Politik

Österreich legt sich wegen Familienbeihilfe mit EU an

Österreich wird die Familienbeihilfe trotz EU-Protest weiter an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten im EU-Ausland anpassen.

Heute Redaktion
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Österreichs Bundesregierung will keinen Millimeter nachgeben. Familienbeihilfe, die ins Ausland fließt, soll angeglichen werden. 114 Millionen Euro Einsparungen erwartete sich die türkis-blaue Bundesregierung von dieser Maßnahme. Egal, ob es der EU passt oder nicht.

Die Übergangsregierung habe jetzt eine Stellungnahme an die EU-Kommission übermittelt, mit der die "bisherige österreichische Position untermauert und im Detail nochmals ausgeführt" worden sei, erklärte das Familienministerium am Dienstag. "Es wird herausgearbeitet, dass die Familienbeihilfe in ihrem Ursprung eine bedarfsbezogene Sachleistung ist, die auf den jeweiligen Bedarf von Kindern abzielt", heißt es in der Stellungnahme weiter. "Die Entscheidung liegt nun bei der EU-Kommission."

Mahnschreiben der EU

Die EU-Kommission hat in der strittigen Angelegenheit bereits zwei Mahnschreiben an Österreich geschickt. Die EU-Behörde muss jetzt entscheiden, ob sie den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anruft. Wann dies geschieht, ist offen. Man werde die Argumentation der österreichischen Stellungnahme zunächst analysieren, hieß es aus Brüssel.

"Zutiefst unfair" von Österreich

Die zuständige EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hatte zum Start des Vertragsverletzungsverfahrens im Jänner die Indexierung als "zutiefst unfair" bezeichnet. Die Maßnahme, die von der türkis-blauen Bundesregierung gesetzt wurde, verhindere nicht einen "Sozialtourismus", sondern treffe diejenigen Menschen, die zum österreichischen Sozialsystem beitragen. Die EU-Kommission habe immer klar gemacht, dass es gleiche Leistungen für gleiche Beiträge am selben Platz geben müsse. Vor allem in den osteuropäischen Ländern führt die Indexierung zu einer deutlichen Kürzung der Familienbeihilfe. Vor allem in Österreich arbeitende Pflegekräfte zahlen drauf.

Zwei Juristen, drei Meinungen

Tatsache ist aber, dass sich Österreich und Brüssel bisher nicht einigen konnten. Eine Klage vor dem EuGH kann im äußersten Fall zu finanziellen Sanktionen gegen den EU-Mitgliedsstaat führen, meldete der ORF. Ob die Regelung den EU-Regeln entspricht, ist auch in Österreich umstritten. Die ÖVP-FPÖ-Regierung berief auf ein Gutachten des Wiener Sozialrechtlers Wolfgang Mazal, der der dem Plan seinen Segen gegeben hatte. Der Europarechtler Walter Obwexer und der Sozialrechtsexperte Franz Marhold teilten hingegen Mazals Rechtsmeinung nicht.

Die Indexierung war bereits unter der rot-schwarzen Koalition diskutiert worden, die VP-FP-Bundesregierung zog die Änderung schließlich durch. 2017 waren 253,2 Mio. Euro an Beihilfen ins Ausland bezahlt worden.

Die Praxis

Die Praxis sieht jetzt seit 1. Jänner 2019 so aus: Für in Österreich tätige Arbeitnehmer, deren Kinder in anderen EU-Mitgliedstaaten leben, wird die Familienbeihilfe "indexiert". Das bedeutet, dass der Betrag den örtlichen Gegebenheiten im jeweiligen Land angepasst wird. In Hochpreis-Ländern ist sie dadurch höher, für Arbeitnehmer aus osteuropäischen Ländern gibt es jedoch teils empfindliche Einbußen. Indexiert wird nun auch der Kinderabsetzbetrag.

Insgesamt rund 125.000 Kinder sind von einer Kürzung betroffen. Die meisten von ihnen leben in Ungarn (38.700), der Slowakei (27.180) sowie Polen (14.865) und Rumänien (14.213).