Politik

Wie es den Rauchern an den Kragen ging

Seit Jahren tobt ein wildes Hin und Her um das allgemeine Gastro-Rauchverbot. Mit dem 1. November findet es ein vorläufiges Ende.

Heute Redaktion
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Die Halloween-Nacht wird vor allem bei einigen Rauchern und Gastronomen nacktes Grauen hervorrufen: Ab Mitternacht, also pünktlich am 1. November, gilt in ganz Österreich das allgemeine Rauchverbot in der Gastronomie. Die Diskussion hatte sich zuvor über Jahre gezogen – und ist wohl auch nach Inkrafttreten des Gesetzes nicht ganz beendet.

Bis zu diesem Punkt war es ein langer Weg – und hier sind die wichtigsten Stationen.

Die "österreichische Lösung"

Seit 2009 hatten Gastronomiebetriebe in Österreich mit einer Fläche ab 50 Quadratmetern die Wahl: ein abgetrennter Raucherbereich oder komplettes Rauchverbot. In kleineren Lokalen konnte der Eigentümer entscheiden.

ÖVP-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky sprach damals von einer "guten österreichischen Lösung". Die Einigung war von der rot-schwarzen Koalition unter Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) und Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) erzielt worden.

Der Todesfall

Am 3. Jänner 2015 verlor der "News"-Journalist Kurt Kuch den Kampf gegen den Lungenkrebs. Zuvor hatte der ehemalige Kettenraucher seine Diagnose öffentlich gemacht und die Kampagne "Don't smoke" initiiert.

Es kam wieder Dynamik in die Debatte um rauchfreie Lokale – und hochrangige Politiker plädierten für eine Gesetzesänderung. Wenige Tage nach Kuchs Tod sprach sich der damalige ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner für ein Gastro-Rauchverbot aus. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) stimmte zu.

Die Proteste

Damit begann die Diskussion aber erst. Unterstützer des Rauchverbots und Ärzte freuten sich über die Regierungspläne, einige Wirtschaftsvertreter und Wirte liefen Sturm gegen den Vorschlag.

Auch der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache trommelte fleißig gegen das Verbot. "Da geht es um die persönliche Freiheit", sagte der Oppositionspolitiker bei einer Demonstration vor dem Parlament. "Wo hört das auf? Das nächste Mal wird die Schokolade verboten, weil wir dick werden. Oder der Schweinsbraten, weil er ungesund ist."

Die Übergangsfrist

Allen Protesten zum Trotz beschloss der Nationalrat im Sommer 2015 mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen das allgemeine Gastro-Rauchverbot – aber erst für das Jahr 2018.

Die lange Übergangsfrist war wohl ein Zugeständnis an die Gastronomie. Viele Wirte hatten ihre Lokale in Folge der Regelung von 2009 umgebaut, um Bereiche für Raucher und Nichtraucher zu schaffen.

Die Koalitionsbedingung

Bei der Nationalratswahl im Herbst führte Sebastian Kurz die ÖVP an die Spitze, die Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ schritten rasch voran.

Eine Bedingung der Freiheitlichen: die Beibehaltung der Übergangsregelung, die eigentlich mit dem 1. Mai 2018 in ein ausnahmsloses Rauchverbot übergehen sollte. Die ÖVP stimmte zu und ließ ihre Abgeordneten, von denen ein Teil das Verbot damals mitbeschlossen hatte, nun gegen das Gesetz stimmen.

Das Volksbegehren

Gesundheitsexperten liefen Sturm gegen die Regierung, darunter auch die Ärztekammer. Das "Don't smoke"-Volksbegehren für die Beibehaltung des Rauchverbots wurde von 881.569 Österreichern unterzeichnet.

900.000 Unterschriften waren vom damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache als Schwelle vorgegeben worden, um künftig automatisch verbindliche Volksabstimmungen zu erwirken – allerdings erst ab dem Jahr 2021. Bundeskanzler Sebastian Kurz bekundete "großes Verständnis", zumal er selbst auch Nichtraucher sei, verwies aber auf den Koalitionspakt mit der FPÖ.

Die Verfassungsklage

Auch an einer anderen Front regte sich heftiger Widerstand gegen das türkis-blaue Rauchergesetz. Das Land Wien brachte im Sommer 2018 eine Klage gegen die Regelung beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein.

Ansatzpunkt war die "Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer in der Gastronomie". Diese seien, so die Argumentation, dem Rauch ausgesetzt, während ein generelles Rauchverbot in allen anderen Arbeitsstätten mit dem 1. Mai 2018 in Kraft getreten sei. Die Klage wurde später abgewiesen.

Das Koalitionsende

In Folge der Ibiza-Affäre flog die FPÖ im Mai aus der Regierung, später auch Sebastian Kurz durch das erste erfolgreiche Misstrauensvotum der Zweiten Republik.

Der Richtungswechsel

Im Nationalrat herrschte bis zu den Neuwahlen am 29. September das freie Spiel der Kräfte. Lostgelöst vom Koalitionspakt stimmte die ÖVP gemeinsam mit SPÖ, Neos und der Liste Jetzt für das Gastro-Rauchverbot. Nur die Freiheitlichen blieben bei ihrer Linie und votierten dagegen. Das Verbot tritt mit dem 1. November in Kraft.

Das Ende?

Das Rauchverbot stößt nicht nur auf Gegenliebe. Manche Lokale schließen bereits oder denken darüber nach. Sie befürchten Strafen und Umsatzeinbußen. Zwei Gruppen gehen besonders vehement gegen die neue Regelung vor: Die sogenannten Nachtgastronomen, also Betreiber von Clubs und Bars, sowie die Shishabar-Besitzer.

Anträge gegen das Nichtraucherschutzgesetz liegen derzeit beim Verfassungsgerichtshof, jener der Disco-Betreiber wurde wegen geringer Erfolgsaussichten abgeschmettert. Die Shishabars machen sich weiterhin Hoffnungen, denn laut ihrer Argumentation werde ihnen mit der Regelung die Existenzgrundlage entzogen. Eine Entscheidung ist aber nicht vor 2020 zu erwarten. Bis dahin heißt es umsatteln oder zusperren.

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