Niederösterreich

Pension! 60 "schlimme Buben" trauern um ihre Häfenmama

Eine Häfenlegende geht in den wohlverdienten Ruhestand: Gerasdorf-Leiterin Margitta Neuberger-Essenther (64) verabschiedet sich mit Ende März.

Ministerin Alma Zadic ehrte Margitta Neuberger-Essenther (64), die jetzt in Pension geht.
Ministerin Alma Zadic ehrte Margitta Neuberger-Essenther (64), die jetzt in Pension geht.
BMJ

Über 20 Jahre kümmerte sich Margitta Neuberger-Essenther in der Jugendstrafanstalt Gerasdorf um Mörder, Räuber, Vergewaltiger - viele ihrer  "Kunden" waren Teenager und blutjunge Männer oder gar Kinder in einem Erwachsenen-Körper. Mit stoischer Ruhe und unnachahmlichem Sanftmut leitete Margitta Neuberger-Essenther über zwei Jahrzehnte lang das Jugendgefängnis, wurde dafür von Hardlinern nicht nur einmal unter Beschuss genommen.

Margitta Neuberger-Essenther (ihr Gatte Gottfried Neuberger leitet das Frauengefängnis Schwarzau am Steinfeld, Anm.) war rund zwei Jahrzehnte lang, von 1981 bis 2002, am Jugendgerichtshof in Wien (Anm.: Rüdenburg) tätig, übernahm mit 1. Jänner 2003 die Leitung des Jugendstrafvollzuges im Bezirk Neunkirchen. Viele der "jungen Haflinger" schlossen sie mit der Zeit als "Häfenmama" ins Herz. Denn: Wenn sie auftauchte, versprühte sie stets eine gewisse Wärme und dennoch Autorität.

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    Margitta Neuberger-Essenther bei der Arbeit im Büro in Gerasdorf.
    Margitta Neuberger-Essenther bei der Arbeit im Büro in Gerasdorf.
    privat

    Bis längstens zum 27. Lebensjahr dürfen Insassen in der Regel im Jugendhäfen ihre Strafen verbüßen, seit 2011 ist die Justizanstalt für Jugendliche Gerasdorf außerdem eine Außenstelle der Justizanstalt Wien-Josefstadt für jugendliche männliche Untersuchungshäftlinge.

    Derzeit rund 60 Insassen

    Die Maximalbelagsfähigkeit der Justizanstalt für Jugendliche Gerasdorf beträgt 122 Haftplätze. "In der letzten Wochen hatten wir einen Stand von rund 60 Insassen", so Neuberger-Essenther im "Heute"-Telefonat Mitte der Woche und verwies auf die abnehmende Belagszahl. Die Hofrätin baut jetzt ihren restlichen Urlaub ab und geht mit 31. März 2023 in Pension. Nachfolger bis auf weiteres wird der stellvertretende Anstaltsleiter, Oberstleutnant Thomas Binder.

    Am Donnerstag, den 16. März 2023, fand in der Justizanstalt Gerasdorf ein Symposium zum Thema "Jugendvollzug" im Beisein von Justizministerin Alma Zadić statt. Die Veranstaltung galt zudem der Verabschiedung der langjährigen Leiterin der Justizanstalt.

    Justizministerin Zadić bedankte sich bei der scheidenden Hofrätin für ihr langjähriges Engagement und streute der 64-Jährigen Rosen: "Mit Ihrem engagierten Eintreten für Verbesserungen im Jugendvollzug und für die Entwicklung neuer Ansätze zur Resozialisierung Jugendlicher haben Sie maßgeblich dazu beigetragen, den Jugendvollzug in Österreich ein Stück weit moderner und effizienter zu machen. Für diesen bedeutsamen und nachhaltigen Einsatz gebührt Ihnen meine größte Wertschätzung! Für Ihren bevorstehenden Ruhestand wünsche ich Ihnen alles Gute und im Besonderen eine langanhaltende gute Gesundheit!"

    Aus für Jugendstandort Gerasdorf

    Übrigens: Das Jugendgefängnis Gerasdorf könnte es in der jetzigen Form bald nicht mehr geben, die Insassen könnten in der Justizanstalt Simmering unterkommen. Das wäre nicht das erste Mal, dass es in Wien ein Jugendgefängnis gäbe. Bis Anfang der 2000er-Jahre hatte es die "Rüdenburg" in der Rüdengasse in Wien-Landstraße gegeben. Doch der Jugendgerichtshof war unter dem damaligen FP-Justizminister Dieter Böhmdorfer - unter viel Kritik - aufgelöst worden. Die Volksanwaltschaft hatte indes im Vorjahr ein Überdenken der Jugendstrafanstalten angeregt - mehr dazu hier.

    "Mehr Fußfesseln für Jugendliche"

    Erst am Dienstag meinte Margitta Neuberger-Essenther im "Ö1-Morgenjournal", dass sie für einen vermehrten Einsatz von Fußfesseln bei Jugendlichen plädiere. "Bei Jugendlichen habe ich mich immer wieder gefragt, ob Einsperren der richtige Weg ist. Sollte man nicht doch andere sozialpädagogische Maßnahmen finden?", so Neuberger-Essenther. Eine Fußfessel, intensive Betreuung von Jugendämtern und Bewährungshilfe bei den Eltern zu Hause wäre sinnvoller. 

    Möglich ist, dass ab dem Jahr 2024 die jugendlichen Strafgefangenen in Wien untergebracht werden und in Gerasdorf ein Gefängnis mit einer anderen Spezifizierung entsteht. Die Arbeitsgruppe arbeitet derzeit auf Hochtouren daran.