Digital

The Sinking City im Test: Atmosphärisch gewaltig

Der Mystery-Thriller The Sinking City nimmt Spieler mit in ein neues Lovecraft-Abenteuer. Die Atmosphäre entschädigt für einige Technik-Patzer.

Heute Redaktion
Teilen
Picture

Nachdem im Vorjahr Call of Cthulhu den Lovecraft-Fans und Mystery-Liebhabern ein Horror-Glanzstück in Videospielform abgeliefert hat, gibt es nun mit The Sinking City ab 28. Juni einen neuen Gruselspaß auf PC, Playstation 4 und Xbox One. Noch heuer soll zudem eine Version für Nintendos Hybridkonsole Switch erscheinen.

The Sinking City bringt die Spieler in die 1920er Jahre und zeigt sich als Action- und Detektiv-Abenteuer, das eindeutig von den Erzählungen von H.P. Lovecraft und dem Cthulhu-Mythos inspiriert ist. Als Kriegsveteran und Privatdetektiv Charles Reed, den mysteriöse Visionen quälen, reist man von Boston nach Oakmont, das auf keiner Karte zu finden ist.

Nicht nur plagen einige Bewohner von Oakmont ebenso die bizarren Visionen, auch verspricht ein zwielichtiger Mann namens Johannes van der Berg Antworten. Angekommen, wird Reed vom verunstalteten Robert Throgmorton angeheuert, das Rätsel um die anhaltende Überflutung von Oakmont sowie das Verschwinden seines Sohnes aufzuklären. Reed tritt damit eine Lawine an unheimlichen und rätselhaften Ereignissen los.

Selbst den Weg finden

Was dem Spieler nach den Anfangsszenen sofort auffällt, ist die spielerische Freiheit, die der Titel liefert. Hier wird eine offene Welt geboten, in der der Spieler nicht mittels Zielmarkern oder ähnlichem zu den wichtigen Missionen geführt wird. Es gilt, die Spielwelt wahrlich selbst zu erforschen. In Dialogen mit den Bewohnern und beim Durchschnüffeln von Habseligkeiten sollen die erhaltenen Hinweise kombiniert werden, um den weiteren Weg zu finden.

Weil sozial mehr Spaß macht!

Heute Digital ist auch auf Facebook und Twitter vertreten. Folgen Sie uns und entdecken Sie die neusten Trends, Games und Gadgets aus der digitalen Welt.

>>> facebook.com/heutedigital
>>> twitter.com/heutedigital

So kann es gut und gerne Dutzende Minuten dauern, bis man sich des nächsten Schritts bewusst wird. Was keine Kritik ist, denn viel zu wenige Spiele schaffen es heutzutage, den Spieler nicht an der Hand zu nehmen und ihm bei Spielen tatsächlich die Freiheit zu geben, eine Welt vollständig selbst zu erforschen. Besonders stark funktioniert das in The Sinking City, denn die Entwickler haben eine Stadt voll depressiver Atmosphäre, unheimlichen Vierteln und gruseligen Kreaturen geschaffen, wie es Lovecraft nicht besser hätte können.

Grafisch ein Wechselspiel

Apropos unheimliche Stadt: Wer die vielen Vorab-Trailer zu The Sinking City gesehen hat, könnte etwas enttäuscht sein, denn die Grafik des Titels ist zwar gut, aber doch leicht verstaubt. Egal ob menschliches Gegenüber oder Lovecraft-typisches Fischwesen, die Animationen haken oft und Details wie sich öffnende Fenster oder schwingende Türen fehlen manchmal komplett. Auch wenn eine Tür aufschwingt, tut sie das nicht, weil der Spieler sie mit der Hand öffnet – er rennt einfach dagegen. Das sieht seltsam und unpassend aus.

Auch kommt es immer wieder vor, dass Gebäude erst verspätet nachgeladen im Bild auftauchen. Ein etwas krasser Kontrast zu den tollen Lichteffekten und vor allem hochkarätig umgesetzten Videosequenzen. So deutlich die technischen Mängel sind, tun sie doch dem guten Gesamteindruck keinen Abbruch. In den Straßen und Gebäuden von Oakmont legt sich eine düstere, beklemmende Atmosphäre über den Spieler, die für eine ständige Anspannung sorgt.

Geniale Gedankenspiele

Was The Sinking City neben der Atmosphäre besonders macht, ist der detektivische Zweig des Spiels. Zum einen muss der Spieler selbst Orte auf der Karte markieren, die ihm suspekt vorkommen oder die vielleicht ein Geheimnis verbergen könnten. Außerdem sind Hinweise selbst zu kombinieren. Eine der ersten Szenen etwa: Ein Blutfleck mit davon wegführenden Fußspuren. Während in der Nähe aber kein Verletzter und keine Leiche zu finden ist, was tun? Nach Befragungen von Bürgern bekommt man einen vagen Hinweis auf das Aussehen des Betroffenen. Dass er beim örtlichen Arzt sein könnte, muss man wiederum selbst kombinieren.

Hat man alle Hinweise eines Falls beziehungsweise Schauplatzes gesammelt, kommen die Gedankenspiele dazu. Dazu lassen sich gefundene Hinweise miteinander verknüpfen, die so möglichst logisch zu einer Schlussfolgerung führen. Ist diese korrekt, kann man den entsprechenden Fall abschließen. Um die Hinweise zu kombinieren, kann der Protagonist eine Art Retrokognition aktivieren. Dieser Blick in die Vergangenheit zeigt dann einen Tathergang und die Geschichte dahinter.

Dem Wahnsinn entkommen

Bemerkenswert dabei ist, dass der Spieler selbst den Spielverlauf gar nicht so unbedeutend verändern kann. Verschiedene Dialogoptionen sind da noch der kleinste Stein. So können Ermittlungsergebnisse entweder dem Auftraggeber mitgeteilt oder das Geschehene lieber verschwiegen werden, wenn man auf die Gunst oder Missgunst der Beteiligten baut. Entsprechend verändert sich die Handlung des Spiels. Und das nicht in den Details, sondern über weite Strecken mit ganz neuen Storylines, Geschehnissen und Enden. Das gibt dem 20 bis 25 Spielstunden langen Abenteuer einen gewaltigen Wiederspielwert.

Nicht neu für Lovecraft-inspirierte Spiele ist dagegen ein Balken, der den Geisteszustand des Protagonisten zeigt. Erlebt Reed unerklärbare Phänomene oder entdeckt er unheimliche Gegenstände, sinkt der Balken Stück für Stück. Verfällt Reed dem Wahnsinn, legen sich apokalyptische Einblendungen über das Sichtfeld und sorgen zusätzlich für Stress beim Spieler. Stress gibt es auch deshalb, weil Kämpfe gegen Monster hier durchaus am Programm stehen. Bei der herrschenden Munitionsknappheit muss man allerdings bei jeder Patrone überlegen, ob man sie tatsächlich abfeuern will.

Etwas unglückliche Kamera

The Sinking City bietet zudem vieles typischer Action-Rollenspiele. Der Protagonist kann sich mit verschiedenen Waffen ausrüsten und gewisse Fähigkeiten rudimentär hochleveln. Mit in den Fällen erhaltenen Punkten lassen sich Kampfstärke und Gesundheit erhöhen, komplex wird das System dabei nicht. Wer stirbt, landet bei in der Welt verteilten Telefonzellen (die auch Schnellreisepunkte fungieren), die großzügig in der Stadt verteilt sind.

Sterben wird man alleine schon deswegen häufiger, da die Kameraperspektive im Kampf nicht optimal ist. Die nahe Third-Person-Kameraeinstellung sorgt immer wieder dafür, dass unser Protagonist Feinde mit seinem Körper verdeckt. Dazu gesellt sich auch ein etwas ruckeliges Zielen. Zumindest macht das Spiel eines von Beginn an klar: Meist ist man sowieso besser damit bedient, die Flucht vor Feinden anzutreten.

Atmosphärisch gewaltig

Die technischen Probleme von The Sinking City können und wollen wir gar nicht leugnen. Besonders bei den grafischen Fehlern sind Patches der Entwickler gefragt. Dennoch ist The Sinking City ein atmosphärisch gewaltiges Abenteuer, das den Spieler in bester Lovecraft-Manier in eine unheimliche Stadt mit seltsamen Gestalten und Dutzenden Mythen entführt. Wie das passiert, das zeichnet The Sinking City aus. An keiner Ecke, in keinem Schauplatz fühlt man sich wirklich sicher.

Spaß macht zudem, dass das Spiel den Spieler nicht wie ein Kleinkind an der Hand nimmt. Weder wird man durch Marker mit der Nase auf die Lösung gestoßen, noch übernimmt das Spiel ohne Zutun des Spielers irgendwelchen Game-Fortschritt. Ein Paradies für jene, die sich tatsächlich auf ein Videospiel einlassen wollen. Eine unglaublich dichte Atmosphäre, eine packende Handlung, wunderbar seltsame Figuren und eine tolle Prise Detektivarbeit machen aus The Sinking City einen düsteren Hit. (rfi)