Ukraine

Teilmobilmachung: Putin-Vertrauter gesteht "Fehler" ein

Die Massenproteste gegen die Wladimir Putins Teilmobilmachung in Russland weiten sich aus. Jetzt gibt der Kreml erstmals "Fehler" dabei zu.

Roman Palman
Russlands Präsident Wladimir Putin während eines Besuchs in der Teilrepublik Dagestan im Jahr 2019.
Russlands Präsident Wladimir Putin während eines Besuchs in der Teilrepublik Dagestan im Jahr 2019.
Sputnik/Alexei Nikolsky/Kremlin via REUTERS

Der Kreml hat erstmals "Fehler" bei der von Wladimir Putin angeordneten Teilmobilmachung von 300.000 Reservisten für den Ukraine-Krieg eingeräumt. "In der Tat gab es Fälle, in denen gegen das Dekret verstoßen wurde", musste Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag vor der Presse zugeben. "In einigen Regionen arbeiten die Gouverneure aktiv daran, die Situation zu berichtigen. Wir hoffen, dass sich dies beschleunigt und dass alle Fehler korrigiert werden."

Unter anderem in Wolgograd (früher Stalingrad) war Medienberichten zufolge ein 63-jähriger, an Diabetes erkrankter Mann eingezogen worden – obwohl offiziell nur bis 55-Jährige kämpfen sollen. In der Region Burjatien traf es einen Vater von fünf Kindern. In Jakutien in Sibirien hatte Republikchef Aissen Nikolajew bereits vor den Mächtigen in Moskau von Fehlern durch die Wehrkreisämtern gesprochen: "Es wurden Reservisten fehlerhaft eingezogen, sie müssen zurückgeschickt werden."

Dmitri Peskow ist Wladimir Putins langjähriger Vertrauter und sitzt ganz oben im Moskauer Machtgefüge.
Dmitri Peskow ist Wladimir Putins langjähriger Vertrauter und sitzt ganz oben im Moskauer Machtgefüge.
REUTERS

Auf Nachfrage von Journalisten dementierte der Putin-Vertraute laut einem ORF-Bericht, Gerüchte wonach bereits am 28. September die Außengrenzen Russlands abgeriegelt und Kriegsrecht in einigen Grenzregionen eingeführt werden sollen, um so eine Flucht von wehrpflichtigen Bürgern zu verhindern: "Ich weiß davon nichts. Bisher sind keine Entscheidungen getroffen worden".

"Mobilmachung erhöht Kampfkraft nur minimal"

Russlands Präsident Wladimir Putin stößt mit der Teilmobilmachung für den Krieg in der Ukraine auch unabhängig der fehlerhaften Einberufungen laut westlichen Militärexperten auf große strukturelle Mängel. Zwar würden damit zusätzliche Kräfte freigesetzt, jedoch auf ineffiziente Weise und mit hohen sozialen und politischen Kosten im Inland, schrieb das in Washington ansässige Institute for the Study of War (ISW) in seinem neuen Lagebericht. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Mobilisierung die Netto-Kampfkraft der russischen Truppen dieses Jahr wesentlich erhöhen werde.

"Putin muss grundlegende Mängel im Personal- und Ausrüstungssystem des russischen Militärs beheben, wenn die Mobilmachung selbst längerfristig eine nennenswerte Wirkung haben soll", hieß es weiter. Sein bisheriges Vorgehen lasse aber vielmehr darauf schließen, dass er darauf bedacht sei, schnell Soldaten auf das Schlachtfeld zu schicken, anstatt diese Probleme zu lösen.

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Massiver Widerstand gegen Kriegsdienst

"Wie man sich zuhause den Arm bricht" war in Russland einer der meistgewählten Suchbegriffe auf Google, nachdem Putin vergangene Woche die Teilmobilmachung verkündet hatte. Die Suchanfrage war zuvor gar nicht aufgetaucht, schnellte nach der Ansprache Putins am vergangenen Mittwoch aber auf den Wert 38 auf einer 100er-Skala der Häufigkeit von Anfragen.

Denn viele Russen, denen eine mögliche Einberufung droht, versuchen mit allen Mitteln, der Rekrutierung zu entgehen. Schon jetzt ist die russische Sprache um ein neues Wort reicher geworden: "Mogilisazija" – eine Mischung aus den Begriffen "Mobilisierung" und "Grab". Nach wie vor stauen sich an den Grenzen zu Georgien oder Kasachstan – Länder, für die keine Visa nötig sind – die Autokolonnen, Flüge ins Ausland sind auf Tage ausverkauft oder bei weiten Zielen kaum zu bezahlen. Georgien hat allerdings mittlerweile seine Grenzen für Russen geschlossen.

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    Das eigene Volk übt in Russland nach der Teilmobilisierung nun den Aufstand gegen Wladimir Putin.
    Das eigene Volk übt in Russland nach der Teilmobilisierung nun den Aufstand gegen Wladimir Putin.
    ALEXANDER NEMENOV / AFP / picturedesk.com

    Bisweilen schlagen junge Männer aber auch andere Wege ein, um der Rekrutierung zu entgehen. Im Dorf Endirej in Dagestan etwa blockierten Anwohner eine Straße, um so die von Wladimir Putin angeordnete Teilmobilisierung zu behindern, wie OVD-Info am Sonntag mitteilte.  Auf Videos ist zu sehen, wie Polizisten Gewehre in die Luft richten, dann sind Schüsse zu hören. Laut dagestanischen Medien war der Protest eine Reaktion darauf, dass aus dem Dorf 110 Männer in den Krieg gegen die Ukraine gezwungen wurden.

    Mit Molotow-Cocktails gegen Rekrutierung

    In der russischen Teilrepublik Dagestan eskalierte am Wochenende in mehreren Orten der Widerstand gegen die Einberufungen. Frauen gingen mit Fäusten auf Polizisten los, weil sie verhindern wollten, dass ihre Männer, Söhne oder Brüder im Krieg in der Ukraine sterben. Viele riefen, dass sie nichts gegen Ukrainer hätten und deshalb nicht schießen würden auf sie. Ein Polizist feuerte mit einer Maschinenpistole in die Luft, um die wütende Menschenmenge zur Ruhe zu bringen. Zeitweise wurde auch eine Fernverkehrsstraße mit Sitzblockaden der Dagestaner gesperrt.

    An anderen Orten versuchen die Menschen offenbar, das Problem an der Wurzel zu packen, und fackeln Einberufungs- und Militärinstitutionen ab. Entsprechende Einträge auf Social Media zeigen angeblich ausgebrannte Gebäude die von den Behörden für die Rekrutierung genutzt werden. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Wehrpflichtiger in Urjupinsk im Oblast Wolgograd mit seinem Schiguli die Türe eines Rekrutierungsbüros rammt und danach Molotow-Cocktails gegen das Gebäude wirft.

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      Sven Hoppe / dpa / picturedesk.com