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Polens Ex-Staatschef Jaruzelski gestorben

Heute Redaktion
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Der letzte kommunistische Staatschef Polens, Wojciech Jaruzelski, ist am Sonntag 90-jährig gestorben. Er war bereits seit Mitte Mai nach einem Schlaganfall in einem Militärkrankenhaus in Warschau behandelt worden. Die Staatsanwaltschaft wollte den Ex-General für die Verhängung des Kriegsrechts 1981 im Kampf gegen die Bewegung Solidarnosc vor Gericht bringen. Zuletzt ließ das sein Gesundheitszustand aber nicht mehr zu.

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Jaruzelski lenkte von 1981 bis 1989 die Geschicke Polens, 1981 verhängte er als KP-Chef im Kampf gegen die antikommunistische Solidarnosc-Gewerkschaftsbewegung das Kriegsrecht. Bereits 1970 soll er für den Tod von protestierenden Arbeitern mitverantwortlich gewesen seien.

Der ehemalige polnische Arbeiterführer Lech Walesa würdigte den verstorbenen General Wojciech Jaruzelski als "großen Mann aus der Generation des Verrats". Es seien komplizierte Zeiten gewesen. "Die Abrechnung überlasse ich dem Herrgott", sagte der Friedensnobelpreisträger. Er war als Chef der Gewerkschaft Solidarnosc während des von Jaruzelski verhängten Kriegsrechts in Polen jahrelang interniert.

Er sei nicht in der Lage zu sagen, ob Jaruzelski ein Verräter Polens oder ein Patriot gewesen sei, sagte Walesa der polnischen Nachrichtenagentur PAP. Privat sei der General, der am Sonntag nach langer Krankheit im Alter von 90 Jahren starb, ein interessanter Gesprächspartner gewesen: "Man konnte ihm stundenlang zuhören."

2007 Strafverfahren eingeleitet

Im April 2007 hatte die Staatsanwaltschaft des Instituts für das nationale Gedächtnis (IPN) wegen der Verhängung des Kriegszustandes ein Strafverfahren gegen Jaruzelski und andere Ex-Funktionäre eingeleitet. Sie warf ihm unter anderem vor, mit dem "Militärrat zur Rettung der Nation" eine "verbrecherische Organisation" geschaffen zu haben.

Jaruzelski machte früh negative Erfahrungen mit der Sowjetunion. Denn nachdem die Familie vor dem Einmarsch der Wehrmacht 1939 nach Litauen geflohen war, wurde sie dort 1940 von den Sowjet-Truppen verhaftet und ins südliche Sibirien deportiert. Beim Holzfällen in der Taiga, bei dem er helfen musste, erkrankte er an Schneeblindheit. Deshalb musste Jaruzelski bis zuletzt eine getönte Brille tragen. Sein Vater verstarb während der Strapazen der Zwangsarbeit.

Mit 33 Jahren General

Trotzdem trat Wojciech Jaruzelski als 20-Jähriger in die "Polnische Armee in der Sowjetunion" ein, die unter der Führung der Roten Armee stand. Er nahm an der Eroberung von Warschau teil und erlebte das Kriegsende in der Nähe von Berlin. Als Berufssoldat machte Jaruzelski eine Blitzkarriere. Er arbeitete in der Zentralverwaltung der Offiziersschulung und wurde schon 1956, mit 33 Jahren, zu einem der jüngsten Generäle in Polen befördert. Dazu trug wohl auch bei, dass er seit ihrer Gründung 1948 Mitglied der Vereinigten Polnischen Arbeiter-Partei PZPR war.

Seine politische Karriere begann Jaruzelski 1960 als Leiter der Politischen Hauptverwaltung in der Armee - der verlängerte Arm der Staatspartei bei den Streitkräften. Wenige Jahre später wurde der General Mitglied im Zentralkomitee der PZPR und 1968 Verteidigungsminister. Er profitierte dabei von einer antisemitischen Kampagne innerhalb der Partei, die zur Entlassung seines Vorgängers führte.

Wirkte am Verbot von Solidarnosc mit

Am 18. Oktober 1981 wurde Jaruzelski zum ersten Sekretär des Zentral-Komitees der PZPR gewählt. Nur zwei Monate später rief er den Kriegszustand aus und setzte sich an die Spitze des "Militärrats zur Rettung der Nation" (WRON), der die Regierung übernahm. Damit einher ging das Verbot der unabhängigen Gewerkschaft "Solidarnosc" (Solidarität). Der Kriegszustand endete offiziell am 22. Juli 1983.

Anfang 1989 initiierte Jaruzelski die Gespräche am Runden Tisch, bei denen die Regierung mit Vertretern der Kirche und der Opposition verhandelte. Das Ergebnis waren die ersten teilweise freien Parlamentswahlen im Juni. Jaruzelski übernahm das neu geschaffene Amt des Präsidenten. Bei der ersten freien Präsidentenwahl 1990 trat Jaruzelski nicht an.