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"Rough Justice '84" im Test – Brettspiel-Schnüffelei

"Rough Justice '84" ist ein Retro-Indie-Titel, der das Zeug zu einem ganz großen Hit hätte. Doch das Spiel verzettelt sich sehr in den Kleinigkeiten.

Rene Findenig
"Rough Justice '84" im Test – als Ex-Cop zieht man eine Sicherheitsfirma auf, das spielt sich aber streckenweise eher Glücks-basiert.
"Rough Justice '84" im Test – als Ex-Cop zieht man eine Sicherheitsfirma auf, das spielt sich aber streckenweise eher Glücks-basiert.
Gamma Minus

Spieler schlüpfen in "Rough Justice '84" für PC von Entwickler Gamma Minus UG und Publisher Daedalic Entertainment in die Rolle eines Privatermittlers. Dieser ehemalige Polizist ermittelte einst gegen korrupte Kollegen – wurde von diesen aber in eine Falle gelockt, eines Mordes bezichtigt und ins Gefängnis gesteckt. Zwar deckt ein Staatsanwalt nach einigen Jahren die Wahrheit auf und der Protagonist ist ein freier Mann, als Polizist hat er aber keine Zukunft mehr. Da kommt es gerade recht, dass einer der wenigen ehrlichen Polizisten-Kollegen mittlerweile eine Sicherheitsfirma gegründet hat, in die wir einsteigen. 

Statt eines tiefgründigen Thrillers erwartet Spieler aber eher ein lockeres Story-Gerüst, das dem Spiel zwar eine Handlung gibt, aber nicht sonderlich fesselt oder mit großen Plot-Twists aufwartet. Muss sie aber auch nicht, denn im Mittelpunkt steht das Gameplay. Nach einem schnellen Tutorial, in dem die überschaubaren Möglichkeiten des Titels vorgestellt werden, geht es auch schon los. Spieler dürfen dann aus verschiedenen Ermittlungspaketen auswählen, die aus jeweils mehreren Fällen bestehen, die aufgeklärt werden sollen. Gelingt das, bessert sich unsere Erfahrung und unser Ruf sowie der Kontostand.

Dabei hatte alles noch so schön begonnen

Verdientes Geld lässt sich dann in neue Ermittler investieren, die allesamt über besondere Stärken und Schwächen verfügen. Je größer das Team anwächst, umso größer wird auch der Aktions-Punktezähler, der bestimmt, wie viele Ermittlungen wir an einem Tag durchführen können und welche Ermittler wir an welche Orte zum Schnüffeln und Spurensichern schicken können. Das Neon-Noir-Strategiespiel ist laut den Entwickler von Brettspieler der 80er Jahren inspiriert – und das Ziel ist es, die Machenschaften einer geheimen Organisation in Seneca City aufzuklären und den Verantwortlichen das Handwerk zu legen.

    Spieler schlüpfen in "Rough Justice '84" für PC von Entwickler Gamma Minus UG und Publisher Daedalic Entertainment in die Rolle eines Privatermittlers. Dieser ehemalige ...
    Spieler schlüpfen in "Rough Justice '84" für PC von Entwickler Gamma Minus UG und Publisher Daedalic Entertainment in die Rolle eines Privatermittlers. Dieser ehemalige ...
    Gamma Minus

    Bis zu diesem Punkt ist auch alles noch super und das Spiel hätte trotz einfacher Technik und simplem Spielprinzip das Zeug, ein ganz großer Hit zu werden. Umso unverständlicher ist allerdings, warum sich der Titel dann in Kleinigkeiten dermaßen verzettelt. Das beginnt schon dabei, dass man neue Ermittler für sein Team anheuert, die sich dann nach einem harten Arbeitstag schlafen legen – und am nächsten Tag komplett neu angeheuert werden müssen, als hätte man nie einen Vertrag mit ihnen gehabt. So gelingt es leider auch so gut wie nie, sich ein ausbalanciertes Team ordentlich zu rekrutieren.

    Viel Missions-Abwechslung, aber leider ungenützt

    Wiederum ordentlich ist die Abwechslung bei den Fällen – Kunden engagieren uns etwa, um Hotspots der Stadt im Auge zu behalten und vor Unruhestiftern zu schützen, flüchtige Verbrecher zu ergreifen oder Objekte von Geldsündern zu pfänden. Schlimm ist aber, dass der Titel immens auf den Glücksfaktor setzt – und das fast in jedem Bereich. Taucht ein neuer Fall auf der Karte der Spielwelt auf, können wir einen Ermittler darauf ansetzen. Im Idealfall ist das der, dessen Eigenschafts-Werte wie Stärke, Intelligenz oder Wahrnehmung am besten zu dem Fall passen. Wählen wir einen aus, macht er sich auf den Weg. 

    Am Ermittlungsort angekommen, öffnen sich dem Spieler meist Handlungsoptionen. So hat uns etwa eine Dame dafür angestellt, eine Bowlingbahn zu bewachen, in der bei einem Turnier ein Preisgeld ausgespielt wird. Wie uns Texteinblendungen verraten, kommt es allerdings zum Tumult, eine Person flieht und das Preisgeld scheint abhandengekommen zu sein. Im ersten Schritt muss der Spieler nun zwischen Optionen wählen – etwa, alles weiter im Blick zu behalten oder den Flüchtenden aufzuhalten. Dabei beginnen allerdings bereits die ersten Probleme, die sich steigern.

    Der Faktor Glück wird immer frustrierender

    So ist nicht oft gut beraten, wer die logischste Option auswählt, sondern jene, in der der jeweilige Ermittler die besten Status-Werte aufweist. Zeigt unsere Ermittlerin zwei Wahrnehmungs- und einen Stärke-Punkt, ist die bessere Wahl, die Szene einfach weiter zu beobachten, auch wenn unser Bauchgefühl etwas anderes sagt. Der Grund: Im nächsten Schritt entscheidet nämlich das Glück, ob wir Erfolg haben oder nicht. Soll die Aktion gelingen, muss der Spieler mit Würfel-Würfen eine bestimmte Zahlensumme erreichen. Gewürfelt wird simpel per Mausklick, mit Kaufitems kann man die Chance steigern.

    Die Folge: Wir erwürfeln uns zwar einen Erfolg, der sieht aber so aus, dass wir den Tumult unter Kontrolle bringen, aber das Preisgeld verschwunden bleibt. Eine Missionsbelohnung gibt es trotzdem, befriedigend fühlt sich das aber weder wegen des Glücksfaktors, noch wegen des Ausgangs an. Zwar lässt sich das Glück mit Items und auch den Agenten-Aktionspunkten durch zusätzliche Würfel deutlich drehen, frustrierend ist das aber dennoch, weil sich alles zu sehr nach Zufall anfühlt. Nicht besser macht es, dass manche Missionen einzig und alleine aus Mini-Spielen bestehen, die sich ständig wiederholen.

    "Rough Justice '84" im Test – Brettspiel-Schnüffelei

    Auf der technischen Seite gibt es nicht viel auszusetzen, es wird aber auch nicht allzu viel geboten. Zum größten Teil besteht das Spiel aus recht starren 2D-Bildschirmen mit massig Texteinblendungen, durch die man sich hindurchklickt. Auf einer simplen 3D-Karte werden zudem die Missionsziele angezeigt, viel mehr Bewegung als Agenten-Punkte, die sich durch die Straßen bewegen, gibt es aber nicht. Gespielt wird mit sehr einfachen Tastatur-Befehlen oder optional auch nur per Maus. Dazu gibt es eine nette Retro-Hintergrundmusik und eine deutsche Sprachausgabe sowie auf Wunsch auch Untertitel.

    "Rough Justice '84" hat geniale Retro-Grundzüge, lässt aber sehr viele davon nicht nur ungenützt, sondern verbaut sie sich selbst durch die Würfel-Spiele, die ständig wiederholend zum Einsatz kommen. Zudem wechseln sich die Fälle anfangs schön ab, später werden sie aber immer schwerer mit den gleichen Geschichten. Da man sich auch nicht ein dauerhaftes Team aufbauen und verbessern kann, sondern jeden Spieltag neue Charaktere rekrutieren muss, ist deshalb einfach unverständlich. Deshalb ist "Rough Justice '84" eine Brettspiel-Schnüffelei, wie wohl eher nur Retro-Fans ansprechen wird.

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