Oberösterreich

SPOÖ-Chefin: "Die vielen Kleinen baden alles aus"

SPOÖ-Parteichefin Gerstorfer erklärt, warum sie das Corona-Management des Landes scharf kritisiert und warum sich Orts-Chefs früher impfen ließen.

Peter Reidinger
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SPOÖ-Chefin Birgit Gerstorfer beim Zoom-Interview mit <em>"Heute".</em>
SPOÖ-Chefin Birgit Gerstorfer beim Zoom-Interview mit "Heute".
SPOÖ

"Heute": Was sagen Sie zu den Lockerungen der Maßnahmen? Ist das richtig?
Birgit Gerstorfer: Es ist eine Entscheidung, die besonders für die Schülerinnen und Schüler richtig ist. Es ist unbedingt erforderlich, dass die wieder in die Schule gehen können. Wenn die Vorsorgemaßnahmen und Sicherheitskonzepte im Handel eingehalten werden, ist das sicher auch richtig. Wir müssen uns Stück für Stück in den Lockerungen üben, weil es mit viel Sorgfalt zu beobachten ist, wie sich die Infektionszahlen entwickeln.

Gibt es etwas, auf das Sie sich persönlich jetzt nach den Lockerungen wieder freuen?
Ich war zum Beispiel kürzlich auf einem Begräbnis und derzeit weiß man nicht, wo man dann hingehen soll bei solchen Anlässen. Die Gastronomie, die Lokale, das geht schon am stärksten ab, weil das Orte sind, wo man sich treffen und austauschen kann – sowohl im privaten, als auch im beruflichen Umfeld.

"Es hinkt immer alles nach"

Die SPÖ hat zuletzt harte Kritik am Krisenmanagement des Landes geübt. Erste Wahlkampftöne?
Das hat nichts mit Wahlkampf zu tun. Es gibt einfach sehr sehr viel Missmanagement. Wir haben viele Knackpunkte, wenn es ums Testen geht. Etwa die Testmöglichkeiten zu den Weihnachtsfeiertagen mit einem Riesen-Ansturm. Da wurde viel zu wenig organisiert und viel zu wenig Geld in die Hand genommen. Es gibt Schwierigkeiten beim Impfen, das zeigt sich daran, dass man zum Beispiel die zweite Impfung nicht in allen Pflegeheimen rechtzeitig organisiert hat. Es hinkt immer alles hinten nach und es hätte alles viel besser organisiert werden können. Das hängt sicher mit einem gewissem Kostenbewusstsein zusammen.

Man hätte mehr Geld in die Hand nehmen sollen?
Ja und man hätte mehr organisieren sollen. Das was funktioniert hat, etwa die Massentests, das hat deshalb funktioniert, weil da die Gemeinden und die Freiwilligenorganisationen die Kohlen aus dem Feuer geholt haben. 

Wann sind in den Pflege- und Altenheimen endlich alle geimpft?
Das verzögert sich für manche Heime um eine Woche, sehr zu meinem Missfallen. Ich kann es aber nicht beeinflussen, weil für die Organisation des Impfens der Impfkoordinator und die Frau Haberlander zuständig sind. Am 24. Februar müssten laut Plan alle die zweite Teilimpfung erhalten haben. Aber wer weiß, was nächste Woche los ist... 

Lassen Sie sich selbst impfen?
Bekannterweise hatte ich Corona. Ich habe einen Antikörpertest gemacht und habe enorm viele Antikörper. Ich werde mich am Schluss impfen lassen, wenn meine Antikörper wieder abgeflaut sind – aber ich werde mich impfen lassen.

"Die Bürgermeister haben sich entschuldigt"

Bürgermeister als Impf-Vordrängler. Wie konnte das passieren?
Die Bürgermeister haben sich entschuldigt, das ist das Wesentliche. Auch da geht es ums Management. Wenn man die Heime auffordert, zu bestellen, und keiner weiß, dass in den Dosen sechs oder sieben Impfungen und nicht fünf drinnen sind, wenn dann alles vorgezogen wird, es zur Lieferung kommt und man plötzlich mehr Impfstoff hat, als vorher gedacht war, und wenn es dann den Auftrag gibt, dass kein Impfstoff übrig bleiben darf – dann passieren halt solche Dinge. Hätte man das ordentlich organisiert, dann wären sehr viele Fehler verhinderbar gewesen. Dort ist der Fehler.

Was halten Sie von den Corona-Demos, teils ohne Maske?
Ich finde das unverantwortlich. Wir sind eine Gemeinschaft, es ist erforderlich, dass wir aufeinander Rücksicht nehmen. 

Im Herbst sind Landtagswahlen. Was erwarten Sie sich in Prozent, auch wenn da Politiker Zahlen ungern sagen...
Die sagt man nicht ungern, die sagt man gar nicht (lacht). Meine Zielsetzung ist, dazuzugewinnen. Und: Ich will ein zweites Regierungsbüro haben. Da haben zuletzt ein paar Hundert Stimmen gefehlt. 

"Ich bin so verärgert" – Gerstorfer über Verbreitung der Südafrika-Variante

Mit welchen Themen wollen Sie punkten?
Die Themen der Sozialdemokratie haben Hochkonjunktur. Es geht um Arbeit schaffen, Arbeit sichern. Und z.B. darum, die Menschen in der Arbeitslosigkeit zu unterstützen. Und es geht um soziale Gerechtigkeit bei der Frage, wer das alles bezahlt. Ich bin so verärgert. Es kann nicht sein, dass sich ein paar Superreiche in ihrer Freizeit einen Urlaub in Südafrika leisten, dann mutierende Viren nach Österreich schleppen und dann baden das wieder die vielen Kleinen aus.

Sollte es als Konsumanreiz Schecks geben, etwa für Restaurants?
Wir haben einen Restaurantscheck gefordert, das wurde leider von ÖVP und FPÖ abgelehnt. Das würde aber nur einer bestimmten Gruppe nützen. Es geht um andere Konjunkturprogramme. Wenn die Leute einen Job haben, können sie konsumieren. Und die, die keinen Job haben, haben aktuell 55 Prozent Nettoersatzrate. Ein Gastro-Gutschein ist zwar super, aber das wirkliche Wirtschaftsbelebungsprogramm wäre die Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent.  

Normaler Alltag? "Keine Prognose"

Ihre Prognose: Wann wird unser Alltag wieder halbwegs normal sein?
Nicht, so lange nicht der erste Impfturnus mit rund der  Hälfte der Bevölkerung abgeschlossen ist. Das wird sich sicher bis in den Sommer, bis in die Wahlkampfzeit ziehen. Und dann ist noch die Frage: Wann können die Wissenschaftler endlich sagen, was es für eine geimpfte Person bedeutet: Kann ich nur nicht infiziert werden, aber selber das Virus weitergeben? So lange diese Fragen nicht beantwortet sind, kann man keine Prognose abgeben. 

Schon Urlaub gebucht für Sommer?
Hätten wir diesen Sommer nicht Wahlkampf, denn das schließt das Urlaub buchen aus, dann hätte ich mich vielleicht ein bisschen orientiert, was man machen könnte, aber gebucht sicher noch nicht, weil die Unsicherheiten zu groß sind...

... und wegen des Wahlkampfs geht es sowieso nicht in den Urlaub?
Ich werde mich diesen Sommer den Wählerinnen und Wählern in OÖ widmen und das, ohne das Land zu verlassen. Vielleicht gibt es mal ein Wochenende, an dem man mal schnell einen Ausflug oder Kurzurlaub macht, aber nichts über die Bundesgrenzen hinweg.