Politik

Strafe für schwänzende Abgeordnete "primitiv"

Heute Redaktion
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Eine Geldbuße für Abstimmungs-Schwänzer sei eine "primitive" Idee von Leuten, die nichts von parlamentarischer Arbeit verstehen. Das sagt Verfassungsexperte Öhlinger.

Abgeordnete, die bei Abstimmungen fehlen, sollen 50 bis 100 Euro Strafe zahlen. Mit diesem Vorschlag sorgen die beiden jungen ÖVP-Abgeordneten Johanna Jachs (27) und Klaus Lindinger (29) derzeit für Aufregung.

"Primitiv"

Verfassungsexperte Theo Öhlinger bezeichnet dies als "primitiv und populistisch", auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hält wenig davon.

Öhlinger findet in seiner Ablehnung drastische Worte. Geldstrafen seien eine "populistische Forderung für Menschen, die nicht sehen, was eigentlich im Parlament gearbeitet wird". Eine solche Maßnahme appelliere an ein "sehr primitives Verständnis von parlamentarischer Arbeit".

"Nicht wesentlich"

Ob ein Abgeordneter bei einer Abstimmung anwesend ist oder nicht, das sei nur ein Teil seiner Aufgaben. "Und es ist gar nicht der wesentliche Teil", so Öhlinger im Gespräch mit dem Radiosender "Ö1".

Die eigentliche Arbeit geschehe nämlich nicht im Plenum, sondern in den Ausschüssen. Dort werden etwa Gesetzestexte bearbeitet. Auch die Kontrolle der Regierung sei eine wesentliche Aufgabe.

Wähler informieren

Öhlinger sieht die Abgeordneten aber auch in der Pflicht, den Wählern genau das zu vermitteln. Was sie arbeiten, wofür sie im Nationalrat sitzen und ihr Geld verdienen. Auch die Arbeit im Wahlkreis gehöre dazu.

Die Ober-Schwänzer

Aber wen will die ÖVP mit so einem Vorschlag treffen? Das ist ziemlich klar. Einer Recherche der Plattform "Addendum" zufolge sind die Ober-Schwänzer bei der SPÖ daheim.

Der aktuelle ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian (SPÖ) hat bei 73,5 Prozent der bisherigen Abstimmungen gefehlt. Auf Platz Zwei der ehemalige Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Er fehlte bei 69,3 Prozent der Abstimmungen.

Ober-Schwänzer bei den übrigen Parteien sind Sepp Schellhorn von den NEOS mit 68 Prozent, Dagmar Belakowitsch (FPÖ) mit 55 Prozent Abwesenheit. Bei der sonst der disziplinierten ÖVP tanzt Karlheinz Kopf aus der Reihe, er fehlte bei 37 Prozent der Abstimmungen. Stephanie Cox von der Liste Pilz fehlte bei 18 Prozent.

Eine fast lückenlose Anwesenheit können im Gegenteil dazu Irmgard Griss und Gerald Loacker (NEOS) vorweisen. Sie waren bei 99,7 Prozent der bisherigen Abstimmungen anwesend. Bei der ÖVP ist Rudolf Taschner mit 99,4 Prozent der Spitzenreiter, fleißigster Abstimmer bei der FPÖ ist Alois Kainz.

Kritik an Kern

ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer schießt aufgrund dieser Statistiken scharf gegen den SPÖ-Chef. Klubobmann Kern sei offenbar so nicht im Parlament angekommen, stichelt er. Sein häufiges Fehlen hält er für "skandalös".

Dagegen stemmt sich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher: "Im engsten Familienkreis von SPÖ-Chef Christian Kern ist es heuer im Frühjahr zu einem schweren Pflege- und letztlich Todesfall gekommen. Christian Kern hat mehrere Plenartage im Nationalrat versäumt, weil er Wochen am Kranken- und Sterbebett dieses engsten Familienangehörigen verbracht hat."

Die Aussagen Nehammers bezeichnet Lercher als "Entgleisung" und "pietätlose Hetze". Bundeskanzler Kurz solle seinen Generalsekretär zur Räson bringen und solche "schmutzigsten Politattacken, die wir in Österreich je erlebt haben", stoppen. (red)