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Radioaktive Wolke zieht von Russland über Europa

In einigen Teilen Europas wurde eine leicht erhöhte Radioaktivität festgestellt. Forscher rätseln nun über den Ursprung.

Roman Palman
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Blick ins Atomkraftwerk Unterweser, Deutschland. (Archivbild)
Blick ins Atomkraftwerk Unterweser, Deutschland. (Archivbild)
picturedesk.com/dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Schon seit Anfang Juni schlagen immer wieder Messstationen in Schweden, Norwegen und Finnland Alarm: In der Atmosphäre wurden erhöhte Menge an radioaktiver Strahlung verzeichnet. Deren Konzentration ist zwar für Menschen ungefährlich, jedoch Anlass zur Sorge.

Auch die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO mit Sitz in Wien hat am Samstag auf die Messergebnisse reagiert und alle Mitgliedsstaaten gebeten, weitere Messergebnisse vorzulegen oder einen entsprechenden Zwischenfall zu melden. Demnach waren in Schweden erhöhte Konzentrationen der radioaktiven Isotope Ruthenium-103 sowie Cäsium-134 und -137 festgestellt worden. In Norwegen und Finnland wurden zudem die Radionukleide Iod-131 und Cobalt-60 registriert. Es handelt sich dabei um Spaltprodukte von Prozessen in Atomreaktoren.

Cäsium-137 war schon 1986 bei der Reaktorkatastrophe im AKW Tschernobyl in großen Mengen in die Atmosphäre geschleudert worden und verseucht bis heute den Boden in Österreich. Es hat eine Halbwertszeit von etwa 30 Jahren.

Bodenbelastung durch Cäsium-137 in Österreich, Stand 1. Mai 2016
Bodenbelastung durch Cäsium-137 in Österreich, Stand 1. Mai 2016
Umweltbundesamt

Während sich die skandinavischen Länder um Zurückhaltung bemühen, veröffentlichte CTBTO-Präsident Lassina Zerbo via Twitter eine Karte des Gebiets, in dem der "sehr wahrscheinlich zivile" Ursprungsort der radioaktiven Stoffe liegen könnte. Der markierte Bereich ist riesig und umfasst Regionen in Russland, den baltischen Staaten, Finnland, Südschweden bis hinaus in die Nordsee. 

Kein Zwischenfall in Russland?

Das Nationale Institut für Umwelt in den Niederlanden erklärte am Sonntag, dass die Isotope durch eine "Anomalie" in einem Brennelement eines Kernkraftwerks freigesetzt worden sein könnten. Die Experten äußerten auch einen Verdacht der möglichen Quelle: Westrussland. Zumindest aus dieser Richtung seien die Teilchen nach Europa gezogen. Näher lasse sich der Ursprung anhand der vorhandenen Daten nicht bestimmen.

Der russische Kernkraft-Monopolist Rosenergoatom, der in der Region die Kernkraftwerke Leningrad und Kola betreibt, will von einem Zwischenfall nichts wissen. In keiner der Anlagen seien Kontrollwerte überschritten worden und auch die russischen Behörden hätten an ihren Messstellen keine ungewöhnlichen Daten empfangen. 

Schon im Herbst 2017 war eine radioaktive Wolke aus Ruthenium-106 von der Kerntechnischen Anlage Majak im Süd-Ural nach Europa gezogen. Russland wollte lange keinen Zwischenfall zugeben, mittlerweile konnten europäische Forscher die streng geschützte Atomfabrik eindeutig als Herkunftsort identifizieren.