georg Kapsch, dem Präsidenten der Industriellenvereinigung, bleiben zwei Drittel der Gewinne im Unternehmen. Dann hätte ich auch für Arbeitnehmer gerne, dass zwei Drittel des Lohnes ohne Steuer bleiben.

Zumindest nach den Wahlprogrammen sollen die Arbeitnehmer mit Peanuts abgespeist werden. Der Geldregen soll sich auf die Vermögenden und die Unternehmen ergießen.

Heute: Wie will sich der ÖGB wehren?

Foglar: Wir schauen, was zu bewerten ist. Dann werden wir den Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer sagen, was die Regierungsvorhaben für sie bedeuten.

Heute: Streiks werden nicht ausgeschlossen?

Foglar: Wir sind immer sehr, sehr sorgfältig mit diesem Thema umgegangen. Unsere Maßnahmenpalette ist sehr groß und richtet sich danach, was am Tisch liegt.

Heute: Sie haben sich für Rot-Blau ausgesprochen. Was haben Sie sich davon versprochen?



Foglar: Ich bitte, mich richtig zu zitieren. In meiner Eigenschaft als Mitglied der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter habe ich gesagt, dass sich die SPÖ Gespräche mit allen Parteien offen halten sollte, was ja auch dem Beschluss im SPÖ-Parteivorstand entspricht. Und nichts anderes habe ich gesagt. Aber das hat sich ja jetzt erledigt, ÖVP und FPÖ haben Regierungsverhandlungen begonnen.

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