Ukraine

Strom, Vergewaltigungen – Opfer schildert Russen-Folter

Eine Ukrainerin (52) wurde im Juli von russischen Truppen entführt und in einem Folterzentrum gefangen gehalten. Nun schildert sie ihre Erlebnisse.

In diesem Keller in Balaklija  wurde ein provisorisches Polizeirevier der Russen errichtet. Hier soll auch gefoltert worden sein. Symbolbild.
In diesem Keller in Balaklija wurde ein provisorisches Polizeirevier der Russen errichtet. Hier soll auch gefoltert worden sein. Symbolbild.
REUTERS

Die zehn Tage, die sie in russischer Gefangenschaft verbracht hat, kamen Alla wohl wie eine Ewigkeit vor. Die 52-jährige Ukrainerin wurde in einem Schuppen vor einer medizinischen Klinik in ihrer Heimatstadt Isjum von russischen Soldaten vergewaltigt, geschlagen und mit Elektroschocks an den Füssen gefoltert. Jetzt, nach der Befreiung von Isjum Mitte September, erzählt die Frau ihre erschütternde Geschichte gegenüber der "Washington Post".

Der Terror habe schon kurz nach der Einnahme von Isjum im März begonnen, erinnert sich Alla. Ihr Sohn arbeitet für den ukrainischen Geheimdienst SBU, Alla und ihr Ehemann bei einem Gasunternehmen in der Region. Russische Beamte besuchten die Familie, um sie zu bedrohen. Sie fragten Alla, wo ihr Sohn sei, der bereits aus der Stadt geflohen war.

"Wir werden die Ukrainerin aus dir herausprügeln"

Die Beamten untersuchten ihr Handy, durchsuchten sogar das Haus nach Waffen. Sie sagten Alla, ihr würde nichts passieren, wenn ihr Sohn mit Russland kollaboriere. Mit jedem Besuch seien die Männer aggressiver geworden, erzählt die Ukrainerin. "Wir lebten in ständiger Angst."

Am letzten Junitag kam schließlich der von Russland ernannte Bürgermeister von Isjum in Allas Haus. Russische Geheimagenten begleiteten ihn. Sie forderten die Frau auf, an ihren Arbeitsplatz bei einem Gasunternehmen in Charkiw zurückzukehren, um bei der Wiederherstellung der Versorgung zu helfen. Alla weigerte sich. Sie betonte, dass sie nicht über das erforderliche Fachwissen verfüge. Einen Tag später kam eine Gruppe russischer Soldaten in ihr Haus – diesmal nicht, um zu reden.

Die Männer nahmen Alla und ihren Mann fest. Sie fesselten die Hände der beiden mit Klebeband, stülpten Säcke über ihre Köpfe und steckten sie in die Kofferräume zweier Autos mit dem russischen Z-Symbol.
Später warfen sie Alla in einen Schuppen und drohten: "Wir werden die Ukrainerin aus dir herausprügeln, du kommst hier nicht lebend raus." Ihr Mann wurde in einer nahegelegenen Garage eingesperrt.

Alla konnte ihren Mann schreien hören

Kurz nach ihrer Ankunft brachten sechs Männer Alla in einen anderen Raum. "Sie zogen mich gewaltsam aus, legten mich auf den Tisch und begannen, mich überall anzufassen", schildert die Frau. "Dann warfen sie mich auf die Knie und schrien: 'Weißt du, was wir mit ukrainischen Frauen und Müttern von ukrainischen Sicherheitsbeamten machen? Wir fesseln sie nackt auf dem Hauptplatz und schicken Bilder von ihnen an ihre Söhne, damit sie sehen, was wir mit ihren Eltern machen können'."

Alla weinte und schrie, während einer der Männer den anderen fragte, wer sie als erster vergewaltigen würde. Während sich einer der Soldaten an ihr verging, hörte sie ihren Mann im anderen Zimmer schreien.
Jedes Mal, wenn die Soldaten Alla während ihrer Haft weinen hörten, begannen sie, sie erneut zu schikanieren.

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    Nach dem russischen Rückzug aus der ukrainischen Stadt Isjum wurden erneut Massengräber entdeckt.
    Nach dem russischen Rückzug aus der ukrainischen Stadt Isjum wurden erneut Massengräber entdeckt.
    Evgeniy Maloletka / AP / picturedesk.com

    "Stromschlag. Unbekleidet. Schmerzhaft"

    Nach wiederholten Vergewaltigungen kamen die Elektroschocks. In dem Schuppen dokumentierte sie ihre traumatische Gefangenschaft. Mit einem Nagel ritzte sie ihren Namen an eine Wand und listete die Verbrechen auf. Journalisten der Washington Post besuchten den Schuppen. Noch heute seien die Worte zu erkennen: "Stromschlag. Unbekleidet. Schmerzhaft."

    Zehn Tage später brachten die russischen Soldaten Alla und ihren Mann bis zu einer Tankstelle und ließen die beiden schließlich frei.

    Als ukrainische Truppen etwa acht Wochen danach Isjum einnahmen, entdeckten sie zahlreiche Orte – ein Spital, eine Polizeiwache, einen Kindergarten – die von den Besatzern als Folterzentren benutzt worden waren. In einem Massengrab im Wald bei Isjum wurden zudem mehrere Hundert Tote entdeckt. Viele wiesen deutliche Folterspuren auf.

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