Mitten in der Nacht, als die meisten schliefen, schlugen Unbekannte gleichzeitig an mehreren Orten in Frankreich zu: Gefängnismauern wurden von Kugeln durchsiebt, Autos von Justizbeamten brannten lichterloh. In Toulon feuerten Täter mit einer Kalaschnikow auf das Gefängnistor, in Valence, Marseille und mehreren weiteren Städten gingen Fahrzeuge in Flammen auf. Die Angriffe galten offenbar gezielt dem Strafvollzug – eine koordinierte Aktion, wie Ermittler vermuten. Die Antiterrorstaatsanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen, wie "France Bleu" berichtet.
In Toulon wurden 15 Einschusslöcher an der Eingangstür der Justizvollzugsanstalt La Farlède festgestellt. Die Schüsse fielen gegen 0.40 Uhr, verletzt wurde niemand. Die dortige Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes an Amtsträgern.
Nahezu zeitgleich brannten Fahrzeuge vor oder nahe Justizeinrichtungen in Marseille, Aix-en-Provence, Valence, Nanterre, Villepinte, Melun, Réau und Agen. In Marseille wurden Autos vor Einrichtungen der Jugendgerichtshilfe zerstört, in Aix-en-Provence zwei Fahrzeuge auf dem Parkplatz der Haftanstalt Luynes. In Valence wurden zwei Wagen von Justizvollzugsbeamten angezündet. Auch in Melun und Réau brannten Fahrzeuge von Bediensteten.
In Villepinte und Nanterre wurden insgesamt vier Fahrzeuge auf Anstaltsparkplätzen in Brand gesetzt. Laut einem Gewerkschaftsvertreter waren die Parkflächen wegen Bauarbeiten leicht zugänglich. Auch in Agen brannten bereits am Sonntagabend sieben Autos von Schülern und Personal der Verwaltungshochschule für den Strafvollzug.
Die Hintergründe der Attacken sind noch unklar. Ermittler verfolgen derzeit zwei Hauptspuren: Zum einen wird ein möglicher Zusammenhang mit dem organisierten Drogenhandel geprüft. Frankreich plant den Ausbau besonders gesicherter Haftanstalten für hochgefährliche Häftlinge – darunter führende Köpfe des Drogenhandels. Diese Maßnahmen könnten kriminelle Netzwerke zu Vergeltungsaktionen veranlasst haben.
Zum anderen wurde an mehreren Tatorten der Schriftzug "DDPF" entdeckt (Droit des détenus et prisonniers français, also etwa "Rechte von Häftlingen und Gefangenen in Frankreich"). Unter anderem an der Tür des Gefängnisses in Toulon und an Fahrzeugen in Marseille und Nanterre. Diese Parole wird mit der extremen Linken in Verbindung gebracht.
Justizminister Gérald Darmanin besuchte am Dienstagnachmittag das Gefängnis in Toulon und sprach dort mit Mitarbeitenden, die in der Nacht im Einsatz waren. Auf der Plattform X erklärte er: "Die Republik ist mit dem Drogenhandel konfrontiert und ergreift Maßnahmen, die kriminelle Netzwerke stören werden."
Innenminister Bruno Retailleau ordnete an, die Sicherheitsvorkehrungen an allen Justizeinrichtungen "unverzüglich zu verstärken". Die Attacken seien "inakzeptabel", die Antwort des Staates müsse "implacable" – also unerbittlich – sein. "Man zielt auf unsere Institution – daran besteht kein Zweifel", sagte auch Dominique Gombert, Vizechef der Gewerkschaft FO Justice.