Politik

ORF-Mann zu ÖVP-Frau: "Bisserl spät draufgekommen?"

Die Wirtschaft sucht händeringend nach Mitarbeitern, die ÖVP will wieder mehr Frauen in die Vollzeit-Arbeit bringen. Wie, das verriet eine Expertin.

Rene Findenig
Carmen Jeitler-Cincelli, stellvertretenden Generalsekretärin des Österreichischen Wirtschaftsbundes und ÖVP-Nationalratsabgeordnete.
Carmen Jeitler-Cincelli, stellvertretenden Generalsekretärin des Österreichischen Wirtschaftsbundes und ÖVP-Nationalratsabgeordnete.
Martin Juen / SEPA.Media / picturedesk.com

In kaum einem anderen Land arbeiten Frauen so viel Teilzeit wie in Österreich, gleichzeitig verdienen Vollzeit-arbeitende Frauen rund 18,8 Prozent weniger als Männer in derselben Position. Kann sich die Wirtschaft, der Gleichstellung weniger wichtig als noch vor wenigen Jahren sei, diese Einstellung noch leisten? Das wollte Ö1-Moderator Christian Williwald Dienstagfrüh im Ö1-"Morgenjournal" von Carmen Jeitler-Cincelli, der stellvertretenden Generalsekretärin des Österreichischen Wirtschaftsbundes und ÖVP-Nationalratsabgeordnete, wissen.

Für den Großteil der Unternehmen sei es "überlebensrelevant", dass "hier etwas gemacht wird", so Jeitler-Cincelli. Sie sehe auch, dass man in den heimischen Unternehmen dringend nach Arbeitskräften suche und orte dabei "ein großes Potenzial" bei jenen Frauen, die noch in Teilzeit seien. "Alle Unternehmen bemühen sich unglaublich darum, die Frauen wieder mehr einzubinden beziehungsweise in Richtung Vollzeit hinzuentwickeln", so die ÖVP-Politikerin. Dazu brauche es viele Maßnahmen wie ein Kinderbetreuungsangebot.

"Der Großteil des Unterschiedes liegt einfach im Kinderwagen"

Sie wisse aber auch, dass sich viele Frauen bewusst dazu entscheiden würden, in Teilzeit zu bleiben, so Jeitler-Cincelli. Da brauche es das Drehen verschiedener "Stellschrauben", um eine "Kulturänderung" zu bewirken. "Wie wäre es mit fairer Bezahlung?", setzte Moderator Williwald nach. Das sei "spannend", so die Politikerin, diese Diskussion gebe es jedes Jahr am Weltfrauentag. Man wisse aber, dass es sich großteils um einen "Motherhood"-Pay-Gap handle und wenn man "Gleiches komplett mit Gleichem" vergleiche, sei der Lohn-Unterschied zwischen Frauen und Männern gar nicht so groß.

"Der Großteil des Unterschiedes liegt einfach im Kinderwagen", so die Politikerin. In Österreich sei "die Kultur" so, dass die Frau sehr lange zu Hause bleibe, lange Karenzzeiten in Anspruch nehme und auch der Anspruch, in Teilzeit bleiben zu können, bis das Kind in die Volksschule komme, sei hoch. Viele würden dann gar nicht in die Vollzeit zurückkehren wollen, so Jeitler-Cincelli. Das Wichtigste sei jetzt, Anreize zu schaffen und die Frauen zu informieren. Es sei auch eine Verantwortungsgeschichte der Politik, "vielen ist es gar nicht klar, was am Schluss dann übrig bleibt".

"Frauen reden viel zu wenig über Geld in Österreich"

Wenn man sich die Armutsgefährdungsschwelle von 1.371 Euro pro Monat ansehe, dann falle schon jetzt jede zweite Frau, die in Pension gehe, darunter, so die Politikerin. "Das müssen wir aufzeigen", so Jeitler-Cincelli. "Frauen reden viel zu wenig über Geld in Österreich." Wäre sie deshalb für volle Gehaltstransparenz in Unternehmen? Das sei vielerorts schon eingeführt, man müsse aber viel früher einsetzen. Wenn Frauen ein Kind bekommen, müssten sie wissen, was das für sie bedeute, wenn sie gleich wieder arbeiten gehen würden oder wenn sie später wieder einsteigen würden, so die Politikerin.

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    Auf dem Jobportal "karrier.at" wurden in den vergangenen beiden Jahren deutlich mehr Stellen in Teilzeit angeboten, als in den Jahren zuvor. 
    Auf dem Jobportal "karrier.at" wurden in den vergangenen beiden Jahren deutlich mehr Stellen in Teilzeit angeboten, als in den Jahren zuvor.
    karriere.at / OTS

    Gehaltstransparenz ja, wenn man nicht sehe, was der Kollege drei Tische weiter verdiene, in Gruppen von über 25 Personen sei sie da "voll dabei", so Jeitler-Cincelli. Danach ging der ORF-Moderator auf Konfrontation: Die ÖVP habe jahrelang Wahlfreiheit propagiert, bei der der Mann das Geld verdiene und sich die Frau neben Haushalt etwas dazuverdiene. Müsse man nun einsehen, dass dieses Modell ein Fehler war? "Meiner Meinung nach widerspricht das gar nicht dem Modell der Wahlfreiheit", so Jeitler-Cincelli, jeder solle es sich wählen, wie er möchte.

    Die Frage sei letztlich, welche Anreize die Politik gebe, um eine Kulturveränderung herbeizuführen. "Im Moment wollen Sie und wollen viele in der ÖVP, dass sich die Frauen zwar wahlfrei, aber eben doch für Vollzeit entscheiden. Kommt man da nicht ein bisserl spät drauf?", so Williwald. Beim Wirtschaftsbund wolle man Frauen aus der Altersarmut holen, dass die Betriebe die Mitarbeiter haben, die sie brauchen und dass in Österreich Vollzeitarbeit so attraktiv sei, dass man sich ein würdevolles Leben im Alter ermöglichen könne, so Jeitler-Cincelli. Die Systeme in Österreich seien nur leistbar, wenn wieder mehr Menschen in Vollzeit arbeiten würden.