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Österreichs Höhlenretter: Forscher transportfähig

Heute Redaktion
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Mehrere Tage nach dem Unglück in der Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden hat der österreichische Höhlenrettungsarzt Martin Göksu (37) am Mittwochnachmittag den schwer verletzten Höhlenforscher erreicht. In der Nacht auf Donnerstag traf ein weiterer österreichischer Mediziner ein. Da die Ärzte den Verunglückten für transportfähig halten, kann die Bergung demnächst beginnen - man rechnet damit, dass einer von insgesamt fünf eingerichteten Biwags pro Tag erreicht werden kann.

Mehrere Tage nach  dem Unglück in der Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden  hat der österreichische Höhlenrettungsarzt Martin Göksu (37) am Mittwochnachmittag den schwer verletzten Höhlenforscher erreicht. In der Nacht auf Donnerstag traf ein weiterer Mediziner aus Italien ein. Da die Ärzte den Verunglückten für transportfähig halten, kann die  Bergung  demnächst beginnen - man rechnet damit, dass einer von insgesamt fünf eingerichteten Biwags pro Tag erreicht werden kann.

In der Nacht auf Donnerstag erhielt Göksu Verstärkung durch einen zweiten Arzt. Die Mediziner halten den Verletzten für transportfähig, zunächst müsse er aber behandelt werden. "Die Ärzte werden jetzt einen medikamentösen Schutzmantel um den Mann legen", sagte der Sprecher. Dazu hätten sie spezielle Medikamente angefordert, die am Donnerstag bei dem Forscher eintreffen sollten.

Sobald der Zustand des Patienten es erlaube, sei geplant, mit der Hilfe von sechs internationalen Höhlenretter-Teams die Bergung des Mannes aus der Höhle zu starten. Wie die Rettung ablaufen soll, zeigt .

Doktor Göksu ist auch Höhlentaucher

Martin Göksu stammt aus Stockerau und arbeitet in einem bayrischen Spital. Der Höhlenretter und ehemalige Handball-Staatsmeister ist zugleich Höhlentaucher, was im Falle von Überflutungen des Höhlensystems durch Niederschläge hilfreich sein könnte.

Der österreichischer Arzt hatte gegen Mittwochmittag im Biwak drei auf halber Strecke eine Pause eingelegt. "Die Höhle ist extrem schwierig. Deshalb ist es wichtig, an Biwaks Pausen zu machen", sagte der Bergwachtsprecher. "Man darf sich nicht verausgaben, sonst steigt das Risiko, dass man sich selbst verletzt. Da ist keinem geholfen."

Einen Tag bis zum Erreichen des Unglücksorts  

Der Mediziner war am Dienstag aufgebrochen und gut einen Tag über senkrechte Wände und enge Schächte unterwegs, ehe er den 52-Jährigen erreichte. Der Verunglückte, der seit Jahren in der tiefsten und längsten Höhle Deutschlands forscht, hatte bei einem Steinschlag am frühen Sonntagmorgen ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten.

"Diagnose ähnlich wie bei Schumacher"

"Es ist so, dass so ein Patient seit mehr als drei Tagen auf der Intensivstation liegen würde", sagte der Frankfurter Neurochirurg Michael Petermeyer in Berchtesgaden. Er habe aber wahrscheinlich das Schlimmste überstanden. "Die Schwelle der maximalen Gefährdung ist überschritten, aber er ist noch nicht über den Berg", sagte Petermeyer. "Was jetzt mehr oder minder schicksalhaft und nicht vorhersehbar ist, sind Blutungen." Die Diagnose sei ähnlich wie bei Michael Schumacher, nur in einer deutlich schwächeren Ausprägung.

Der höhlenerfahrene Mediziner ist angereist, um die Einsatzleitung zu verstärken und bei Bedarf selbst in die Höhle zu gehen.

Zustand des Verletzten stabil  

Petermeyer berät die Retter und ist in Kontakt mit seinen beiden Kollegen unter der Erde, dem Arzt aus Österreich und einem aus Italien. Sobald beide oder einer von ihnen den Patienten erreicht habe, könne die Therapie beginnen - und möglicherweise auch schnell mit der tatsächlichen Rettung begonnen werden. Man müsse abwägen zwischen einer zusätzlichen Gefährdung des Patienten und einem weiteren Abwarten in der Tiefe bei etwa vier Grad, wo es zudem keine intensivmedizinische Betreuung gebe. Sein Zustand ist stabil. Der Höhlenforscher soll ansprechbar sein und mit Hilfe stehen können.

Inzwischen haben andere Helfer die Route zum Unglücksort gesichert. Unter anderem wurden an schwierigen Stellen Metallstifte in die glitschigen Felswände gebohrt. Zusätzliche Seile sollen den Rettern den Weg erleichtern. Teils wurden Seile ausgetauscht, weil sie verschlissen waren. Die Höhle sei extrem schwierig, sagte der Bergwachtler Schneider. "Für mich ist das die absolute Ausnahme, wenn da einer runterkommt." Westhauser, der zu den extremsten Höhlenforschern Deutschlands zählt, hatte die Höhle mitentdeckt und erforscht sie mit seinen Kollegen seit Jahren.

Angst vor Gewitter und Regen  

Für den Aufstieg wäre es hilfreich, wenn der Verletzte mithelfen könnte - etwa an Engstellen. Der Höhlenretter und Einsatzleiter Nils Bräunig sagte am Mittwoch, er sei zuversichtlich, den Verletzten mit einer Trage auch an engen Stellen vorbei zu bringen.

Sehr aufmerksam beobachten die Helfer den Wetterbericht. Unter anderem . Starker Regen kann auch in Höhlen die Schluchten und Canyons gefährlich mit Wasser anschwellen lassen. Durch "geschickte Planung" sei hier inzwischen Vorsorge getroffen worden, sagte Schneider. "Wir haben die Leute aus dem wassergefährten Bereich abgezogen."

Der renommierte Höhlenforscher - er hat die Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden, in der er nun gefangen ist, mitendeckt - liegt schwer verletzt in 1.000 Metern Tiefe. Bis Montag hieß es, er sei nicht transportfähig. Doch der Zustand des 52-Jährigen, der am Sonntag verletzt wurde, scheint besser zu sein als zunächst vermutet.

Der deutsche Forscher kann möglicherweise bis Ende der Woche gerettet werden. Der Mann sei dauerhaft ansprechbar und in der Lage, kurze Zeit zu stehen, sagte ein Sprecher der Bergwacht Chiemgau. Zuvor waren die Rettungskräfte davon ausgegangen, dass der Mann nur liegend an die Oberfläche gebracht werden kann.

Bergung in Etappen

Der 52-Jährige, der zu den Entdeckern der Höhle gehört, soll in den nächsten Tagen etappenweise zu den fünf Biwakstationen gebracht werden, die Helfer bereits am Montag auf dem Weg nach oben eingerichtet hatten. Ein weiteres, vierköpfiges Team erreichte den Lagerort des 52-Jährigen auf etwa 950 Meter Tiefe. Sie brachten medizinischer Ausrüstung, Wasser und Essen zum Höhlenforscher. Gearbeitet wurde auch an einer Telefonverbindung zu den Männern. Die Bergung aus dem dunklen und teilweise sehr engen Schacht dürfte dennoch extrem schwierig werden - der Einsatz bringt auch die Helfer an ihre Belastungsgrenzen.

Internationale Höhlenretter

An die 200 Helfer sind angereist. Unter ihnen sind allein um die 80 spezialisierte Höhlenretter der Bergwacht aus Rosenheim, Garmisch-Partenkirchen, Murnau, Freilassing sowie ihre Kollegen aus Salzburg. Sie sitzen auf einer Wiese bei Marktschellenberg in den Berchtesgadener Alpen in der gleißenden Sonne - und können nichts für den Schwerverletzten tun, der in knapp 1.000 Metern Tiefe festsitzt.
So passierte das Unglück

Am Pfingstsamstag war eine dreiköpfige Gruppe in die bis zu 1.100 Meter tiefe "Riesending-Schachthöhle" eingestiegen. In der Nacht auf Sonntag kam es dann zum Steinschlag, bei dem der 52-Jährige schwer verletzt wurde. Er kann alleine nicht mehr aufsteigen, informierte die bayerische Polizei. Ein um zehn Jahre jüngerer Kamerad machte sich daher auf den Rückweg, um Hilfe zu organisieren, während ein 38-Jähriger beim Verletzten zurückblieb, um diesen zu betreuen.

Nach rund zwölfstündigem Aufstieg erreichte der Forscher am Sonntagnachmittag den Höhleneingang und setzte von dort einen Notruf ab. Es wurde sofort eine Rettungsaktion gestartet, an der sich die Bergwacht Chiemgau, die Höhlenrettung Baden-Württemberg,

Größte Höhle Deutschlands

Die Riesending-Schachthöhle ist die tiefste und längste Höhle Deutschlands. Das gigantische Gangsystem umfasst eine Länge von 19,2 Kilometern und ist 1.148 Meter tief. Der Eingangsschacht war im Rahmen einer Plateau-Vermessung bereits im Jahr 1995 entdeckt worden, blieb jedoch im Schatten anderer Projekte bis 2002 nahezu unbeachtet.

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Der 52-Jährige ist seit jungen Jahren von Höhlen fasziniert und ein erfahrener Forscher, wie ein langjähriger Freund erzählt.

"Er ist ein ganz erfahrener, sehr ruhiger Mann, der immer überlegt handelt. Man kann sich in der Höhle zu 100 Prozent auf ihn verlassen. Er legt immer Wert auf eine einwandfreie Ausrüstung und vor allem auf die Vorbereitung des Einsatzes", sagte Matthias Leyk, Einsatzleiter der Höhlenrettung Baden-Württemberg, der "Bild"-Zeitung. Er kennt W. seit 25 Jahren.

"Im Jahr 2002 entdeckte er die Riesending-Höhle mit anderen Forschern. Auf Anhieb stießen sie auf 300 Meter Höhle. Das war der Wahnsinn", erzählt Leyk. "Ich bin mir sicher, dass er mit stolzgeschwellter Brust da saß und sich über den Fund freute – aber geprahlt hat er nie", beschreibt der Höhlenretter seinen Freund.

Seit der Kindheit im Höhlenfieber

Schon als Kind sei Johann W. vom Höhlenforschen begeistert gewesen, so Leyk zur "Bild". "Der Höhlen-Virus, wie wir das nennen, hat ihn irgendwann befallen und bis jetzt nicht wieder losgelassen." Johann W. arbeitet als Physiker in Karlsruhe und trug viel zur Erforschung von Höhlen bei. Vor gut 20 Jahren etwa hatte Leyk zusammen mit ihm die Falkensteiner Höhle untersucht. Dort sammelten sie Klimadaten und bestätigten mit ihren Messungen die Lehrmeinung.

Bei der aktuellen Mission sei es darum gegangen mit den anderen Forschern einen noch nicht vermessenen Teil der Riesending-Höhle zu erkunden. Auf Karten und mit Bildern wollten die Forscher die unbekannten Gänge dokumentieren.