Österreich

Seisenbacher-Showdown vor Gericht: "Märchen"

Heute Redaktion
Teilen

Am zweiten Prozesstag packte ein ehemaliges Judo-Kind über "seltsame Bewegungen in Seisenbachers Schlafsack" aus. Bereits Montagnachmittag könnte der Olympiasieger verurteilt werden.

Seisenbacher (59) drohen bis zu zehn Jahre Haft. Er soll zwischen 1997 und 2004 als Trainer zwei Mädchen schwer sexuell missbraucht haben. Bei einer 16-Jährigen soll er das Autoritätsverhältnis missbraucht haben. Im Oktober 2016 wurde Anklage erhoben, einem Gerichtstermin blieb Seisenbacher allerdings fern. Das Gericht erließ daraufhin einen Europäischen Haftbefehl.

Erst im August 2017 konnte Seisenbacher in einer Wohnung in Kiew verhaftet werden, er wurde allerdings eine Woche später trotz laufendem Auslieferungsverfahren auf freien Fuß gesetzt. Da die Ukraine zwar die Auslieferung ablehnte, ihm aber auftrug, das Land zu verlassen, tauchte Seisenbacher unter. Im September 2019 versuchte er mit einem gefälschten österreichischen Pass nach Polen zu reise, wurde an der Grenze aber festgenommen und nach Österreich ausgeliefert.

Seisenbacher ortet Verschwörung

Am Montag könnte es im Prozess gegen Seisenbacher am Wiener Landesgericht bereits ein Urteil geben. "Nicht schuldig", plädierte Seisenbacher zu Prozessauftakt. "Ich bin davon überzeugt, dass die sich gegen mich verschworen haben", sagt er zu den Aussagen der Frauen, die ihn angezeigt haben. "Ich fühle mich nicht zuständig, über die Psyche dieser Personen Mutmaßungen durchzuführen".

"Märchen erzählt"

Die Frauen sagten bereits vergangenen Montag unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. Heute nahm Peter Seisenbacher, von Richter Christoph Bauer dazu befragt, Stellung zu den Aussagen seiner mutmaßlichen Opfer. Und das durchaus knapp: "Ich bleibe bei meiner Aussage vom ersten Tag", sagte der gefallene Held. Richter Bauer: "Sie lügen also?" Seisenbacher: "Sie sagen die Unwahrheit." Dann folgt eine lange Schilderung über eine Japan-Reise. Am Ende seiner ausschweifenden Erzählung über eine der Frauen sagt Seisenbacher zu Rat Bauer: "Es soll auch zeigen, dass sie Ihnen hier ein Märchen erzählt hat."

Ex-Partnerin entlastet Judoka

Nach dem Angeklagten wurde am Montag eine ehemalige Lebensgefährtin des früheren Judoka als Zeugin befragt. Sie war mit Seisenbacher ab 2005 zusammen, brachte damals selbst ein kleines Mädchen in die Partnerschaft mit. Dass er sich an Unmündigen vergangen haben könnte, glaubt sie nicht: "Sonst hätte ich ja keine Beziehung mit ihm geführt."

"Seltsame Bewegungen im Schlafsack"

Der zweite Zeuge des Tages, der 1998 selbst in Seisenbachers Budoclub in der Wiener Blattgasse trainiert hat, erinnert sich an eine nächtliche Begebenheit. Eines Nachts habe er "seltsame Bewegungen" in Peter Seisenbachers Schlafsack wahrgenommen. "Es war komisch. Ich dachte, es war ein Spiel. Ich war acht, ich habe mich nicht ausgekannt." Am nächsten Morgen habe eines der Opfer, das Seisenbacher nun massiv belastet, laut dem Zeugen "sehr schlecht ausgesehen". Der Zeuge, der "immer als Träumer, als einer, der Geister sieht" bezeichnet wurde, erzählt emotional: "Mir hat nie jemand geglaubt …"

Aufstieg und tiefer Fall des Peter Seisenbacher

- Geboren am 25. März 1960 in Wien. Er ist 59 Jahre alt, vom Sternzeichen Widder.

- Olympia-Gold 1984 bei den Spielen in Los Angeles (USA)

- Vier Jahre später, 1988, verteidigte er den Titel in Seoul (Südkorea)

- Nach der Karriere bis 1992 Generalsekretär der Sporthilfe und Trainer des Herren-Nationalteams. Nach einem Disput folgte 1991 die Entlassung.

- 1996 wurde ihm das Große Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich verliehen. Eine Aberkennung ist nicht vorgesehen.

- 2005 bis 2010 Präsident des Wiener Judo-Landesverbandes

- Ab 2010 Trainer in Georgien

- Wechsel zur aserbaidschanischen Judo-Herrennationalmannschaft im Oktober 2012

- Im Juni 2014 wurden erste Missbrauchsvorwürfe publik.

- Im Oktober 2016 erhob die Staatsanwaltschaft Wien Anklage.

- Am 19.12.2016 hätte er in der Hauptstadt vor Gericht stehen sollen. Seisenbacher entzog sich durch Flucht dem Verfahren.

- 1. August 2016: Seisenbacher wurde er in einer Absteige in der Kiewer "Allee der Helden" festgenommen.

- Die ukrainischen Behörden setzten ihn am 8. September 2016 erneut auf freien Fuß. Er tauchte wieder unter. Das österreichische Bundeskriminalamt fahndete ab 12. September 2016 wieder mit einem internationalem Haftbefehl.

- Das ukrainische Justizministerium lehnte am 6. Oktober 2017 ein Auslieferungsersuchen ab, forderte Seisenbacher aber auf, das Land binnen fünf Tagen zu verlassen.

- Seisenbacher tauchte in der Folge wieder unter. Mitte September 2019 wurde er beim Versuch, aus der Ukraine Richtung Polen auszureisen festgenommen.

- Der Promi landet in einem ukrainischen Höllen-Häf'n: 29 Zellengenossen teilen sich dort 15 Betten. Seisenbacher sagte bald: "Ich will nach Hause."

- Am 12. September 2019 landet er am Flughafen Wien-Schwechat und wird umgehend in die Justizanstalt Wien-Josefstadt gebracht.

- Der Haft- und Rechtsschutzrichter verhängt dort am 14. September 2019 die Untersuchungshaft – wegen Fluchtgefahr.

- Für 25. November 2019 war die Prozess-Neuauflage angesetzt.

- Am 2. Dezember 2019 soll ein Urteil fallen. Peter Seisenbacher drohen bis zu zehn Jahre Haft. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.