Österreich

Strafe statt Schutz vor aggressivem Mann– das Protokoll

Sarah H. wollte Hilfe, stattdessen wurde sie von Polizeibeamten angeschrien und später gestraft. "Heute" hat das ganze Einsatzprotokoll.

Amra Duric
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Sarah H. bat Polizisten um Hilfe.
Sarah H. bat Polizisten um Hilfe.
Sabine Hertel

In den frühen Abendstunden eskalierte in der Wohnung von Wienerin Sarah H. (Name von Redaktion geändert) die Situation. "Mein Mann war betrunken und aggressiv und ging auf meine Freundin los", berichtet die 37-Jährige im Gespräch mit "Heute". Gegen 20:30 Uhr rückte schließlich die Polizei an. Die Zweifach-Mutter, die mit ihrem Mann in Scheidung lebt, hatte diesem den Hausschlüssel weggenommen. "Ich wollte, dass er die Wohnung verlässt. Ich konnte nicht mehr." 

Als die Polizei schließlich eintraf, betonte Sarah H. mehrmals, dass sie und ihre Kinder Angst vor dem Mann hätten. Doch statt zu helfen, wurden die Beamten der Frau gegenüber laut. Nach rund 20 Minuten zogen sie schließlich ab – Sarahs Noch-Ehemann wurde nicht aus der Wohnung weggewiesen.

Wenige Tage später bekam die 37-Jährige eine Strafverfügung zugeschickt. "Sie wollen, dass ich 200 Euro Strafe zahle, weil ich die Polizisten als 'blöd' und 'inkompetent' bezeichnet haben soll. Das stimmt aber nicht", erzählt die Wienerin. 

Anwältin Aleksandra Fux mit Mandantin Sarah H.
Anwältin Aleksandra Fux mit Mandantin Sarah H.
Sabine Hertel

Einsatzprotokoll des Polizeieinsatzes

Den Beweis dafür liefert ein Tonband. Sarah H. hatte nämlich den ganzen Polizeieinsatz aufgenommen. "Ich habe bevor die Polizei gekommen ist aufgenommen, was mein Mann zu mir gesagt hat. Das Band habe ich dann weiterlaufen lassen", so die gebürtige Polin.

Anwältin Aleksandra Fux erläutert: "Ohne die zufällig entstandene Aufnahme hätte meine Mandantin die Vorgehensweise der Polizei nicht beweisen und die falschen Anschuldigungen gar nicht widerlegen können. Sie kann nicht verstehen, was in diesem Polizisten vorgegangen sein muss, dass sich dieser nach der Amtshandlung hinsetzt und noch unwahre Behauptungen zu Papier bringt." Sie meint, der Fall wäre ein guter Anlass, um Polizeibeamte auf die Sensibilität solcher Einsätze hinzuweisen und entsprechende Schulungen anzubieten.

"Heute" liegt das gesamte Tonband vor. Wir dokumentieren dieses hier Wort für Wort:

Polizei: Grüß Gott, um was geht’s jetzt konkret?
Sarah: Ja, wir haben viel Stress.
Polizei: Sind Sie die Frau?
Sarah: Ja, ich bin die Frau. Mein Mann schimpft mit mir, mit meiner Freundin. Das dauert schon Jahre. Ich hab gesagt es ist genug. Bitte weggehen. Er lacht.

Eine anwesende Freundin von Sarah gestikuliert, wie der Ehemann getan hat.

Sarah: Meine Kinder sind gestresst, ich habe viele Nachrichten, auf Diktaphon gesprochen.
Polizei: Haben Sie einen Ausweis für mich?
Sarah: Ja. (zeigt Polizisten Ausweis)

Sarah: "Wir haben Angst, Kinder sind wirklich gestresst."
Polizei antwortet: "Ja, wir haben alle Angst. Wenn Sie einen Beziehungsstreit haben, wieso sind wir dann hier?"

Sarah: Das ist nicht nur streiten. Er sagt du bist Bitch …
Polizei: Wenn man sich schimpft, es gibt Leute die sich scheiden lassen.
Sarah: Ja, Entschuldigung, aber die Kinder…
Polizei: Ja, auch wenn man Kinder hat.
Sarah: Ich will nicht mehr mit ihm wohnen.
Polizei: Ja dann müssen Sie sich trennen. Was sollen wir jetzt machen. Sollen wir ihn rausschmeißen, oder sollen wir Sie rausschmeißen. Was stellen Sie sich jetzt vor?

Sarah: Heißt das ich bin schuldig?
Polizei: Nein, aber soll ich jetzt entscheiden wer gehen soll? Das ist nicht meine Aufgabe zu entscheiden wer geht. Das müssen Sie sich selbst ausmachen. Sie sind erwachsen.
Sarah: Ja, ich möchte das machen. Ich habe gesagt hast du eine Stunde Zeit.

(Der Ehemann lacht)

Polizei: Schaun'S, wenn Sie Streit haben, ist mir das prinzipiell egal. Solang er Sie nicht schlägt oder sonst irgendwas oder solange Sie ihn nicht schlagen. Es ist mir eigentlich egal, wer wen schlägt. Was sollen wir jetzt machen, was stellen Sie sich vor, dass wir ihn rauswerfen?

Sarah: Ja, bitte, wir haben Angst vor ihm.
Polizei: Um was haben Sie Angst?
Sarah: Alles, er trinkt viel Alkohol.
Polizei: Ja, gut.
Sarah: Jeden Tag.
Polizei: Wer ist denn Hauptmieter der Wohnung?
Sarah: Ich, beide.
Polizei: Gut, dann müssen Sie sich das selbst ausmachen wer geht und wer nicht geht. Wir können niemanden aus der Wohnung werfen.

Sarah: Er muss weg.
Polizei: Sie können aufs Bezirksgericht Floridsdorf gehen und das ganze zivilrechtlich beantragen, das ist wie eine Scheidung.
Sarah: Ok, das weiß ich. Wir sind Moment in Seperation, aber er will nicht weggehen.
Ehemann: Oh ja, ich hab schon neue Vertrag erste August gekriegt.
Sarah: Gut, aber du bist nicht brav, verstehst du. Du trinkst jeden Tag.

Freundin von Sarah: Die Kinder haben Angst, sie sagen das…
Sarah: Ich kann große Tochter bringen und sie sagt was er sagt.

Polizei: Schauen Sie, mir ist egal ob er trinkt, ob er schreit oder sonst irgendwas macht. Was soll ich jetzt tun. Sie sind erwachsene Menschen. Sie können ja wie normale Menschen reden oder? Wir sind nicht der Scheidungsrichter, der entscheidet wer geht und wer nicht geht. Sie schreien nicht mit ihm und er schreit nicht mit Ihnen, geht das?

Sarah: Er will nicht schreien, ja, aber wir haben das alles auf Diktaphon gespeichert, was er sagt und macht zu meiner Freundin.
Polizei: Ja aber wenn Sie sich gegenseitig schimpfen kann ich nichts dagegen tun.

Die Freundin bietet Polizei an, ihre Aufnahmen anzuhören.

Polizei: Ich brauch das jetzt nicht hören. Lassens mich jetzt ausreden. Wenn Sie normal streiten, dann ist das nix für die Polizei.
Sarah: Gut, aber wenn er schreit und sagt zu mir…
Polizei: Jetzt lassen'S mich ausreden…
Sarah: Gut, Entschuldigung.

Polizei (laut): "Wenn ich rede haben Sie Pause, haben Sie das verstanden?"

Sarah: Ja.
Polizei: Sie werden das jetzt regeln wie erwachsene Leute. Einer von ihnen kann gehen oder muss gehen, wie Sie das regeln ist mir wurscht. Sie können auch beide hierbleiben, ich glaube die Wohnung ist groß genug oder, dass Sie sich aus dem Weg gehen. Wenn Sie Streit haben, ich versteh das, dass das eine aufwirbelnde Situation ist, aber es ist mir eigentlich egal wenn Sie streiten. Haben Sie mich verstanden?
Sarah: Gut, aber ich hab Angst. Mit meiner großen Tochter.
Polizei: Warum?
Sarah: Er schreit, er trinkt, er ist aggressiv. Ich lebe mit Kinder und er sagt du musst … ich kann das nicht auf Deutsch sagen, was er auf Polnisch sagt. Verstehen Sie? Er sagt RAUS!
Freundin: Zu mir auch.
Polizei: Wer von Ihnen raus geht, das müssen Sie sich untereinander ausmachen.
Sarah: Na gut, aber wenn etwas passiert. Er will schlagen meine Freundin…
Freundin: Sie hat Angst, sie hat mich angerufen hat gesagt bitte komm. Bin nur da gesessen er hat zu mir geschrien WEG WEG.

Polizei: Sie haben den Wohnungsschlüssel vom Herrn?
Sarah: Ja hab ich.
Polizei: Gut, den geben Sie ihm jetzt wieder zurück.
Sarah: Warum?
Polizei (laut): Weil er auch Hauptmieter hier ist und er hat ein Recht, hier zu wohnen.

Sarah will etwas sagen, ein Polizist fängt zu schreien an.

Polizei: Lassen Sie mich jetzt ausreden. Aus jetzt. Sie geben ihm den Schlüssel.
Sarah: Ich habe Angst vor ihm.
Polizei: Er kann gehen, oder Sie gehen, was ist daran jetzt so schwierig?
Sarah: Warum soll ich gehen mit Kinder?
Ehemann: Warum können Kinder nicht bleiben bei mir?
Sarah: Weil du trinkst jeden Tag, verstehst du?
Polizei: Sie geben ihm jetzt den Wohnungsschlüssel, weil den darf er haben. Er ist hier gemeldet, er darf den Wohnungsschlüssel haben, Sie können ihm den nicht abnehmen.

Sarah: Und was soll ich machen?

Polizei: Sie können das wie erwachsene Leute regeln. Oder normal reden. Sie schreien ja mit mir auch die ganze Zeit, obwohl ich Ihnen nichts getan habe.

Sarah: Sie schreien auf mich.

Polizei: Ja, weil Sie nicht zuhören können. Ich red drei Worte und Sie reden drein. Ist ja kein normales Verhalten. Wenn Sie mit ihrem Mann auch so reden wunderts mich nicht, dass er irgendwann zum Schreien anfangt. Ich werd auch laut mit Ihnen.

Polizei (zu Ehemann): Können Sie heute woanders schlafen?
Ehemann: Ich habe Wohnung, Küche alles bezahlt, keine Geld...
Sarah: Ich zahle auch jedes Monat Miete.
Polizei: Lassen Sie mich ausreden.
Sarah: Entschuldigung.
Polizei: Schaffen Sie es, dass Sie sich heute in der Wohnung aus dem Weg gehen.

Ehemann murmelt: Ich kann leider nicht, bin ohne Geld.
Polizei: Nein, aber wenn Sie da hinten sind und Sie da vorne geht das ...
Sarah: Aber wie soll ich mit meine Kinder…
Polizei: Ja wo sind die Kinder jetzt?
Sarah: Bei meine Nachbarin, meine Tochter ist drei Jahre, die zweite ist zehn Jahre. Sie kann sagen was er macht. Verstehen Sie? Verstehen Sie? Die große Tochter kann sagen, was er sagt zu mir und zu Tochter sagt…

Polizei: Gut, können Sie sich aus dem Weg gehen in dieser riesigen Wohnung?
Sarah: Ich bleibe sicher da mit Kinder.
Polizei: Ja ist auch kein Problem. Wenn Sie da hinten bleiben und die Frau bleibt vorne.
Sarah: Aber verstehen Sie nicht, er trinkt jeden Tag. Er ist aggressiv zu mir.
Polizei: Aber warum holen Sie uns nicht, wenn er aggressiv zu Ihnen ist? Sondern jetzt? Er steht normal da und redet normal mit uns, das schaffen Sie nicht.

Sarah: Gut, helfen Sie mir nicht.
Polizei: Bei was sollen wir Ihnen helfen?

Sarah: Morgen ich geh zum Jugendamt und mache alles.
Polizei: Ja machen Sie das.
Sarah: Sonst helfen Sie mir ja nicht.
Polizei: Gehen Sie zum Scheidungsrichter, gehen Sie zum Jugendamt und richten Sie des.
Sarah: Gut, gut, ich verstehe.

Polizei: "Sie sind erwachsene Leute, erwachsene Personen. Das kann man regeln wie Erwachsene und nicht wie Kinder."

Sarah: Ich verstehe. Aber wenn ich und meine große Tochter vor ihm Angst haben, dann was soll ich machen.
Polizei: Es haben immer alle Angst. Alle haben wir Angst. Schauen Sie, Sie wirken auf mich eher bedrohlich als der Mann.
Sarah: Gehen Sie am Abend und schauen Sie was passiert. Meine große Tochter kann sagen was passiert.
Polizei zu Ehemann: Haben Sie wirklich keine Möglichkeit? Weil ich würd das auch nimmer aushalten.
Ehemann: Keine Chance, habe kein Geld.
Sarah: Warte hast du auch Arbeit, hast du auch Geld.
Ehemann: Sie hat drei, vier Brüder in Österreich und beste Freundin.
Freundin: Ja und? Ich hab zwei Mal deine Miete bezahlen, weil du hast nie gegeben Sarah. Ich habe das bezahlt.
Sarah: Es ist so. Ich kann ihm Schlüssel geben und was weiter?
Polizei: Ja nix weiter. Er bleibt in einem Teil der Wohnung und Sie im anderen.
Sarah: Aber verstehen Sie nicht?
Polizei (laut): Ja, ich versteh Sie. Er bleibt in der Wohnung und Sie bleiben in der Wohnung und Sie streiten nicht.

Sarah: Bitte!

Polizei: Hören Sie mir zu. Wenn er hinten im Zimmer bleibt und Sie vorne bleiben, wo ist dann das Problem? Gehen Sie sich aus dem Weg und lassen Sie die Situation jetzt mal runterkommen und reden Sie morgen wie normale Menschen miteinander oder gehen Sie gleichzeitig zum Gericht, das ist mir wurscht.
Sarah: Wenn er kommt zu mir, Kinder können das hören, er sagt du bist Bitch, dumm, Arschloch…
Polizei: Ja, auch das sind Privatanklagedelikte, die können Sie am Bezirksgericht in Floridsdorf einbringen.
Sarah: Gut, das mache ich…
Polizei: Gut, machen Sie das. Geben Sie ihm jetzt den Schlüssel zurück. Wir haben nicht ewig Zeit, ich steh hier nicht bis drei in der Früh.

Sarah: Das ist Hilfe…
Polizei: Na was sollen wir Ihnen helfen, wenn er Sie schimpft und Sie ihn schimpfen.
Sarah: Na, das verstehen Sie nicht.
Polizei: Ist ok. Funktioniert das, können Sie in einem Zimmer bleiben?
Sarah: Schauen wir, was morgen passiert…
Polizei: Ja reden Sie morgen wie normale Menschen miteinander. Geht das, dass Sie bis 1. August nicht komplett irgendwie nur streiten?

Sarah: Und bitte sagen Sie mir, was soll ich machen, wenn er vor den Kindern schimpft und sagt schlechte Wörter.
Polizei: Ja dann müssen Sie zum Jugendamt gehen, auch das ist nix für die Polizei.
Sarahs Freundin: Ja aber was, wenn sie hat Angst. Er hat mit Hände zu Sarah letztes Jahr so gemacht.
Polizei: Ja dann hätte sie letztes Jahr anrufen müssen.
Freundin: Ja und so wie heute?
Sarah: Ok, lass ma das…
Polizei: Gut, schaffen Sie das heute wie normale Menschen?
Freundin: Ich versteh das nicht…

Sarah: "Ich hab gedacht Österreich ist richtige Land für Frau mit Kinder…"
Polizei: "Schauen Sie, ich hab schon Frauen mit Kinder eingesperrt, weil sie nicht aufgehört haben zu reden."

Sarah: Müssen Sie nicht schimpfen auf mich.

Polizist seufzt, sagt "gemma".

Polizei: Und er hat den Schlüssel?
Sarah: Ja.

Polizist sagt etwas Unverständliches.

Sarah: Ich hab gesagt, hast du eine Stunde Zeit, sonst ich rufe Polizei.
Polizei: Wegen was? Es ist ja nichts passiert.
Sarah: Oh ja schon...
Polizei: Nein, er darf genauso hier bleiben wie Sie. Sie sind beide hier gemeldet, Sie dürfen beide hier wohnen und Sie haben nicht das Recht, ihn aus der Wohnung zu schmeißen und er hat nicht das Recht, Sie aus der Wohnung zu schmeißen. Aus der Wohnung schmeißen können nur wir.
Sarah: Aber, wenn er macht etwas schlimm...
Polizei: Schimpfen ist nichts Schlimmes und auch mal Fuchteln ist in einer Streitsituation nichts Schlimmes.
Sarah: Gut.
Polizei: Gut, Wiederschaun.
Sarah: Wiedersehen.

Polizist zu Mann: Tut mir leid.

Hilfe für Betroffene
Frauenhelpline (rund um die Uhr, kostenlos): 0800 222 555
Männernotruf (rund um die Uhr, kostenlos): 0800 246 247
Rat auf Draht: 147
Autonome Frauenhäuser: 01/ 544 08 20

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