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"Resident Evil Village" im Test: Brutal und direkt

Keine Sorge, das neue "Resident Evil Village" ist zwar nicht ganz so gruselig wie Teil 7, schockt dafür aber direkter und geht keine Kompromisse ein.

Rene Findenig
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    "Resident Evil Village" knüpft als achter Teil der Kernreihe an "Biohazard" an, inhaltlich wie technisch. Wieder schlüpft man in die Haut von Ethan Winters, der – Achtung, kleiner Spoiler! –...
    "Resident Evil Village" knüpft als achter Teil der Kernreihe an "Biohazard" an, inhaltlich wie technisch. Wieder schlüpft man in die Haut von Ethan Winters, der – Achtung, kleiner Spoiler! –...
    Capcom

    "Resident Evil 7 Biohazard" zeigte sich beim Erscheinen Anfang 2017 gleich in mehrfacher Hinsicht revolutionär: Statt in Thrid-Person- ging es in Ego-Perspektive ins schaurige Abenteuer, der Grusel-Faktor war aufgrund des "Texas Chainsaw Massacre"-Settings nicht nur der höchste der Serie sondern auch einigen Spielern zu viel, es gab einen eigenen VR-Modus, einen neuen Spielhelden, und trotzdem blieb man beim Speichern, Rätseln und Kämpfen der Serie überaus treu.

    Daran knüpft nun das neue "Resident Evil Village" als achter Teil der Kernreihe an, inhaltlich wie technisch. Wieder schlüpft man in die Haut von Ethan Winters, der – Achtung, kleiner Spoiler! – auf der Suche nach seiner vermissten Frau Mia gerade mal so dem Horror-Anwesen der Familie Baker entkommen konnte. Drei Jahre später wird er nun erneuter Protagonist wider Willen einer neuen Grusel-Geschichte, die dieses Mal in einem kleinen Dorf in Rumänien ihren Ausgang nimmt.

    Von Minute zu Minute spannender

    Eigentlich könnte das Familienleben ja so schön sein: Ethan lebt mit Frau Mia und Baby Rose ein etwas trist wirkendes, aber ruhiges Leben und scheint die unaussprechlichen Geschehnisse aus "Biohazard" gut verarbeitet zu haben. Doch schon zu Beginn bahnt sich Unheil an, nachdem das Baby entführt, Mia verletzt und ein alter Bekannter als Angreifer identifiziert wird. Im Minutentakt verschlimmert sich die Situation danach zusehends, und schnell wird aus der Entführung eine Horror-Story, die uns das Blut in den Adern gefrieren lässt.

    Was auffällig ist: Trotz Setting im Vampir- und Werwolf-Gewand orientiert sich die Story von "Resident Evil Village" stärker an den Umbrella- und Lord-Spencer-Wurzeln der Reihe. Dies geschieht auch weniger über neue Geheimnisse und offene Fragen, sondern webt diese Elemente geschickt in die sehr direkte Handlung ein, was auch Anfänger ein sonst notwendiges Vorwissen erspart. Den Plot wollen wir keinesfalls verraten, denn dieser ist eines der großen Highlights des Games. Nur soviel: Auf der Suche nach Baby Rose verschlägt es Ethan zu Beginn in ein schauriges Dorf, wo seltsame Kreaturen ihr Unwesen treiben.

    Grandiose Gegner-Vielfalt

    Grandiose Arbeit leistet auch das neue Figuren-Design von "Village": War man in "Biohazard" zwar mit den ungeheuren Auswüchsen der Bakers konfrontiert, zeigten sich die übrigen Gegner nur als undefinierbare Pilz-Schleim-Monster. Nun steht man neben den Hauptbösewichten wie der drei Meter großen Vampir-Dame Lady Dimitrescu, dem Telekinese-begabten und Hammer-schwingenden Heisenberg, der verhüllten Donna Beneviento mit ihrer Schocker-Puppe Angie sowie "Mutter" Miranda schnell herumwirbelnden Lykanern, mit Hexen-Kräften ausgestatteten Vampiren, gruseligen Ghulen und fast klassischen Zombies gegenüber. Sogar eine Art Maschinen-Monster hat es ins Game geschafft.

    Die Vielfalt an Feinden ist damit gewaltig gewachsen und räumt einen Kritikpunkt am Vorgänger aus. Gleichzeitig ist das Figuren-Design detaillierter: Statt Schleim und Schemen gibt es nun jeden Reißzahn, jede Kralle und jedes Haar an den Gegnern zu sehen. Für Grusel sorgt ebenso, dass das Dorf scheinbar in einer Zeit vor etwa 100 Jahren stehengeblieben ist. Die verängstigten und misstrauischen Bewohner tragen altmodische Kleidung, manche sind gar in Lumpen gehüllt, und statt Strom und Lampen herrschen Feuerstellen, Fackeln und einfachste Werkzeuge wie Mistgabeln vor. Der Mix aus dem Dorf- und Schloss-Setting aus "Resident Evil 4" und der Geschichte, die aus Bram Stokers "Dracula" stammen könnte, ist eines der spannendsten Experimente, die die Reihe je gewagt hat.

    Spielwelt wird ein klein wenig offener

    Beim Gameplay bleibt dagegen vieles aus dem Vorgänger erhalten: Das Game läuft trotz groß und offen wirkender Spielwelt absolut linear ab, wobei sich Erkundung, Kämpfe und Vorankommen abwechseln. Traditionell müssen Schlüssel oder andere Items wie Medaillons gefunden und damit Türen oder Durchgänge geöffnet werden, um zum nächsten Geschehnis zu gelangen. Anders als im Vorgänger kann man dieses mal aber auch öfters vorangegangene Areale wieder besuchen und noch einmal in aller Ruhe betrachten. So stößt man auch auf die eine oder andere Nebenaufgabe, die aber meist nur aus einer zu erledigenden Tätigkeit besteht und die Handlung selbst nur selten weiter vertieft.

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    Es gibt aber im Verlauf des Abenteuers auch einige "Points of no Return" wie das riesige Schloss, das sich wie weitere Szenerien als abgeschlossene Handlungsorte präsentiert. Dieses kann wie weitere Orte und Schauplätze oft nur in Ausnahmefällen außerhalb jenes Handlungsbogens besucht werden, der im Schloss oder dem jeweiligen Schauplatz stattfindet. Da aber meist klar ist, wann das Spiel die Szenerie wechseln wird, hat man meist genug Zeit, sich im gerade gespielten Areal noch einmal gründlich umzusehen. Was schade ist: Trotz der tollen Kulissen vom verlassen wirkenden Dorf bis zum prächtig-gruseligen Schloss mit grafisch beeindruckenden Details gibt es dieses Mal keinen VR-Modus.

    Bekannte Steuerung, neues Inventar

    Wer den Vorgänger nicht gespeilt hat, auf den wartet anfangs eine kurze Video-Zusammenfassung, in der Ethan seine Geschichte aus "Biohazard" erzählt. Danach wird wieder in der Ego-Perspektive gesucht, geschlichen, gekämpft und gestorben. Zwischen den Spiel-Passagen warten auch dieses Mal spannende, grafisch aufwendige und toll inszenierte Video-Sequenzen, die die Handlung vorantreiben. Auch die Steuerung blieb fast ident: Ethan kann mit seinen Waffen auf Feinde zielen und feuern sowie Angriffe rudimentär mit seinen Armen abwehren. Letzteres ist aufgrund der schnelleren und nicht so leicht zu entkommenden Feinde überlebensnotwendig geworden. Rennen, gehen, ducken und Co. sind ebenso wieder möglich, Neuerungen wagt das Spiel dagegen beim Inventar-System.

    "Village" nimmt jedem "Resi"-Fan im neuesten Teil eine der größten Hürden, indem es erlaubt, mehr Materialien bei sich zu tragen. War der Platz in den Vorgängern trotz Inventar-Erweiterungsoptionen immer sehr knapp und musste man dadurch gar die eine oder andere Waffe liegen lassen, gibt es nun ein Inventar für Objekte und Waffen sowie ein weiteres System für Materialien, aus denen Waffen, Gegenstände oder Munition hergestellt werden. Indes wurden die bekannten Lagerkisten an den Speicherpunkten – die wieder als Schreibmaschinen auftreten – abgeschafft. Die Folge: Man kann nicht nur mehr Ausrüstung besitzen, sondern auch alles ständig bei sich führen. Von Überschuss kann dabei zum Glück keine Rede sein, "Village" bleibt ein harter Survival-Titel – nur eben ohne das nervige Herumgerenne, um Objekte aus dem "Lager" zu holen.

    "Resident Evil 4" und "Biohazard" als Vorbilder

    Mit der Figur des "Duke" gibt es zudem eine weitere riesige Hommage an "Resident Evil 4". Der bekannte und beliebte Händler tritt auch hier als schauriger Geselle auf, der uns gegen die Spielwährung Lei Items und Waffenverbesserungen verkauft, wobei alle Gegenstände nur in begrenzter Stückzahl vorhanden und das Bargeld meist knapp ist. Bei Rätseln und Bosskämpfen orientiert man sich dafür wiederum "Biohazard". Die Puzzles bestehen aus eher leichten Such-Aufgaben, Zahlencode-Eingaben und Objekt-Einsetzrätseln, bei denen es kaum zu Kopfzerbrechen kommt. Die Bosse werden oft in mehreren Phasen oder gar über den Spielverlauf hinweg mehrmals bekämpft, treten in unterschiedlichen Formen auf und haben meist als Gemeinsamkeit einen Schwachpunkt, der gefunden und ausgenutzt werden will.

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    Wieder bietet der neueste "Resident Evil"-Teil mehrere Schwierigkeitsgrade. Tendenziell hat sich der Härtegrad aber eine Stufe nach unten verschoben – vor allem wegen des nicht so strikten Inventar-Managements. Spaziergang ist aber auch der normale Schwierigkeitsgrad keiner, denn vor allem im ersten Durchlauf überrascht Capcom immer wieder mit gut gesetzten Schock- und Angriffs-Momenten. Toll dabei: Sicher fühlt man sich nie. Mal könnte es der Wind oder ein Wesen sein, was das hohe Gras um den Spieler bewegt, mal könnte es das alte Gemäuer oder ein neuer Schrecken sein, der den Holzboden knarren lässt. Durch die solide Inszenierung hält das Spiel den Horror und die Spannung jederzeit aufrecht, auch wenn die Handlung nicht ganz so gruselt wie "Biohazard", mit einer Familie aus der finstersten Horror-Hölle und aus der Dunkelheit schießenden Fratzen vermeintlich Besessener. 

    Brutal und direkt

    Rund 20 Stunden nimmt das Horror-Erlebnis in Anspruch, wenn man abseits der Haupt-Geschichte auch noch die Umgebung erkunden und einige Nebenaufgaben abschließen will. Apropos Umgebung: Vor allem die sieht auch abseits der PlayStation 5 und der Xbox Series X auf den bisherigen Konsolen-Generationen wie "Next-Gen" aus. Neue Licht- und Schatteneffekte, noch schöner herausgearbeitete Details, messerscharfe Konturen und realistische Animationen stellen den schon bemerkenswert schönen Vorgänger weit in den Schatten. Nach einem Spieldurchgang schaltet sich übrigens nun ein "Mercenaries"-Modus frei: Mit Zeitlimits müssen darin Gegner-Wellen besiegt werden, wobei man sich immer weiter mit Waffen und Fähigkeiten verstärken kann. Ein Spaß für jene Spieler, die eher nach Arcade-Action suchen. Als Multiplayer-Element kommt später nach Release der "Deathmatch"-Shooter "Resident Evil Re:Verse" dazu.

    "Resident Evil Village" macht einfach alles richtig: Die mutigen Neuerungen aus dem Vorgänger werden weitergeführt, der Gruselfaktor zugunsten eines traditionelleren "Resident Evil"-Erlebnisses etwas zurückgeschraubt und Mühseligkeiten wie das Inventarsystem schlau verbessert, ohne es zu verwässern oder den Survival-Aspekt außer Acht zu lassen. Mit dem Setting, dem Händler und den Upgrade-Möglichkeiten orientiert man sich zudem stark am vierten und damit einem der beliebtesten  "Resident Evil"-Teile überhaupt. Und dass sich "klassische" Monster wie Vampir- und Werwolf-Wesen so gut in ein einstiges Zombie-Game einfügen, setzt dem Ganzen die "Krone" auf. In Sachen Horror-Game kann heuer bisher niemand "Resident Evil Village" das Wasser reichen – und auch alle geplanten Games des Genres können sich schon jetzt warm anziehen.