Niederösterreich

Spitalskräfte am Limit: "Weinen statt Essen in Pause"

Eine Pflegekraft aus NÖ erzählt von unerträglichen Zuständen: Personalmangel, Druck, Überlastung, Verzweiflung und aggressive Patienten.

Spitäler NÖ am Anschlag: "Mitarbeiter gehen zum Weinen in den Aufenthaltsraum", so eine Pflegerin aus NÖ.
Spitäler NÖ am Anschlag: "Mitarbeiter gehen zum Weinen in den Aufenthaltsraum", so eine Pflegerin aus NÖ.
Getty Images/iStockphoto

Eine Krankenschwester eines Spitals im südlichen Niederösterreich (Anm.: Klinikum d. Red. bekannt, aus Quellenschutz bzw. Angst der Angestellten wird das Krankenhaus nicht genannt) berichtet von einem kaum aushaltbaren Klinikalltag: „Überall fehlt Personal, Kollegen warten seit Jahren auf Versetzungen.“ Stundenreduktionen seien nicht möglich, 60-Wochen-Stunden teilweise die Norm.

"Ständig wer krank, weil keiner mehr kann"

„Ständig wird wer krank, weil einfach niemand mehr kann. An dienstfreien Tagen wird händeringend Personal gesucht, man wird dann mit Nachrichten bombardiert, ob man nicht doch Dienst schieben kann. Findet sich niemand, wird jemand auserwählt. Verrichtet derjenige den Dienst dann nicht, drohen Konsequenzen.“

Selbst gestandene PflegerInnen, die einst immer ein Lächeln auf den Lippen hatten, ziehen sich, sofern eine Pause überhaupt möglich, in der Mittagspause in Aufenthaltsräume zurück: „Um dort zu weinen.“

Schüler und OP-Gehilfen helfen aus

Zu viele Patienten kämen in die übervollen Ambulanzen, teils mit Lappalien, würden immer aggressiver werden. „Zeit für Patienten? Fehlanzeige. Nur die Basics wie Intimpflege und frisches Bettzeug sind noch möglich“, so die Mitarbeiterin. Teils würden Schüler als Pflegekräfte eingesetzt werden.

Auch OP-Gehilfen müssten Nachtdienste schieben: "Auf den Ambulanzen werden sogar manchmal OP-Gehilfen eingesetzt, diese dürfen und können aber zum Beispiel keine Blutabnahme durchführen oder Zugänge legen, was bedeutet, dass die zuständige Pflegekraft zwar nicht alleine ist in der Nacht bzw. am Tag, aber dennoch irgendwie alleine, da sie wiederum viele Tätigkeiten selbst machen muss", so die Klinikumskraft.

Keine Zeit nach Krebsdiagnose

"Zeit ,um sich beispielsweise zu einer Patientin zu setzen, welche gerade eine Krebsdiagnose erhalten hat und verzweifelt ist und daher kaum isst oder trinkt, ist nicht mehr oder sehr selten vorhanden. Meist kann man froh sein, dass dieser Rückzug
überhaupt auffällt, wobei ich davon überzeugt bin, dass er auffällt, aber dann ohnehin niemand reagieren kann", so die Spitals-Mitarbeiterin resignierend.

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    Spitäler NÖ am Anschlag
    Spitäler NÖ am Anschlag
    Getty Images (Symbol)

    „Manchmal kommt es mir vor, als wären wir mittendrin in der Triage. Aber kaum kommt ein VIP-Patient, scharen sich Ärzte, Pfleger und sogar Verwaltung um den VIP. Und kommt eine Obrigkeit oder ein Politiker vorbei, müssen wir fürs gemeinsame Foto lächeln. Dabei ist uns nur noch zum Weinen statt zum Lachen." Die Verwaltung würde dies indes nur kaschieren, statt mit dem Pflegepersonal zu kämpfen.

    Das sagt Spital dazu

    Eine Sprecherin der Landesgesundheitsagentur (LGA) meint dazu: "Im Verbund aller Kliniken der NÖ Landesgesundheitsagentur sind wir bemüht, mit unterschiedlichen Maßnahmen Personal zu gewinnen - mit Erfolg: Allein im heurigen Jahr konnten wir mehr als 1.800 neue Kolleginnen und Kollegen bei uns begrüßen. Aktuell verzeichnen wir in den NÖ Kliniken insgesamt sogar einen historischen Höchststand an Pflegekräften."

    "Haben historischen Höchststand an Pflegekräften", so die Sprecherin der LGA

    "Allerdings gibt es nach wie vor punktuelle Druckpunkte an manchen Abteilungen, jedoch wird mit Hochdruck an Lösungen gearbeitet. Auch wenn die meisten Dienstposten im Pflegebereich in den Kliniken der Thermenregion besetzt sind, kann es aufgrund von Erkrankungen bzw. Fluktuation des Personals kurzfristig zu Engpässen kommen. Auf diese wird unter anderem mit dem während der Corona-Pandemie etablierten Pooling-System reagiert. Wir können versichern, dass die CIRS-Einträge (Anm.: internes Portal zur offenen Fehlerkommunikation) gesehen und bearbeitet werden", so die LGA-Sprecherin weiter.

    Dem widerspricht die Spitalskraft: "Ja, es existieren zahlreiche CIRS-Einträge, aber eine angemessene Reaktion blieb bis dato aus."

    Auch im Spital Wr. Neustadt soll es teils massive Personalprobleme geben - mehr dazu hier. In Wien warnen Ärzte schon seit Wochen vor einer Katastrophe - mehr dazu hier und hier