Österreich

Rätsel um hebräisches Straßenschild im Zweiten

Ein Straßenschild in der Leopoldstadt sorgte für Rätselraten: In hebräischen Buchstaben stand auf Jiddisch "Taborstraße" darauf.

Heute Redaktion
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Auf den ersten Blick fiel das Straßenschild am Haus Taborstraße 18 gar nicht auf. Auf den zweiten Blick sahen genaue Beobachter hebräische Buchstaben. Drei Wochen lang hing das Schild, wurde gestern vom Magistrat entfernt. Die Leopoldstädter rätselten, was es bedeutet, diskutierten über das Straßenschild. Weil es nicht bewilligt war, wurde das Straßenschild am Montag vom Magistrat entfernt.

"Heute" fragte nach und fand heraus: Auf dem Schild stand auf Jiddisch "Taborstraße". Die Tafel wurde als Kunstprojekt aufgehängt, soll daran erinnern, dass die Taborstraße Kern des jüdischen Lebens in Wien ist und die Hauptstraße der "Mazzesinsel" (also der Leopoldstadt) ist.

"Es tut mir leid, dass es abgemacht wurde, aber ehrlich gesagt, bin ich nicht besonders überrascht, denn Wien scheint für solche Kunstinstallationen im öffentlichen Raum wenig offen zu sein. Es wäre schön gewesen, wenn das Schild statt nur drei Wochen drei Jahrzehnte hängen würde", so Künstler Sebestyén Fiumei. Wie er auf die Idee für das Kunstprojekt gekommen ist? "Da das Haus auf der Taborstraße schon seit Jahren aus irgendeinem Grund ohne Straßenschild dasteht, habe ich mir gedacht, ich mache es selbst, gebe etwas hinzu, ein kleines Kunstwerk sozusagen", sagt Fiumei. Und: "Viele Bewohner des 2. Bezirks haben es bemerkt und gemocht."

Hintergrund des Kunstprojekts: Die Taborstraße ist heute wieder (zuvor vor der NS-Zeit) die Hauptstraße der "Mazzesinsel" und somit der Kern des jüdischen Leben in Wien. Der geschichtliche Hintergrund: Hier begegnet man orthodoxen Juden, die sich auf Hebräisch unterhalten, manche sogar auf Jiddisch, eine Sprache die früher von zehn Millionen Menschen in Osteuropa gesprochen wurde, darunter auch von vielen ehemaligen Bewohnern der Straßen vom 2. Bezirk. Die Taborstraße verdankt ihren Namen einer hussitischen Wehranlage, die sich seit dem 15. Jahrhundert in der Nähe befand. Die Juden assoziieren mit dem Namen "Tabor" den aus der Bibel bekannten Berg, der sich in der Galiläa in Israel befindet.

Außerdem bedauert der Künstler: "Wie ich gehört habe, wird das wunderschöne Haus, das ehem. Hotel National, vielleicht in naher Zukunft abgerissen. Traurige Zeiten für die Taborstraße..."

Auch in der Bezirksvorstehung der Leopoldstadt gingen zahlreiche Rückmeldungen von Bezirksbewohnern ein. "Wo, wenn nicht im zweiten Bezirk – mit seiner starken jüdischen Community – sollte so etwas aufgehängt werden", heißt es aus dem Büro der Bezirksvorstehung. Auf der Rückseite des Schildes steht die Aufschrift: "Schild bitte retournieren an: Universität für angewandte Kunst, Oskar Kokoschka Platz 2, 1010 Wien".