Österreich

Rosi (58): "Es kann jede und jeden treffen"

Heute Redaktion
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Knapp 500.000 Frauen sind in Österreich armutsgefährdet. Die Caritas hilft mit der neuen Aktion "#wir tun" Frauen, die in Notsituationen geraten.

"Man ist schneller unten als wieder oben", sagt Rosi. Was die 58-Jährige erzählt, reicht für mehrere Leben. Von ihrem Vater wurde sie missbraucht. "Ich bin dann mit 15 ins Heim gekommen, mit 17 habe ich geheiratet." Doch damit entkam sie der Gewalttätigkeit nicht. "Ich bin vom Regen in die Traufe gekommen. Mein Mann war Spieler, Schläger und Alkoholiker."

Im Alter von 21 Jahren landete Rosi auf der Straße – und blieb dort, bis sie 30 war. "Meine Kinder sind ins Heim gekommen." Wo sie übernachtet hat? "Auf Parkplätzen, auf Klos und im Zelt – überall", erzählt Rosi.

Rosi: "Niemand soll sich genieren, um Hilfe zu fragen"

1994 kam sie dann in die Gruft der Caritas – und lernte dort Sozialarbeiter kennen. "Seit 1996 habe ich eine eigene Wohnung" erzählt sie. Aber: "Es ist knapp. Im Monat habe ich etwa 500 Euro zum Leben. Ohne meinen Lebensgefährten wäre die Miete kaum leistbar." Rosi ist sich sicher: "Die Armen werden immer ärmer. Das Geld wird den Ärmsten weggenommen."

Was sie sich wünscht? "Dass mehr auf die Frauen eingegangen wird." In Betreuungseinrichtungen mit Männern würden diese "Frauen als Freiwild" betrachten. "Männer wollen die Frauen besitzen.. Das soll man sich nicht gefallen lassen." Ihr Appell an alle Frauen: "Kämpft für euer Recht". Und: "Niemand soll sich genieren, um Hilfe zu fragen. Es kann jede und jeden treffen." Je weniger Frauen haben, "desto abhängiger sind sie", sagt Rosi.

Doris Schmidauer: "Frauen brauchen einen Ort, an dem sie wieder auf die Beine kommen können"

Unter der Schirmherrschaft von "First Lady" Doris Schmidauer startete die Caritas am Mittwoch die Aktion "#wir tun" (alle Infos gibt' auf wir-tun.at). Denn: Wir haben bemerkt, dass unsere Klientinnen in der metoo-Debatte keine Lobby haben." Daher startet die Caritas die "#wir-tun"-Bewegung.

Claudia Amsz leitet drei Mutter-Kind-Häuser in Wien im Vestibül des Burgtheaters. Schmidauer besuchte am Montag selbst das Haus "Immanuel" der Caritas. "Man spürt, dass diese Haus ein Zuhause bietet – und einen Ort, an dem man wieder auf die Beine kommen kann." Es gehe darum, den Frauen zu helfen, "ein selbstbestimmtes Leben führen zu können." Rund 500.000 Frauen in Österreich sind armutsgefährdet.

"Es trifft Alleinerzieherinnen, Mindestpensionistinnen und Teilzeit arbeitende Frauen", so Schmidauer. Und: "Es braucht viel Mut, um aus diesem Teufelskreis von Armut und Abhängigkeit zu durchbrechen." Damit es weiterhin – und mehr – Einrichtungen gibt, die helfen, "sammeln wir jetzt Geld für einen Fonds, der ausschließlich Frauen in Not zugute kommt".

Roswitha: "Obdachlosigkeit kann jede treffen"

Auch Roswitha (59, sie feiert nächste Woche ihren 60. Geburtstag) musste erfahren wie es ist, in eine Notsituation zu geraten. "Wenn mir vor zehn Jahren jemand gesagt hätte, dass ich einmal obdachlos bin, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Obdachlosigkeit kann jede und jeden treffen", sagt sie.

Wie die resolute Dame in diese Situation gekommen ist? "Mein damaliger Partner hat im vergangenen Sommer aus dem Nichts heraus gesagt, er will alleine leben – nach zehn Jahren Beziehung. Ich habe meine wichtigsten Sachen gepackt und bin gegangen." Bei einer guten Bekannten kam Roswitha, die 22 Jahre im Gastgewerbe, später als Tagesmutter und als Betreuerin von kranken Kinder arbeitete, bis Dezember unter.

Für sie war es eine "große Überwindung", sich an die Caritas zu wenden, erzählt sie. Über AMS und Caritas wurde Roswitha an das Caritas-Haus "Miriam" in Währing vermittelt. "Durch viel Glück kann ich Ende März wieder ausziehen – in eine Startwohnung der Caritas", erzählt sie.

Birgit: "Hemmschwelle ist höher als bei Männern"

Birgit (51) war früher Büroangestellte. "Ich habe gut verdient, dann den Job verloren", sagt sie. Später arbeitete Birgit in einer Bäckerei, verlor wieder den Job. Irgendwann hatte sie nicht mehr genug Geld für Strom und Heizung. "Ich bin dann mit Kerze in der kalten Wohnung gesessen", sagt sie. Als es nicht mehr ging, schaute sie in der "Gruft" zum essen vorbei. "Ich wünsche das keinem, ich konnte nächtelang nicht schlafen. Von der Delogierung war ich nicht mehr weit entfernt."

"Die Hemmschwelle, sich helfen zu lassen, ist bei Frauen höher als bei Männern." Aber irgendwann "ist der Punkt erreicht, wo es nicht mehr geht." Um Mut zu fassen, hat sie lange gebraucht. "Man hat das Gefühl, dass man versagt hat", erklärt sie. Jetzt hat Birgit ein betreutes Konto, von dem die Fixkosten überwiesen werden. "Ich arbeite ehrenamtlich in der Gruft."

Wichtig, Frauen Mut zuzusprechen

Claudia Amsz leitet mehrere Mutter-Kind-Häuser der Caritas in Wien. Welche die größten Herausforderungen sind? "Die Problemlagen sind sehr unterschiedlich. Die Frauen sind destabilisiert, haben oft den Mut verloren." Daher sei auch die erste Aufgabe, ihnen "wieder Mut zuzusprechen." Meist befänden sich die Frauen jahrelang "in unhaltbaren Situationen und Abhängigkeitsverhältnissen", in die sie sich oft begeben würden, "um ein Dach über dem Kopf zu haben. In Häusern der Caritas würden Frauen häufig erst lernen, "dass es Beziehungen auf Augenhöhe gibt".

In Wien betreibt die Caritas drei Mutter-Kind-Häuser, ein Haus für alleinstehende Frauen – und mehrere Beratungsangebote für Frauen.

So funktioniert die Aktion "#wir tun"

– Mit einer Spende von 33 Euro erhalten Frauen einen Platz in einer Notschlafstelle, Unterstützung bei der Arbeitssuche oder einfach nur Essen und Kleidung für sich und ihr Kind.



– Mit einer Spende von 20 Euro erhalten armutsbetroffene Jungfamilien ein Babypaket mit vielen Dingen, die Babys brauchen: Babynahrung, Windeln, Bodys, Strampler, Socken, Hauben, Westen, usw.



– Mit einer Spende von 30 Euro erhalten Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, einen Heizkostenbeitrag und eine umfassende Sozialberatung.



Spenden an: Erste Bank

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IBAN: AT23 2011 1000 0123 4560

Spendenzweck: wirtun