Politik
So wüst geht's in unserem Heer zu
Die Beschwerden beim Bundesheer sind im Vorjahr nahezu explodiert. 2011 gab es 504 derartige Meldungen an die parlamentarische Bundesheerkommission, das ist eine Zunahme um fast 50 Prozent gegenüber 2010 (337 Beschwerden).
Den Grund für diese Zunahme wisse man allerdings nicht, erklärte ÖVP-Kommissions-Vorsitzender Paul Kiss am Dienstag bei der Präsentation des Jahresberichts des Gremiums im Parlament.
Beschimpfungen:
Im Zuge der Grundwehrdiener-Ausbildung tätigten Unteroffiziere dem Bericht zufolge wiederholt Aussagen wie "I reiß da in Sack aus und scheiß da in Hals hinein!" oder "Ich bin umgeben von Vollidioten". Auch die Intelligenz der Rekruten wurde von Ausbildner recht derb in Zweifel gezogen: "Du hast einen Intelligenzquotienten wie eine Bodenfliese", "Sautrottel" oder "Depp". Auch Drohungen kamen vor: "Ich werde euch wetzen, bis ihr Blut speibts".
"Wer sudert, wird pudert"
Auch aus der Werbung nahmen Ausbildner Anleihe: Rekruten, die wegen einer Stehbefreiung bei der Exerzierdienstausbildung einen Sessel mitnehmen mussten, wurden "Möbelixkompanie" genannt. Beschwerden wurden mit derben Sätzen wie "Wer sudert, wird pudert" zurückgewiesen.
Schikanen:
Weil nach der WC-Reinigung durch einen Rekruten eine Schokoriegelverpackung auch nach mehreren Spülvorgängen obenauf schwimmend vorgefunden wurde, musste der Rekrut gemeinsam mit einem zweiten den gesamten Sanitärbereich erneut grundreinigen. Alle anderen Rekruten mussten in der Zwischenzeit mit dem (schweren) Kampfanzug 3 auf einem Hügel 30 bis 45 Minuten hinauf- und hinunterlaufen, bis die Reinigung erfolgreich abgeschlossen war.
Ein Grundwehrdiener, der als Kraftfahrer tätig war, sprach einen Oberst irrtümlicherweise als "Hauptmann" an. Der Oberst erteilte dem Rekruten daraufhin den Befehl, eine "Kampfdeckung" auszuheben. Da der Fortschritt seiner Bemühungen aufgrund der Bodenbeschaffenheit bescheiden war, musste der Rekrut dann an einem anderen Ort weitergraben - insgesamt zwei Stunden lang.
Die meisten Beschwerden betrafen Personalangelegenheiten (48 Prozent), etwa um nicht erfüllte Karrierewünsche oder um Schließungen von Standorten, was zu langen Anreise führe. 40 Prozent der Beschwerden bezogen sich auf den Bereich Ausbildung und Dienstbetrieb, weitere acht Prozent auf den Bereich der Versorgung. Zwei Prozent der Meldungen betrafen Fragen der militärischen Sicherheit, Disziplin- und Beschwerdeangelegenheiten; ein Prozent sonstige Angelegenheiten.
Unteroffiziere beschwerten sich am meisten
Von den Beschwerden waren 17 Prozent von Grundwehrdienern eingebracht worden - damit sank der Anteil der Beschwerden von Grundwehrdienern gegenüber 2010 wieder etwas (25 Prozent). Die meisten Beschwerden (46 Prozent) wurden erneut von Unteroffizieren eingebracht, gefolgt von Chargen (16 Prozent) und Offizieren (11 Prozent). Der Rest (zehn Prozent) kam von sonstigen Personen.
Starker Ansteig bei Beschwerden von Frauen
Signifikant zugenommen haben Beschwerden von Soldatinnen (von drei auf 15 Meldungen). Auch hier habe es sich in erster Linie um Personalangelegenheiten gehandelt, so die Kommission. Kiss betonte, die Frauen seien im Heer "voll akzeptiert". Darüber hinaus würde die Anwesenheiten von Soldatinnen in der Truppe das Verhalten der Männer deutlich verbessern.
Integration "kein Problem"
Ein besonderes Anliegen war Kiss auch das Thema Migration: Die Integration sei im Bundesheer "kaum ein Problem" - es gebe fast keine fremdenfeindlichen oder rassistischen Anwürfe, die Karrieren im Bundesheer stünden "allen offen". Die Kommission führt auch Beschimpfungen oder Schikanen von Soldaten durch Ausbildner oder Vorgesetzte als Beispiele für Beschwerden an, diese seien aber Einzelfälle, wie Kiss betonte. Er verwies auf die Gesamtzahl von rund 50.000 Personen, die im Heer Dienst machen, die Zahl der "Unbelehrbaren" sei gering.
"Jahr für Jahr haben wir diese Ausreißer", sagte er zu den entsprechenden Beschwerde-Fällen. Man lasse sich das Heer aber dadurch nicht in der Gesamtheit madig machen, betonte er. Insgesamt sei das Heer in den letzten zehn Jahren seiner Einschätzung nach professioneller geworden und könne sich mit anderen Unternehmen durchaus vergleichen.
Insgesamt wurden 3.421 Anfragen an die Kommission herangetragen. In 504 Fällen wurden Beschwerdeverfahren eingeleitet, 78 Prozent der Beschwerden wurde Berechtigung zuerkannt.