Politik

Prozess: Ernst Strasser humpelnd vor Gericht

Heute Redaktion
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Im Wiederholungsprozess Ernst Strasser (ÖVP), der sich kürzlich beim Skifahren verletzt hat, ist der Ex-Innenminister am Dienstag von seinem ehemaligen Kollegen belastet worden. Die zweite Verhandlung in der sogenannten Lobbyisten-Affäre, über die Strasser als ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament gestolpert war, wurde nach einer umstrittenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) nötig. Strasser drohen bis zu 10 Jahre Haft.

, wurde nach einer umstrittenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) nötig. Strasser drohen bis zu 10 Jahre Haft.

Ernst Strasser erschien pünktlich zu Prozessbeginn um 9 Uhr humpelnd mit Gipsbein auf Krücken im vollen Gerichtssaal -  Sein früherer Fraktionskollege Othmar Karas hatte Strasser bei seiner Einvernahme belastet. Er gab an, von diesem einen Änderungsvorschlag für eine EU-Richtlinie erhalten zu haben, wobei Strasser den Eindruck hinterlassen habe, dass dieser auch eingebracht und nicht nur - wie von diesem behauptet - bewertet werden sollte.

Karas entschied sich gegen Antrag

Konkret ging es bei der Befragung um die "Anlegerschutzrichtlinie", zu der Karas' Büro Anfang 2011 einen Abänderungsantrag von Strasser erhalten hatte. Karas lag damals selbst wegen eines Skiunfalls im Spital. Er habe sich über den Sachverhalt informiert und entschieden, den Antrag nicht einzubringen. Inhaltlich sei die vorgeschlagene Fristverlängerung überholt gewesen, und eine zweite Mahnstufe für betroffene Unternehmen sei für ihn im Widerspruch zum Anlegerschutz gestanden, erklärte Karas.

Acht Anrufe und vier E-Mails weckten Misstrauen

Er sei auch deshalb skeptisch geworden, weil man habe nicht mit ihm persönlich Kontakt aufgenommen, außerdem habe es von Strassers Büro acht Anrufe und vier E-Mails zu der Richtlinie gegeben, eine Anzahl, die "nicht der Gewohnheit entsprochen hat". Die Inhalte der Mails und Anrufe hätten bei ihm außerdem den Eindruck erweckt, "dass es um das Einbringen des Antrags geht und nicht ausschließlich um eine Bewertung". Woher das Begehren kam, sei ihm nicht klar gewesen. Erstellt hatten den Entwurf die beiden vorgeblichen britischen Lobbyisten.

Strasser relativiert Agenten-Story

Der Ex-Innenminister hat sich am Dienstag neuerlich "nicht schuldig" bekannt. "Präzisiert" hat er aber seine Verteidigungslinie. Anwalt Thomas Kralik räumte ein, die bisher vorgetragene "Agentengeschichte" sei etwas "überspitzt formuliert" gewesen. Strasser selbst versicherte, den vermeintlichen Lobbyisten gegenüber stets eine "rote Linie" eingehalten zu haben.

Im ersten Prozess hatte Strasser erfolglos versucht, das Gericht davon zu überzeugen, er hätte die britischen Journalisten von Anfang an für Vertreter eines westlichen Geheimdienstes gehalten und sich nur zum Schein auf die Gespräche mit ihnen eingelassen, um sie zu enttarnen. Diese Darstellung wurde zum Auftakt des zweiten Prozesses sowohl von Strasser als auch von seinem Verteidiger relativiert. Strasser wiederholte aber, dass er die Lobbyisten für Agenten gehalten habe und diese enttarnen wollte. "Vielleicht wollte mich der Nachrichtendienst als Geisel", so der Ex-Innenminister.

Strassers Verantwortung im ersten Rechtsgang sei "ein bisschen unpräzise" gewesen, räumte Kralik ein: "Ich gebe schon zu, dass die Geschichte etwas überspitzt formuliert ist, aber im Kern trifft sie die Befürchtungen, die Dr. Strasser hatte." Tatsächlich sei er in einem "Spannungsverhältnis" gestanden zwischen dem legitimen Wunsch, einen Kunden für seine Firma zu akquirieren, und seiner Vorsicht angesichts des ungeklärten Hintergrunds der vermeintlichen Lobbyisten.

Anwalt: "Strasser in Öffentlichkeit das Böse"

Dass Strasser, wie von der Anklage behauptet, seine Stimme für Geld verkauft habe, wies Kralik zurück: "Er sagt klipp und klar in den Videos, 'für mein Abstimmungsverhalten lasse ich mich nicht bezahlen'." An den Schöffensenat appellierte Kralik, die mediale Vorverurteilung seines Mandanten auszublenden: "Dr. Strasser ist in der Öffentlichkeit das Böse, das personifizierte Übel in dieser Gesellschaft. Machen Sie sich ihr eigenes Bild."

"Habe nie Gesetze beeinflusst"

Strasser selbst wies die Vorwürfe der Anklage ebenfalls neuerlich zurück: "Ich habe weder irgendwann zu irgendeiner Zeit zugestimmt, irgendwelche Gesetze zu beeinflussen und es gibt auch keinen Vertrag", so der Abgeordnete. Im Gegenteil habe er bei den Gesprächen mit den vermeintlichen Lobbyisten stets die "rote Linie" beachtet: "Ich habe versprochen für allgemeine Beratungen zur Verfügung zu stehen, sonst nichts."

Bezüglich der Firma der vorgeblichen Lobbyisten ("Bergman & Lynch") habe es von Anfang an widersprüchliche Informationen gegeben. Daher habe er von Anfang an auf "good governance" bestanden und sei "sehr skeptisch" gewesen, weil er aus seiner Zeit als Innenminister vieles gewusst habe, was erst durch Wikileaks und Edward Snowden öffentlich bekannt geworden sei.

Richterin über Strasser-"Präzisierung" verwundert

Die Frage von Richterin Helene Gnida, warum er mit seinem Eingangsstatement von seinen ursprünglichen Aussagen im Ermittlungsverfahren und im ersten Prozess teilweise abgewichen ist, beantwortete Strasser mit dem Wunsch nach "Präzisierungen" und damit, dass er danach bisher nicht gefragt worden sei.

 
mit einem Amtsgeschäft in Verbindung brachte.

Neuauflage soll "schnell erledigt" werden

Hintergrund: Die bloße  Bestechlichkeit eines Amtsträgers ist in Österreich erst seit 1. Jänner 2013 strafbar . Im für Strasser maßgeblichen Zeitraum Ende 2010/Anfang 2011 wäre für eine Strafbarkeit ein konkreter Bezug zwischen einer Schmiergeldzahlung und einem bestimmten Amtsgeschäft erforderlich gewesen. Der OGH vermisste im ersten Rechtsgang eine entsprechende Beweiswürdigung.

Die Beweislage müsse nur mehr auf einen unmittelbaren Konnex zwischen dem von Strasser geforderten Vermögensvorteil und zwei EU-Richtlinien betreffend Anlegerschutz und die Entsorgung von Elektroschrott abgeklopft werden, zu denen Strasser Abänderungsanträge in Aussicht gestellt haben soll.

Als Lobbyisten getarnte Journalisten

Strasser hatte sich ab November 2010 auf mehrere Treffen mit zwei als Lobbyisten getarnten Journalisten eingelassen. Bei den Gesprächen - vor allem bei einem in lockerer Atmosphäre abgewickelten Abendessen - soll er sich zur entgeltlichen Einflussnahme auf die EU-Gesetzwerdung bereit erklärt haben.

Die Besprechungen wurden von den Enthüllungsjournalisten, die neben Strasser auch andere EU-Parlamentarier auf ihre Bestechlichkeit "abgetestet" hatten, teilweise heimlich mitgeschnitten.  Nach der Veröffentlichung der Video-Clips musste Strasser Ende März 2011 zurücktreten.