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Start-up erfindet desinfizierende Handy-Hülle

Auf Handy-Displays sammeln sich oft unzählige Viren und Bakterien. Um diese zu vernichten, hat ein Schweizer Start-up eine Hülle entwickelt, die Smartphones desinfizieren soll.

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    Diese Hülle soll Handys von Viren und Bakterien befreien.
    Diese Hülle soll Handys von Viren und Bakterien befreien.
    Fenicore GmbH

    Dass Smartphones Keimschleudern sein können, wird in den Medien immer wieder betont. Das Problem hat sich in der Corona-Krise aber nur noch verstärkt. Man kann sich nämlich noch so oft die Hände waschen, wenn man danach gleich wieder ans dreckige Handy fasst, bleiben die Keime sofort wieder an den Fingern kleben, heißt es. Das Gerät richtig zu reinigen, ist aber gar nicht so einfach.

    Wer die Displays von Telefonen mit Desinfektionsmitteln abwischt, läuft Gefahr, durch den Alkoholgehalt im Putzmittel die Schutzschicht des Bildschirms nachhaltig zu zerstören. Davon wird also abgeraten. Außerdem können Flüssigkeiten je nach Gerät leicht ins Innere gelangen und dort Schäden anrichten. Dieses Problems hat sich ein Schweizer Start-up angenommen und erklärt nun, eine Lösung gefunden zu haben.

    Ein neues Produkt

    Das Produkt heißt Exxy und ist eine Handy-Hülle, die das Gerät von Viren und anderen Krankheitserregern desinfizieren soll. Nicole Steiner, die Gründerin des Start-ups Fenicore, das Exxy produziert, erklärt: "Über 100.000 verschiedene Bakterien und Viren befinden sich auf unseren Handys, das Display ist sogar dreckiger als eine Toilette."

    Daher habe sie sich gefragt: Warum propagieren wir häufiges Händewaschen und -desinfizieren, wenn wir nur wenige Augenblicke später wieder zum Handy greifen? "Nach intensiver Recherche haben wir herausgefunden, dass es wohl Produkte zum Desinfizieren von Smartphones gibt. Diese benötigten aber entweder Strom, wie beispielsweise der UV-Sarg, in den man das Handy hineinlegen kann, oder sie sind aufwendig und verschwenderisch in der Handhabung", erklärt die Zürcherin.

    Labor in der Wohnung

    Daher haben sie und ihr Partner es sich zur Mission gemacht, eine einfache, nachhaltige und wiederverwendbare Lösung für dieses Problem zu finden. Nach viel Recherche kam schliesslich die Erleuchtung: die desinfizierende Wirkung von Silber.

    "Tatsächlich ist es heute möglich, mit Silber ionisierte Technologie-Stoffe herzustellen", erklärt Steiner. Diese haben eine antimikrobielle Wirkung, sind geruchshemmend und hautverträglich. Die Idee, aus diesen Stoffen eine Handy-Hülle herzustellen, lag also nahe. "Wir eröffneten in unserer Wohnung ein Labor und machten unsere eigenen, erfolgreichen Mikroben-Tests mit Smartphones und dem technologischen Silberstoff", erzählt Steiner. Die Materialien dafür stammten aus der Zürcher Stoff-Trucke und von einem lokalen Schneider.

    Funktioniert das wirklich?

    Dr. Peter Wick, Leiter der Abteilung Particles-Biology Interactions der Empa, bestätigt, dass Silber und insbesondere kolloides Silber für seine antimikrobielle Wirkung bekannt ist. "Es gibt einige wissenschaftliche Untersuchungen, die aufzeigen, dass Silber auch antiviral wirken kann – mindestens konnte gezeigt werden, dass die Menge an Viren – mitunter auch aus der Familie der Coronaviren – auf funktionalisierten Oberflächen um mehrere Zehnerpotenzen reduziert werden konnten."

    Wie überall mache die Dosis die Wirkung, und es sei nicht immer ganz einfach, die Freisetzung der Silberionen so zu steuern, dass genügend, aber nicht zu viele auf einmal freigesetzt werden. Ohne das Produkt Exxy zu kennen, könne Wick also kein abschließendes Urteil über dessen Wirksamkeit fällen. "Grundsätzlich ist der technische Ansatz aber nachvollziehbar", sagt er.

    Das Fachwissen für die Tests mussten sich die beiden in disziplinierter Weise selbst erarbeiten, da keine der beiden einen Hintergrund in Chemie oder Forschung mit sich brachte. "Unser Wissen wuchs in einer Kombination aus klassischer Bücherwurm-Arbeit und Standard-Heimlabor-Produktetests", erzählt Steiner, die früher als Marketing-Projektleiterin arbeitete. "So konnten wir sicherstellen, dass der Technologie-Innenstoff, den wir bei Exxy verwenden, diverse Zertifikate von unabhängigen Test-Instituten erhält."

    Wie lange muss das Handy desinfiziert werden?

    "Bis zum Endprodukt war es ein langer Weg. Wir sind stolz, dass uns mit der Exxy-Wunder-Handy-Hülle eine echte Erfindung und eine Neuheit gelungen ist", so die Zürcherin. "Das Produkt funktioniert, da Silberionen hochreaktiv sind. Sie schalten gewisse Aminosäuren und Proteine aus und töten damit die schädlichen Zellen auf dem Handy ab."

    Daher müssen Nutzer der Exxy-Hüllen ihre Smartphones nicht mehr lange abwischen oder mit potenziell schädlichen Mitteln reinigen. "Dabei ist es egal, ob das Handy nur fünf Minuten, den ganzen Tag oder die Nacht hindurch in die Hülle gesteckt wird. Klar ist: Je öfter und länger, desto besser ist auch der antimikrobielle Silber-Desinfektionseffekt", erklärt Steiner. Das Produkt ist seit Ende April 2020 auf dem Markt.

    Wie schmutzig sind Handys tatsächlich?

    Darüber, ob Smartphones tatsächlich die großen Keimschleudern sind, wie oft erwähnt wird, streiten sich Wissenschaftler. In einer Studie, über die TK.de berichtete, heißt es, dass sich auf dem Display mit der Zeit ein dichter Bakterienfilm bilde, in welchem sich rund 100 verschiedene Bakterienarten tummeln. Eine Studie aus dem Jahr 2015 besagt jedoch, dass sich pro Quadratmeter nur rund eine Bakterie auf dem Handy finden lasse.

    Der Mikrobiologe Markus Egert von der Hochschule Furtwangen schreibt in dieser Studie zudem, dass er es nicht für wahrscheinlich hält, dass Handys Virenschleudern sind. Das Robert-Koch-Institut hält sich diesbezüglich etwas allgemeiner: Wichtig sei vor allem eine gute Händehygiene. Stimme diese, könne auch das Smartphone nicht allzu sehr verschmutzt sein.

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