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Regenschirm-Attentat: Verdächtiger in Ö

Heute Redaktion
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Der Hauptverdächtige des spektakulären Mordes an dem bulgarischen Dissidenten Georgi Markow (Markov), der 1978 in London verübt wurde, soll sich in Österreich aufhalten. Wie britische Zeitungen am Samstag berichteten, wurde Francesco Gullino mehrmals in Wels gesichtet und soll dort für einen Antiquitätenhändler tätig gewesen sein. Die heimischen Behörden werden vorerst jedoch nicht tätig, da laut Landespolizeidirektion OÖ kein Rechtshilfeersuchen der britischen Behörden vorliegt, hieß es. Das heißt, dass es derzeit keinen internationalen bzw. EU-Haftbefehl gegen den in Italien geborenen Dänen Gullino gibt.

Allerdings, so die Zeitung "The Telegraph", könnte die Londoner Polizei Scotland Yard die Ermittlungen gegen Gullino nach dessen Lokalisierung nun wieder aufnehmen wollen. Die Akte sei jedenfalls noch nicht geschlossen, man arbeite weiterhin mit internationalen Behörden zusammen, wurde eine Scotland-Yard-Mitarbeiterin zitiert.

Gullino wird seit Jahren als Verdächtiger im Zusammenhang mit dem "Regenschirm-Attentat" gehandelt. Dabei wurde der Regime-Kritiker und Schriftsteller Markow im September 1978 mit einem mit Rizin (Ricin) präparierten Regenschirm ins Bein gestochen. Durch das Gift starb der BBC-Mitarbeiter nach vier Tagen. Der oder die Täter wurden nie gefasst. Hinter dem Mord wird das damalige kommunistische Regime von Todor Schiwkow in Bulgarien vermutet, das Markow als Journalist beim bulgarischen Dienst der britischen BBC jahrelang angeprangert hatte.

30. Todestag

Am 30. Todestag Markows, dem 11. September 2008, hatte der bulgarische Journalist Hristo Hristow den mutmaßlichen Geheimdienstmitarbeiter und Attentäter Gullino in Spiel gebracht. In seinem Buch "Das Doppelleben des Agenten 'Piccadilly'" schrieb Hristow, dass Gullino (Deckname "Picadilly") in Bulgarien für das Attentat ausgebildet und großzügig belohnt worden war und zeigte die engen Verbindungen des bulgarischen Geheimdienstes sowie des früheren sowjetischen Geheimdienstes KGB zu dem Mordfall auf.

Geheimagent

Nach dem Attentat und nachdem seine Identität als bulgarischer Geheimagent aufgedeckt worden war, hielt sich Gullino in Dänemark auf, wo er auch zuvor gelebt hatte. In den Jahren danach wohnte er nach Angaben der Zeitung "Daily Mail" einige Jahre in Tschechien, wo er unter anderem als Antiquitätenhändler tätig war. Dem Bericht zufolge soll der ehemalige Spion nun für die Welser Firma "Antik Möbel Hesz" arbeiten bzw. gearbeitet haben. Die Geschäftsführer Jürgen und Doris Hesz waren für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Möglicher Mörder

Der ebenfalls als Antiquitätenhändler in Wels tätige Erwin Marchgraber bestätigte, Gullino öfter in der oberösterreichischen Stadt gesehen zu haben. Kennengelernt habe er den gebürtigen Italiener bereits "vor 20 bis 25 Jahren", wie er erklärte. Allerdings habe er erst durch die Befragung der Journalisten von "Daily Mail" erfahren, dass es sich bei seinem Bekannten um einen Ex-Geheimagenten und möglichen Mörder handeln könnte.

"Er ist ein freundlicher Mann und spricht ein paar Sprachen, deshalb hat er für (den Antiquitätenhändler) Hesz gearbeitete" sagte Marchgraber über Gullino. "Wir rennen uns manchmal am Flohmarkt in Wels über den Weg und dann grüßen wir uns", eine engere Freundschaft habe aber nie bestanden, so der Unternehmer.

Verfilmung

In Österreich aufgespürt wurde Gullino von dem deutschen Regisseur Klaus Dexel, der im vergangenen Jahr einen Film über das Regenschirm-Attentat drehte. In "Silenced: Georgi Markov and the Umbrella Murder" bestritt Gullino, überhaupt in das Attentat an Markow verwickelt gewesen zu sein.