Wien

"Schildbürgerstreich!" Pendlerfrust über Parkpickerl

Es ist soweit: Seit heute gilt in ganz Wien die flächendeckende Kurzparkzone. "Heute" hat die Reaktionen am ersten Tag eingefangen.

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Der Unmut über das Parkpickerl ist nun in Niederösterreich groß. Walter (79): "Das ist doch ein Schildbürgerstreich!"
Der Unmut über das Parkpickerl ist nun in Niederösterreich groß. Walter (79): "Das ist doch ein Schildbürgerstreich!"
Denise Auer

Wer bisher nichts vom geplanten Parkpickerl mitbekommen hat, dem fällt spätestens heute auf: Etwas ist anders. Während auf vielen Parkplätzen in Wien gähnende Leere herrscht, drehen Autofahrer auf niederösterreichischen Parkplätzen ihre Runden auf der verzweifelten Suche nach einer freien Stelle.

Seit 1. März gilt in ganz Wien die flächendeckende Parkraumbewirtschaftung. Es handelt sich um die größte Ausweitung in der Geschichte der Wiener Parkraumbewirtschaftung, die bewirtschafteten Flächen werden mit einem Schritt verdoppelt. Neu ist das Pickerl im ganzen Bezirk für die Donaustadt, Floridsdorf, Hietzing, Simmering und Liesing, wo sich die Auswirkungen bereits zeigen. In den wenigen Ausnahme-Gebieten, wie etwa dem Oberen Heuberg in Hernals, reiht sich Auto an Auto - im Rest der Bezirke sind kaum parkende PKWs zu sehen.

Parkplätze in Klosterneuburg überfüllt

"Das ist der größte Blödsinn, den es gibt", macht Passantin Helga im Gespräch mit "Heute" am Bahnhof Liesing ihrem Ärger Luft. "Gerade hier im Bezirk kommen viele aus dem Umland an. Wo sollen die ihre Autos hinstellen?" Die 77-jährige kommt aus Niederösterreich, ein Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel kommt für sie nicht in Frage: "Ich habe jede halbe Stunde einen Bus, wie soll das funktionieren?"

Was eben diese Pendler aus dem Umland machen, zeigt sich bei einem "Heute"-Lokalaugenschein in Klosterneuburg. Viele stellen ihr Fahrzeug an Parkplätzen direkt am Bahnhof ab und steigen dort auf die öffentlichen Verkehrsmittel um. Das System Park & Ride kommt ihnen hier entgegen. Aber auch das hilft nicht, wenn die Parkplätze überfüllt sind. "Ich denke, dass sich das Parkplatzproblem raus verlagert", sagt Joachim. "Dieser Parkplatz wird ja auch von Klosterneuburgern genutzt, weil es hier ebenso eine Kurzparkzone gibt."

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    Karl (60) pendelt regelmäßig von Klosterneuburg nach Wien. Er möchte im Sommer auf das Rad umsteigen.
    Karl (60) pendelt regelmäßig von Klosterneuburg nach Wien. Er möchte im Sommer auf das Rad umsteigen.
    Denise Auer

    "Die Probleme verschieben sich nur"

    Dass in Bahnhofsnähe schon bald kein freier Parkplatz mehr zu finden sein wird, befürchtet auch Walter (79): "Das ist ein Schildbürgerstreich. Ich finde das nicht gut. Wir kommen oft her, wollen einkaufen oder auf den Markt gehen, aber alles ist voll." Der Klosterneuburger arbeitete früher in Wien und pendelte regelmäßig aus Niederösterreich in die Hauptstadt. "Ich fahre jetzt nur mehr öffentlich nach Wien", erzählt er. "Aber wer pendelt, muss sich ein Zugticket kaufen. Besser wäre es, ein Parkdeck zu bauen, damit mehr Autos Platz haben." Eine Verlagerung bemerkt der 79-jährige im ganzen Bezirk. "Alle, die hier keinen Platz finden, parken jetzt vor dem Happyland (Anm.: Freizeitzentrum in Klosterneuburg) So finden die Besucher des Happylands keinen Parkplatz. Es verschiebt sich einfach." Passantin Silke P. (Name geändert) stimmt dem zwar zu, sagt aber: "Diese ganze Diskussion ist doch nur aufgebauscht. Die Probleme hatten wir immer schon, nicht erst seit dem Parkpickerl."

    "Hier einen Parkplatz zu finden ist reines Glück"

    Karl (60) pendelt regelmäßig von Klosterneuburg nach Wien, wo er als Unternehmensberater arbeitet. Er kritisiert vor allem die fehlende Infrastruktur: "Ich verstehe, dass man die Autos aus der Stadt haben möchte. Aber dafür braucht es die geeigneten Rahmenbedingungen, die richtige Infrastruktur." Dass er heute einen Parkplatz gefunden hat, sei nur Glück, so der Niederösterreicher. "Normalerweise ist es hier immer voll. Und das wird noch zu weiteren Problemen führen", ist er sich sicher. "Die Leute werden sauer, das Aggressionspotential steigt und auch der Egoismus. Es hätte hier eine bessere Vorbereitung gebraucht." Die lange Parkplatzsuche will Karl künftig umgehen. "Sobald es wärmer wird, steig ich aufs Fahrrad", lacht er. Etwas für die Umwelt tun möchte auch Beate R. (Name geändert). Sie ist zu Fuß zum Bahnhof gekommen, eine Autofahrt nach Wien kommt für die Pendlerin nicht in Frage: "Ich finde das ökologisch unverantwortlich."

    Stadträtin: "Ein Meilenstein für den Klimaschutz"

    Zurück in Liesing. Während so manch einer erbost über die Einführung des Pickerls ist, zeigt sich Anrainer Andreas (53) vergleichsweise entspannt. "Man muss es nehmen wie es kommt. Man kanns ja nicht ändern", sagt er und gibt sich positiv: "Wir sind immer zugeparkt, also kann es eigentlich nur Vorteile haben." Anders sieht das Karli (51): "Es werden jetzt mehr in Perchtoldsdorf stehen oder auf der Suche nach einem Parkplatz im Kreis fahren. In meiner Gegend wäre es nicht notwendig gewesen", meint er, gibt aber zu: "Im Gesamtbild versteh ich es."

    Am anderen Ende Wiens, in der Donaustadt, machten sich indes Mobilitätsstadträtin Ulli Sima, Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (beide SPÖ), SPÖ-Klubvorsitzender Josef Taucher und Neos-Klubobfrau Bettina Emmerling ein Bild von den neu gewonnen Flächen im öffentlichen Raum. Das Fazit für die Stadt? Positiv! Sima spricht von einem "historischen Schritt" und betont: "Wir führen nun fort, was in 18,5 Bezirken seit vielen Jahren gut funktioniert und vereinheitlichen die Regelungen. Das flächendeckende Parkpickerl ist ein Meilenstein für den Klimaschutz, denn es trägt dazu bei, den (Pendler-)Verkehr in unserer Stadt zu reduzieren und den Umstieg auf die Öffis anzukurbeln. Mit den Einnahmen des Parkpickerls finanzieren wir den weiteren Öffi-Ausbau in unserer Smart Klima City." Bei der Einführung des Pickerls in den Westbezirken wurden rund 8.000 PKW-Fahrten weniger pro Tag verzeichnet. Bis 2030 wolle man den Anteil der PKW-Pendler halbieren.

    Radwege und Begrünung: Freie Flächen sollen genutzt werden

    "Jahrelang wurde über mögliche Lösungen einer Parkraumreform diskutiert und Zeit vertan für eine effektive Klimaschutzmaßnahme", führt Neos-Klubobfrau Emmerling aus. "Jetzt ist Schluss mit Fleckerlteppich und das Parken in Wien für alle Bewohner einheitlich, verständlich und fair. Ich freue mich sehr, dass wir unser Vorhaben aus dem Regierungsprogramm umgesetzt haben und nun Platz im öffentlichen Raum frei wird für Menschen und alternative Mobilitätsformen."

    Erfreut zeigt sich auch der Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy, der bereits große Pläne für den nun freiwerdenden Platz in seinem Bezirk hat: "Der erwartete Rückgang des Pendler-Verkehrs ist nicht nur für Klima und Luftqualität zentral, auch die Bewohner profitieren von mehr freien Parkplätzen und ruhigeren Straßen. Die Verbesserung ist jetzt schon evident. Mit dem Parkpickerl sorgen wir nun für die lang geforderte Entlastung, können neue Radwege bauen, freie Flächen für die Bezirksbewohner gestalten und sichern die einmalige Lebensqualität in unserem Bezirk." In Aussicht stellt die Stadt neue Begrünungsmaßnahmen und den Bau von neuen Radwegen. Durch die Abnahme von Falschparkern soll außerdem der Verkehrsfluss um bis zu zwei Drittel erhöht und Behinderungen von öffentlichen Verkehrsmitteln verhindert werden.

    Alternativen für Pendler

    Auch Pendler werden nun vermehrt auf den öffentlichen Verkehr umsteigen oder die Park & Ride Anlagen in Wien nützen. Freie Kapazitäten gibt es beispielsweise noch an der U1-Station Aderklaaer Straße oder Leopoldau sowie an der U6-Station Perfektastraße und der U4-Station Hütteldorf. Die Stadt Wien beteiligt sich darüber hinaus an der Errichtung neuer Park&Ride Anlagen im Wiener Umland mit 3,25 Millionen Euro.

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