Wien

Schlüsseldienstbetrug – Frau (27) gibt ihr letztes Geld

Am ersten Abend in ihrer neuen Wohnung sperrt sich Jennifer D. aus. In ihrer Not googelt sie einen Schlüsseldienst – und ging Gaunern auf den Leim.

Heute Redaktion
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Die Betrogene und der Angeklagte am Dienstag am Wiener Landgericht
Die Betrogene und der Angeklagte am Dienstag am Wiener Landgericht
Denise Auer/Thomas Auer

Am 16. November 2021 freut sich Jennifer D. (27) auf einen gemütlichen Abend in ihrer neuen Wohnung in Gmunden (OÖ). Sie ist ein bisschen müde vom Umzug und geht noch rasch etwas einkaufen. Sie lässt ihren Schlüssel innen stecken, nimmt einen Zweitschlüssel mit.

Als sie vom Einkauf heimkehrt und den Schlüssel ins Schloss schiebt, wird ihr klar: Sie kommt nicht hinein. Der andere Schlüssel blockiert von innen. Sie wird nervös. Zum Glück hat sie ihr Handy dabei. Sie googelt hektisch "Schlüsseldienst Gmunden". Gleich beim ersten Treffer ruft sie an. Sie wählt die 0800er Nummer und kommt in einem Call Center raus.

Freundlich und professionell wird sie informiert, dass in einer Dreiviertelstunde jemand kommen werde, um ihr zu helfen. Sie wartet. Als der Mann schließlich vier Stunden später eintrifft, wundert sie sich kurz über sein Feldkircher Kennzeichen, denkt dann aber nicht weiter darüber nach.

"Rechnen Sie mit 150 bis 200 Euro"

Jetzt viel interessanter ist für sie die Frage nach dem Preis. "Rechnen Sie mit 150 bis 200 Euro" erklärt ihr der Schlüsseldienstmitarbeiter. Das hält sie für angemessen. Er legt los, hat die Tür bald offen. Dann fragt er, ob sie nicht lieber ein Sicherheitsschloss haben möchte. Dann könnten gleichzeitig Schlüssel von außen und innen stecken und sie würde sich nicht mehr aussperren. "Was kostet das?", fragt sie wieder. "Fünfzig Euro mehr", ist die Antwort. "Okay passt", willigt sie ein. "Er wirkte vertrauenswürdig", erinnert sie sich gegenüber "Heute".

Als er ihr die Rechnung vorlegt, wird sie hellwach

Als der vertrauenswürdig wirkende Mann gegen 23 Uhr schließlich fertig ist, hat Jennifer D. bereits sechs Stunden vor ihrer Wohnung gewartet. Sie ist müde. Doch hellwach ist sie plötzlich, als er ihr die Gesamtrechnung präsentiert. 846 Euro soll sie plötzlich zahlen! "Wenn ich nicht sofort zahle, würde er alles wieder ausbauen, hat er gesagt", so das Betrugsopfer. "Ich hatte ein komisches Gefühl. Ich fühlte mich unter Druck".

So viel Geld hat sie gar nicht im Haus. Sie könne einen Teil bar und den anderen Teil mit Bankomat zahlen, bietet er an. Viel Geld hat die Geprellte eh nicht auf der Kante. Halb in bar, halb mit Bankomat kann sie die Summe aber stemmen. "Ich wollte nur noch schlafen, ich zahlte. Aber so viel Geld – das hat weh getan."

In ganz Österreich wurden Menschen in ihrer Not ausgenutzt

Wie der Gmundenerin ging es mindestens neunzehn weiteren Personen in ganz Österreich. In Wien, Salzburg, Linz, aber auch auf dem platten Land in Saxen, Zellermoos, Laakirchen, Ruprechtshofen, Habach und Oberhaid fielen Menschen auf den Trick herein. Alle googelten einen Schlüsselservice in ihrer Nähe – alle hatten als ersten Treffer die selbe Firma. Das war kein Zufall, denn die Gauner zahlten an Google viel Geld für ihre Top-Platzierung.

Als der nun in Wien angeklagte Deutsche Mert Y. (27) bei der Ausgesperrten vorbei kommt, ist er bereits seit dreieinhalb Monaten im Dienst eines Arbeitgebers, den er nie getroffen hat. Die Stellenanzeige hatte er bei Instagram gefunden. Der Erstkontakt zu seinem Kollegen und Ausbilder, der ihn innerhalb von zwei Wochen fit machen würde für seinen neuen "Beruf", fand auf einer Tankstelle statt. Es gibt keinen Arbeitsvertrag, seinen Lohn (monatlich zwischen 2.500 und 3.000 Euro) erhält er immer in bar. Von seinem "Ausbilder" wird er angehalten, die Beträge auf den Rechnungen immer kräftig zu dehnen.

"Es wurde mir so gesagt. Ich habe es so gemacht"

Sein Kollege zeigt ihm während der zwei Wochen, wie das geht. Da gab es Rechnungen, auf denen wurden für eine Viertelstunde Einsatz knapp zweitausend Euro verlangt. All das kam Mert Y. nie komisch vor, sagte er bei der Befragung. Immer wieder antwortet er, "Es wurde mir so gesagt. Ich habe es so gemacht." Ob ihm die Tragweite seines Tuns wirklich nicht bewusst war, ob er wirklich nie gespürt hat, dass es Unrecht ist, was er da tut, das wird nun das Gericht entscheiden.

Am Dienstag, dem ersten Prozesstag, stand er in Wien vorm Richter. Sein Verteidiger meinte, sein Mandant sei auf der untersten Ebene einer kriminellen Vereinigung beschäftigt gewesen. "Er hatte keinen Vorsatz" – es wurde auf Ende August vertagt, um weitere Zeugen zu hören. Mindestens zwanzig Geschädigte soll es geben. Die Unschuldsvermutung gilt.

▶ Als Jennifer D. am Abend nach dem Einsatz Informationen zu "ihrem" Schlüsseldienst im Internet recherchiert, findet sie fast sofort die Warnung von anderen Betroffenen "Achtung: Betrug".
▶ Es lohnt sich immer auch in der Eile kurz zu recherchieren, ob der Anbieter bei dem man eine Dienstleistung kaufen will, seriös ist und was andere Kunden über ihn sagen. Das dauert sechzig Sekunden länger – kann einen aber vor einem großen Reinfall bewahren.
▶ Die Landesinnung Metalltechnik gibt auf ihrer Webseite eine Checkliste zum Erkennen zertifizerter Aufsperrdienste und außerdem eine Suchmaschine für einen seriösen Schlüsseldienst in deiner Nähe: meinaufsperrdienst.at. Auch diese Hotline hilft bei der Suche: 0 590 900-55 99

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