Nahostkonflikt

So gespalten sind die Soldaten der israelischen Armee

Monatelang gingen Demonstrierende in Israel aus Protest gegen Ministerpräsident Benjamin Netanyahu auf die Straße – dann kam der 7. Oktober.

20 Minuten
So gespalten sind die Soldaten der israelischen Armee
Israelische Soldaten fahren einen Panzer an der Grenze zum Gaza-Streifen, vom Süden Israels aus gesehen, Sonntag, 4. Februar 2024. Die Armee kämpft gegen militante Palästinenser im gesamten Gazastreifen in dem Krieg, der durch den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst wurde.
Ariel Schalit / AP / picturedesk.com

Seit dem Hamas-Überfall vom 7. Oktober 2023 hat Israel für den Kampf im Gazastreifen und anderen Gebieten im Nahen Osten insgesamt bereits über eine halbe Million aktiver Soldatinnen und Soldaten sowie Reservepersonal mobilisiert. In ihrem Kampf gegen die Hamas-Terroristen bilden die israelischen Streitkräfte scheinbar eine geschlossene Front – die politischen Differenzen im Hintergrund sind aber extremer denn je.

Proteste gegen Netanyahu endeten abrupt

Denn im letzten Jahr kam es in Israel über Monate zu großen Protesten gegen eine von Benjamin Netanyahu angestrebte Justizreform. Diese hätte es dem rechten Ministerpräsidenten erlaubt, selbst Richter zu ernennen und so faktisch die Kontrolle über den obersten Gerichtshof zu übernehmen. Mit dem brutalen Überfall vom 7. Oktober fanden die meisten Proteste dann ein jähes Ende – das Land befand sich im Krieg.

"Kann verstehen, dass sie Israel hassen"

Doch auch im Kampfeinsatz haben die Soldatinnen und Soldaten der israelischen Armee ihre politischen Meinungen nicht abgelegt – und tun sich dementsprechend mehr oder weniger schwer mit ihrem Auftrag. "Ich kann es den Palästinensern angesichts der brennenden und ausgebombten Städte nicht übel nehmen, dass sie Israel hassen", sagt etwa Amos Atzmon im Gespräch mit CNN.

Er selbst habe einen engen Freund verloren, der bei Gefechten im Gazastreifen getötet wurde. "Ich bin in Gedanken bei den Leuten, die ihre ganze Familie bei Bombenangriffen verloren haben", so der 26-Jährige. Er wurde zu Beginn der israelischen Vergeltungsaktion eingezogen, kurz zuvor protestierte er wie Zehntausende Israelis noch auf der Straße gegen die Netanyahu-Regierung.

"Ich bin erschüttert über den Tod von Menschen in Gaza, von Kindern und älteren Menschen. Ganz normale Männer wie ich, wir wollen nicht sterben." Trotzdem habe er das Recht, sich und seine Liebsten zu verteidigen: "Was in den Kibbuzim geschah, war das Unmenschlichste, was ich je gesehen habe. Das sind keine Menschen, die ich verstehen kann", so Atzmon. Trotzdem hofft er auf einen Rücktritt und eine strafrechtliche Verfolgung Netanyahus.

Am anderen Ende des politischen Spektrums findet sich der 35-jährige Emmanuel, der derzeit im aktiven Dienst ist und deshalb nur mit Vorname genannt werden möchte. Er ist ein glühender Anhänger der rechten Regierung und hält es für nötig, dass Israel für die nächsten Jahre die komplette Kontrolle über den Gazastreifen hat.

"Israel soll Zugang zu jedem Dorf haben"

Wenn es nach ihm geht, soll im Gazastreifen ähnlich verfahren werden wie im Westjordanland – der Soldat nutzt für das Gebiet die israelische Bezeichnung Judäa und Samaria, der Name aus der jüdischen Bibel. "Die Palästinenser sollten ihr eigenes Gebiet kontrollieren, aber Israel soll Zugang zu jedem Dorf und jeder Stadt haben", so Emmanuel.

Einige israelische Politiker gehen noch weiter und fordern im Gazastreifen die Errichtung von jüdischen Siedlungen. Seit dem 7. Oktober hat die Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland enorm zugenommen – laut dem UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten wurden seither über 600 Palästinenserinnen und Palästinenser aus dem Westjordanland vertrieben, 120 weitere sollen bei Zusammenstößen mit israelischen Siedlern oder Soldaten, die die Siedler mit Waffengewalt schützen, getötet worden sein.

USA kritisiert israelisches Vorgehen zunehmend

Benjamin Netanyahu hatte bisher bestritten, dass Israel eine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens oder eine Vertreibung von dessen Bevölkerung plane – wohl nicht zuletzt, weil es angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gebiet auch vom Hauptverbündeten USA immer mehr Kritik gibt.

Für Mendel, der ursprünglich aus den Vereinigten Staaten stammt und sich nach einigen Jahren in Israel beim Militär gemeldet hatte, ist der Fall klar: "Die Politik spielt nicht wirklich eine Rolle. Wir sind in der Armee, um unsere Leute und uns gegenseitig zu schützen. Es spielt also keine Rolle, was man denkt, wie man aussieht oder woher man kommt", ist sich der 19-jährige Sanitäter sicher.

"Müssen uns mit unserem Handeln auseinandersetzen"

Das sieht Atzmon entschieden anders. "Es ist unsere Verpflichtung, uns mit unserem Handeln auseinanderzusetzen und darüber zu diskutieren", so der israelische Soldat. Denn der Unterschied, für seine Liebsten zu kämpfen und einfach aus Rache Leute zu töten, sei "sehr, sehr klein". "Wenn wir im Gazastreifen einfallen und aus reinem Rachedurst machen, was immer wir wollen, dann sind wir genauso schlecht wie die Hamas. Und das sind wir nicht – ich werde mich von ihnen nicht zu einem Mörder machen lassen."

1/52
Gehe zur Galerie
    <strong>30.04.2024: Angelina (15) totgefahren – keine Strafe für Lenker.</strong> Ein 55-Jähriger fuhr Angelina (15) mit dem Auto nieder, sie starb. Trotz Medikamenten-Überdosis wurden die Ermittlungen eingestellt. <a data-li-document-ref="120031802" href="https://www.heute.at/s/angelina-15-totgefahren-keine-strafe-fuer-lenker-120031802">Die ganze Story hier &gt;&gt;&gt;</a><a data-li-document-ref="120033152" href="https://www.heute.at/s/papas-leiche-lag-18-stunden-neben-sohn-auf-der-couch-120033152"></a>
    30.04.2024: Angelina (15) totgefahren – keine Strafe für Lenker. Ein 55-Jähriger fuhr Angelina (15) mit dem Auto nieder, sie starb. Trotz Medikamenten-Überdosis wurden die Ermittlungen eingestellt. Die ganze Story hier >>>
    Sabine Hertel, Google Maps, zVg
    20 Minuten
    Akt.