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"Frauen masturbieren häufiger, als man denkt"

Heute Redaktion
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Sexualwissenschaftlerin Andrea Burri weiß, wie Frauen masturbieren und warum manche Männer nach dem Sex Schnupfen bekommen. Ein Gespräch ohne Tabus.

Frau Burri, das Thema Sex ist omnipräsent. Gibt es tatsächlich noch Themen, über die wir nicht sprechen?

Oh ja. Kinky Sex, also leichter Sadomaso-Sex, ist so ein Thema. Oder Homosexualität. Es mag erstaunen, aber Homophobie ist nach wie vor weit verbreitet. Auch über Masturbation, insbesondere die weibliche, sprechen wir kaum.

Warum nicht?

Masturbation galt noch bis Anfang der 70er-Jahre als ein krankhaftes Verhalten. Erst 1972 wurde es durch die American Medical Association als "normal" deklariert. Noch heute haben viele Leute das Gefühl, Masturbation sei eine Sünde. Wir wissen, dass etwa 10 Prozent der Leute nicht masturbieren. Viele fühlen sich dabei schuldig, weil sie unter anderem in dem Glauben erzogen wurden. Andere haben einfach keine Lust.

"Ich habe Patientinnen, die zwei- bis dreimal pro Tag masturbieren."

Andrea Burri
Die Sexualwissenschaftlerin Andrea Burri hat im März das Institut für Sexualberatung und Sexualforschung ISCSS in Zürich gegründet. Burri hat klinische Psychologie an der Universität Zürich und Sexualwissenschaften am UKE in Hamburg studiert. Sie promovierte in Verhaltensgenetik zum Thema "Genetische Epidemiologie sexueller Funktionsstörungen bei Frauen".

Täuscht der Eindruck, oder befriedigen sich Frauen seltener als Männer?

Sie machen es häufiger, als man denkt. Auch wenn sie in einer Beziehung sind. Ich habe Patientinnen, die zwei- bis dreimal pro Tag masturbieren. Andere einmal im Monat. Und wieder andere Frauen machen das nie. Sei es aus Lustlosigkeit oder weil sie die Idee dazu nie hatten. Die durchschnittliche Masturbationszeit liegt irgendwo zwischen drei und zehn Minuten.

Warum masturbieren Frauen?

Die Gründe sind vielfältig. Gewisse machen es aus Lust, andere aus Langeweile oder einfach, um besser einzuschlafen.

Und wie machen sie es sich genau?

Sie berühren sich mit der Hand auf oder neben der Klitoris und machen in einer hohen Frequenz rubbelnde Bewegungen. Oder sie stimulieren sich vaginal mit den Fingern, einem Vibrator oder einem Dildo. Anale Stimulation kommt selten vor. Pornos spielen bei Frauen eine weniger wichtige Rolle als bei Männern. Sie schauen tendenziell heterosexuelle Pornos.

Als Paartherapeutin geben Sie Ihren Patienten Masturbationsaufgaben mit nach Hause. Wie muss man sich das vorstellen?

Man nennt das "directed masturbation". Durch konkrete Übungen lernen Frauen, die Klitoris und Vagina verschiedenartig zu stimulieren und so zum Orgasmus zu kommen. Erst kürzlich hatte ich eine Patientin, die nach einer solchen Übung feststellte: "Wow, ich hatte noch gar nie einen richtigen Orgasmus. Das vorher war nur ein Kribbeln."

"Ein Viertel der Frauen sagen, dass sie nicht oder nur sehr schwer zu einem Orgasmus kommen."

Wie unterscheidet sich denn das Kribbeln von einem richtigen Orgasmus?

Das ist sehr individuell. Ein Indikator ist eine aufgeschwollene Klitoris, die extrem sensibel ist. Dann gibt es wenige Frauen, die "abspritzen".

Wie viele Frauen haben denn überhaupt Orgasmen?

Ein Viertel der Frauen sagen, dass sie nicht oder nur sehr schwer zu einem Orgasmus kommen. Einerseits gibt es Frauen, die physiologisch in der Region weniger empfänglich sind. Die meisten aber haben zu wenig experimentiert oder es fällt ihnen schwer, sich gehen zu lassen.

Was raten Sie diesen Frauen?

Wenn sie systematisch die Masturbationsübungen durchführen, dann kann es recht gut mit dem Orgasmus klappen. Man kann das also lernen.

"Es gibt Leute, die nach dem Sex weinen, traurig, aggressiv oder depressiv sind."

Warum sollten Frauen denn überhaupt masturbieren?

Studien zeigen, dass Masturbation einen positiven Effekt auf das physische und psychische Wohlbefinden hat – sofern es ihnen natürlich Spaß macht. Grundsätzlich unterschätzt man, wie wichtig eine gesunde Sexualität für die Lebensqualität ist.

Braucht es mehr Gelder für die Sexualforschung?

Absolut. Auf den ersten Blick scheint dies ökonomisch irrelevant. Aber wenn man berücksichtigt, dass Menschen mit sexuellen Problemen auch in Depressionen stürzen können, sieht es anders aus. Immerhin sind 60 Prozent der Bevölkerung davon betroffen.

Sie forschen auch zum Thema Postkoitale Dysphorie. Was ist das?

Es gibt Leute, die nach dem Sex weinen, traurig, aggressiv oder depressiv sind. Es gibt auch Männer, die zeigen Erkältungssymptome wie Schnupfen, Kopfweh oder leichtes Fieber. Hier kann es sich aber auch um das sogenannte postkoitale Krankheitssyndrom handeln.

"Der Nachteil eines großen Penis ist, dass die Männer im Alter eher Erektionsschwierigkeiten bekommen, weil mehr Blut fließen muss."

Warum reagieren Menschen mit solchen Gefühlsausbrüchen?

Das wissen wir noch nicht. Es ist möglich, dass sie durch die Hormonausschüttung einfach überwältigt sind. Es kann aber auch mit früheren schlechten oder Missbrauchserfahrungen zusammenhängen. Bei den gesundheitlichen Symptomen ist es denkbar, dass gewisse Männer allergisch auf ihr Ejakulat reagieren.

Zum Schluss noch vier Fragen unserer Redakteure: Der beste Porno aller Zeiten?

Ich persönlich mag die Filme von Andrew Blake.

Das beste Sex-Spielzeug?

Die Hand.

Die perfekte Penislänge?

Das hängt von der Anatomie der Frau ab. Der Nachteil eines großen Penis ist, dass die Männer im Alter eher Erektionsschwierigkeiten bekommen, weil mehr Blut fließen muss.

Liegt treu sein in unserer Natur?

Kurz und knapp gesagt, glaube ich nicht, dass Monogamie das natürlichste Verhalten für jeden Menschen ist. Aber für einige ist es sehr wichtig. Genau wie sexuelle Treue. Manchmal werden Ausrutscher jedoch auch überbewertet. Eine dreißigjährige Beziehung muss nicht notwendigerweise deswegen in die Brüche gehen.

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