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Russe erweckt Kopf ohne Körper zu neuem Leben

Sergej Brukhonenkos Hunde-Experimente waren nichts für schwache Nerven. Doch sie ebneten den Weg für lebensrettende Technologien.

Heute Redaktion
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Am 6. Mai 1953 führt US-Chirurg John Heysham Gibbon die weltweit erste erfolgreiche Operation am offenen Herzen durch. Dabei gelingt es ihm, einen Atriumseptumdefekt (ein Loch in der Scheidewand zwischen den beiden Vorhöfen des Herzens) seiner 18-jährigen Patientin zu beheben.

Möglich macht ihm das eine Eigenentwicklung: eine Herz-Lungen-Maschine, welche die Pumpfunktion des Herzens sowie die Lungenfunktion für einen begrenzten Zeitraum ersetzt und so eine Operation am offenen Herzen überhaupt erst erlaubt.

Der Erste, der zu dieser Technik forschte, war Gibbon jedoch nicht. Der eigentliche, wenn auch kaum bekannte Pionier auf diesem Gebiet, war der Russe Sergej Brukhonenko, wie es in "The Annals of Thoracic Surgery" heißt.

Erster Weltkrieg gab den Anstoß

Ausgelöst wurden Brukhonenkos Forschungen durch den Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918). Als Assistenzarzt in einem Infanterie-Regiment begegnete er immer wieder Patienten, deren Lungen, Herzen und Gefäße im Kampf Schaden genommen haben – und er dachte über Möglichkeiten nach, wie man ihr Leben retten könnte.

Ab 1923 begann er auf diesem Gebiet zu forschen. Gemeinsam mit einem Kollegen entwickelte er einen Apparat für "künstliche Zirkulation mit Blut von Warmblütern", eine simple Art Herz-Lungen-Maschine, die er "Autojektor" tauft. Dieser soll ihm helfen, einen Organismus ohne eigenes Herz und eigene Lunge am Leben zu halten.

Trotz Blutungen ein Erfolg

Bereits das erste Experiment im Jahr 1926 war vielversprechend: Zwar musste es aufgrund heftiger Blutungen des Versuchstiers unterbrochen werden. Aber zuvor gelang es den Forschern, es während zwei Stunden mithilfe des Autojektors am Leben zu halten – etwas, was noch nie zuvor jemandem gelungen war.

Nach sieben weiteren Versuchen mit zum Teil ganzen Körpern hält Brukhonenko fest: "Mit der Durchführung dieser Experimente wollten wir die prinzipielle Möglichkeit einer Operation am vorübergehend stillgelegten Herzen zeigen." Das sei ihnen gelungen. Damit der künstliche Kreislauf aber tatsächlich angewendet werden könne, müsse die Technik noch verbessert werden.

Neues Leben im abgetrennten Kopf

1928 war es dann so weit: Auf dem Kongress der Physiologen der Sowjetunion präsentierte Brukhonenko seinen Autojektor dem Fachpublikum – mithilfe eines abgetrennten Hundekopfs (siehe Video oben).

Kurz nachdem der Apparat angeworfen wurde, zeigte der Kopf erste Lebenszeichen. Er interagierte sogar mit den Forschern: Piksten sie ihm ins Auge, blinzelte er. Träufelten sie ihm Zitronensäure auf die Nasenspitze, leckte er diese ab. Auch auf Licht und die Erschütterungen eines kleinen Hammers reagierte er.

Der endgültige Beweis

Doch damit nicht genug. In einem weiteren Experiment zeigte Brukhonenko, dass seine Maschine auch einen ganzen Organismus am Leben halten konnte:

Dafür entzogen er und seine Kollegen einem betäubten Hund zunächst das Blut, was zu einem Stillstand der Vitalfunktionen führte. Nach zehn Minuten lief der Autojektor an und pumpte frisches, mit Sauerstoff angereichertes Blut in den Körper.

Zunächst reagierte das Herz, dann Puls und Atmung. Als die Körperfunktionen wieder kräftig genug waren, schalteten die Wissenschaftler die Herz-Lungen-Maschine wieder aus. Der Körper übernahm und kurze Zeit später war der Hund ganz der Alte. Damit war der Beweis erbracht, dass der Autojektor funktioniert.

Dass Brukhonenko trotzdem nicht in die Annalen einging, ist dem Zweiten Weltkrieg (1939 bis 1945) geschuldet, währenddessen viele seiner Aufzeichnungen verloren gingen. (fee/red)