Einzige Person auf der Welt

Seltene Genmutation macht Frau immun gegen Alzheimer

Obwohl viele ihrer Familienmitglieder bereits mit 40 an Alzheimer litten, blieb eine Frau bis in ihre 70er verschont. Eine Genmutation schützt sie.

Heute Life
Seltene Genmutation macht Frau immun gegen Alzheimer
Die Frau trägt als einzige Person weltweit die so genannte "Christchurch-Mutation" in sich. (Symbolbild).
Getty Images/iStockphoto

Eine Frau in Kolumbien wurde jüngst zum Forschungsobjekt der Medizin. Die Alzheimer-Krankheit plagt eine große kolumbianische Familie seit Generationen und hat die Hälfte ihrer Mitglieder in ihren 40ern dahingerafft. Aber ein Mitglied dieser Familie entging dem scheinbaren Schicksal: Obwohl sie den genetischen Defekt erbte, der dazu führte, dass ihre Verwandten im Alter von 40 Jahren an Demenz erkrankten, blieb sie bis in ihre 70er Jahre kognitiv gesund. Den Grund dafür haben Wissenschaftler in einer Studie untersucht.

Sie trägt zwei Kopien einer seltenen Variante des APOE-Gens, der so genannten "Christchurch-Mutation", und ist damit die einzige bekannte Person auf der Welt, bei der dies der Fall ist. Anhand von genetisch veränderten Mäusen zeigten Forscher der Washington University in St. Louis, dass diese seltene Genmutation die Verbindung zwischen der frühen Phase der Alzheimer-Krankheit und dem späteren Stadium, wenn der kognitive Abbau einsetzt, unterbricht. 

Bei der Alzheimer-Krankheit kommt es typischerweise zu Ablagerungen zweier Proteine im Gehirn: Beta-Amyloid und Tau. Durch diese Eiweißablagerungen werden die Nervenzellen massiv gestört und die Funktionen des Gehirns immer stärker beeinträchtigt. Die Krankheit entwickelt sich über einen Zeitraum von etwa 30 Jahren, wobei die ersten beiden Jahrzehnte unbemerkt verlaufen, da sich das Amyloid ansammelt, aber keine negativen Auswirkungen verursacht werden. Wenn der Amyloidspiegel jedoch einen Wendepunkt erreicht, beginnt Phase zwei, die mehrere miteinander verbundene zerstörerische Prozesse umfasst: Ein Protein namens Tau bildet Knäuel, die sich im Gehirn ausbreiten. Infolge dessen verlangsamt sich der Gehirnstoffwechsel und das Gehirn beginnt zu schrumpfen. Dann kommt es zu Gedächtnis- und Denkproblemen.

Anhäufung von Plaques im Gehirn

Dr. David Holtzman, Hauptautor der Studie und Professor für Neurologie, erklärt: "Mit zunehmendem Alter kommt es bei vielen Menschen zu einer gewissen Amyloid-Ansammlung im Gehirn. Anfänglich bleiben sie kognitiv normal. Doch nach vielen Jahren beginnt die Amyloid-Ablagerung zu einer Anhäufung des Tau-Proteins zu führen. Wenn dies geschieht, kommt es bald zu kognitiven Beeinträchtigungen. Wenn wir einen Weg finden, die Auswirkungen der APOE-Christchurch-Mutation zu imitieren, können wir vielleicht verhindern, dass Menschen, die sich bereits auf dem Weg zur Alzheimer-Demenz befinden, diesen Weg fortsetzen. Dies könnte zur Entwicklung neuer Medikamente führen, die die Auswirkungen der Mutation imitieren und verhindern, dass sich das Amyloid im Gehirn der Betroffenen zu Alzheimer entwickelt."

Im gesunden Gehirn werden Beta-Amyloid-Proteinstücke zersetzt und vernichtet. Bei einer Alzheimer-Erkrankung häufen sie sich zu harten, unauflöslichen Plaques an. "Eine der größten unbeantworteten Fragen auf dem Gebiet der Alzheimer-Krankheit ist, warum die Anhäufung von Amyloid zur Tau-Problematik führt", so Holtzman. "Die Kolumbianerin war insofern sehr ungewöhnlich, als sie eine Amyloid-Pathologie, aber kaum eine Tau-Pathologie und nur sehr leichte kognitive Symptome hatte, die erst spät auftraten. Das legte uns nahe, dass das Hinweise auf die Verbindung zwischen Amyloid und Tau sein könnten."

Abfallbeseitigungszellen als Schlüssel

Die Forscher verwendeten Mäuse, die genetisch so verändert wurden, dass sie eine Überproduktion von Amyloid aufwiesen, und die Christchurch-Mutation trugen. Dann injizierten sie den Gehirnen der Mäuse eine kleine Menge menschliches Tau, das sich normalerweise im gesamten Gehirn ausbreitet. Doch ähnlich wie bei der kolumbianischen Frau, entwickelten die Mäuse nur eine geringe Tau-Ausbreitung, obwohl sie viel Amyloid hatten.

Die Forscher erkannten, dass der entscheidende Unterschied darin bestand, wie aktiv die Abfallbeseitigungszellen des Gehirns waren. Bei den Mäusen mit der Mutation waren die Abfallbeseitigungszellen sehr effizient bei der Beseitigung der Tau-Cluster. Das hat einen Großteil des nachgeschalteten Prozesses blockiert. Ohne Tau-Pathologie gibt es kein Nervensterben oder -verkümmern und kognitive Probleme. "Wenn wir die Wirkung der Mutation nachahmen können, sind wir vielleicht in der Lage, die Amyloid-Ansammlung unschädlich zu machen oder zumindest viel weniger schädlich zu machen und die Menschen vor kognitiven Beeinträchtigungen zu schützen."

red
Akt.