Politik

"Das war's für mich" – Kritik lässt Rauch ausrasten

Johannes Rauch wollte seinen von "Heute" enthüllten Entwurf zum Quarantäne-Aus öffentlich erklären – doch dann rastete er auf Twitter völlig aus.

Johannes Rauch platzte auf Twitter der Kragen.
Johannes Rauch platzte auf Twitter der Kragen.
picturedesk.com; "Heute"-Montage

Die "Heute"-Enthüllung des Entwurfs der neuen Corona-Verordnung lässt im Gesundheitsministerium die Wogen hochgehen. Heimlich, still und leise hatten der zuständige grüne Minister Johannes Rauch und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) an einer Abschaffung der Quarantäne mit Ersatz durch "Verkehrsbeschränkungen" für Infizierte ab 1. August gewerkelt – eingeweiht waren offenbar nur die mächtigen VP-Landesfürsten, während man roten Bundesländern diese Pläne bis zuletzt verschwiegen haben dürfte.

Rauch rückte dann am Donnerstagabend zur öffentlichen Schadensbegrenzung aus und versuchte sich auf Twitter zu erklären. Doch der Versuch, wieder alles gerade zu rücken, verursachte schnell nur noch mehr Schieflage und einen handfesten Streit, der damit endete, dass der Gesundheitsminister beleidigt schwor, sich auf der Plattform überhaupt nicht mehr persönlich zu Corona-Themen äußern zu wollen...

Rauch verteidigt Entwurf

Aber der Reihe nach. Eigentlich hatte der Vorarlberger nur die Hintergründe der aufgedeckten Quarantäne-Änderung erklären wollen. "Die Krux bei vorab 'Enthülltem': Noch ist nix fix. Wir erarbeiten mehrere Optionen", betonte er im ersten von vier dazu geplanten Beiträgen. Derzeit laufe noch die fachliche Abstimmung, erst danach werde man sich mit den Bundesländern abstimmen.

Rauch wollte beruhigen: "Wie es mit der Absonderung weitergeht, ist noch offen. Klar ist jedenfalls: NIEMAND, der krank ist, muss arbeiten gehen. Klar ist auch: Covid-19 bleibt eine meldepflichtige Krankheit."

Die Reaktionen waren heftig. Da half es auch nichts, dass der Gesundheitsminister im sofort angefügten PS noch alle User "um ein Mindestmaß an Respekt" in der Pandemiedebatte bat.

Heftige Kritik an Quarantäne-Aus

"Alleine die Tatsache, dass sie ernsthaft in Betracht ziehen, Menschen entgegen jeder Vernunft diesem Risiko "zwangs"-auszusetzen ist an Fahrlässigkeit und Menschenverachtung kaum zu überbieten. DAS ist die Krux", schoss eine Kommentatorin zurück. Der Tenor bei den anderen Usern war ebenfalls eindeutig:

– "Wer braucht das, Absonderungen durch Verkehrsbeschränkungen ersetzen??? Die Risikogruppen sicher nicht",

– "Und dann sollen Leute gezwungen werden, neben infizierten Kollegen mit einer meldepflichtigen Erkrankung zu sitzen? Bekommen Sie eigentlich noch was mit?",

– "Eine Kontrolle ist nicht möglich! Sieht man an den Öffis in Wien. Ich hoffe, dass man Sie und die Regierung für Gesundheitsschäden haftbar machen kann."

– "Dass das was da gerade berichtet wurde überhaupt in einen Entwurf kommt ist schlimm genug. Was bezweckt die Regierung damit? [...] die Leute dazu zu zwingen, Arbeiten zu gehen und dann am Arbeitsplatz stundenlang Virenschleuder zu spielen, ist nur mäßig intelligent."

– "Allein der ENTWURF ist eine schreiende Schande für jeden denkenden und fachkundigen Menschen. Man muss nicht im Vorfeld schon ungares Unverdautes in die Gegend spritzen und nachher sagen: 'War ja nur ein Versuch'."

Nachdem über Stunden solche Kritik auf ihn eingeprasselt war, lockte ihn eine Userin mit einer Rücktrittsforderung aus der Reserve: Rauch und alle in seinem Umfeld, die "halbwegs bei Sinnen" seien, sollten das Feld räumen.

"Sie können gerne mich für 'von Sinnen' erklären, das halte ich aus. Mein 'Umfeld' ist das Ministerium und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die sind alle nicht nur 'bei Sinnen', sondern machen ihren Job verantwortungsbewusst und mit vollem Einsatz", polterte der Gesundheitsminister zurück.

"Bei Corona-Maßnahmen ans unterste Ende gehen"

Dank eines Nachtrags seinerseits war das aber noch längst nicht das Ende der Debatte. "Dass wir 25 Prozent plus von psychischen Erkrankungen und Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen haben, ist mit Hauptgrund, warum ich bei Corona-Maßnahmen ans unterste Ende gehe, was epidemiologisch noch vertretbar ist. Kollateralschäden sind verheerend", betonte Rauch – dem dabei dann sogar von internationalen Experten widersprochen wurde.

Als neben vielen anderen Usern auch Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl wissenschaftliche Quellen für diese Aussage von Rauch einforderten, antwortete dieser nur mit einem pampigen "Google Scholar"-Link, der auf die Suchergebnisse zu "psychische Erkrankungen Kinder Covid" verwies...

"Das war's für mich"

Ein Bumerang: "Ist das die Art und Weise, wie das Ministerium Evidenz anfertigt? Irgendwas in Google Scholar eintippen? Der Laden ist noch kaputter als ich dachte", kritisierte ein User. Seine Worte ließen Rauch dann völlig ausrasten.

Er habe nicht die Zeit, medizin-wissenschaftliche Quellen dazu zu verlinken, donnerte der 64-Jährige zurück: "Ich bin - ernsthaft - nicht ganz so bescheuert, wie viele mich hier halten..."

Nach mehr als drei Stunden im Kreuzfeuer warf der Gesundheitsminister frustriert das digitale Handtuch. "Das war's für mich mit Spontan-Twitter", schrieb Rauch zum Abschluss und kündigte an, dass zum Thema Corona künftig nur noch sein Team "nach vorheriger penibler Quellenrecherche" Nachrichten verfassen werde. "Alle die ich gekränkt, verschreckt, irritiert, verunsichert, wütend gemacht habe: Sorry."