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So spielt sich Clementines Finale in der Zombie-Welt

Die "The Walking Dead"-Spiele haben die TV-Serie zumindest was den Inhalt betrifft mittlerweile eingeholt. Nun endet das Game-Abenteuer.

Heute Redaktion
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Vom hilflosen Mädchen zur mutigen Nachwuchskämpferin: Die im ersten Abenteuer des Entwicklers Telltale vorgestellte Clementine hat Spieler auf der ganzen Welt bewegt. Die von Verlusten gebeutelte und doch immer ihre Hoffnung behaltende Überlebende sorgte für einige der bewegendsten Momente der Spielegeschichte. Nun verrät es bereits der Titel: In "The Walking Dead: Die letzte Staffel" endet Clementines Reise.

Gewohnt Telltale-gemäß hat der Entwickler die erste Episode ("Done Running") der vierten Spiele-Staffel für PC, PlayStation 4, und Xbox One sowie auch auf Nintendo Switch veröffentlicht. Einsteiger wie Kenner fühlen sich heimisch. Wer die vorigen Staffeln bereits gespielt hat, dessen damalige Entscheidungen werden auf Wunsch in die neue Staffel übernommen. Oder aber, man setzt wie die Neuanfänger auf die Schnellzusammenfassung am Anfang und trifft dort die wichtigsten Entscheidungen.

Das Game setzt dann etwas nach den Ereignissen von The Walking Dead: A New Frontier an. Wir erinnern uns (Vorsicht, Spoiler!): "Clem" verließ die Gruppe neuer Überlebender auf der Suche nach ihrem Schützling Alvin "AJ" Jr. Ob sie ihn fand, blieb damals unklar. Jetzt erfahren wir bereits zu Beginn: Sie sind nicht nur wieder glücklich vereint, sondern auch ein klein wenig gealtert. Clementine, jetzt eine Jugendliche, kurvt mit "AJ" auf Nahrungssuche in einem Wagen durch das Land, als ein Autounfall sie mitten in eine Untotengruppe schleudert.

Spieler bekommen nicht alles serviert

Dass Clementines Geschichte nicht nach diesen wenigen Augenblicken vorbei ist, dürfte klar sein. So wird die Nachwuchs-Kämpferin von einer Gruppe Jugendlicher gerettet und in ein vorerst sicheres Versteck, eine ehemalige Schule, gebracht. Dort muss sie sich allerdings erst einmal als Gruppenmitglied behaupten, denn Nahrungsmangel und angedeutete Machtkämpfe sorgen für Streitereien und etwas scheint hier auch so gar nicht zu stimmen. Es sind die Themen, die in den ersten Staffeln der TV-Serie begeistert haben, derer sich das Spiel nun bedient.

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Spielen tut sich "Die letzte Staffel" in gewohnter Manier, wobei doch an der einen oder anderen Schraube gedreht wurde. So ist "The Walking Dead: Die letzte Staffel" auch weiter ein interaktives Abenteuer, das fast wie von selbst abläuft und von den Spielern fast nur Entscheidungen, Antwort-Auswahlen in Gesprächen und Knöpfchen-Drücken bei Quicktime-Events erwartet. Aber: die Grafik wurde aufpoliert, das Spiel läuft nun unglaublich flüssig und es gibt auch "Belohnungen". Heißt: es können nicht nur Gegenstände gesammelt und damit ein Zimmer dekoriert werden, sondern wer die Umgebung nicht erkundet, verpasst auch die eine oder andere Interaktion und teils wichtige Geschehnisse. Die letzte Staffel serviert dem Spieler nicht alles auf dem Silbertablett. Gut so!

Episches Finale wird vorbereitet

Die erste Episode spart etwas mit Infos und auch Abwechslung, erzählt dafür eine solide und auf Clementine konzentrierte Geschichte. Zeitsprünge bleiben aus, "Clem" ist auch vorerst die einzige spielbare Figur. Das wird sich höchstwahrscheinlich ändern, denn unter anderem muss aufgeklärt werden, wie sie eigentlich "AJ" wiederfand. So bekommt der Spieler eine Episode, die ein episches Finale andeutet. Die Figuren werden umfassend eingeführt, die Handlung hetzt niemals voran. Und dass Clem für AJ zur Mentorin wurde, weckt Erinnerungen an Clems Ziehvater Lee und dessen tragisches Ende.

Nach drei Stunden in der ersten Episode muss man erst einmal durchatmen, denn Telltale hat wieder einen grandiosen Cliffhanger parat. Dann bleibt auch Zeit, die Neuerungen zu bewundern. Die Comic-Grafik ist fantastisch gelungen und zeigt keine Altersmängel anderer Telltale-Titel mehr. Besonders die Lichteffekte gefallen und die neue, nähere Schulter-Perspektive zieht den Spieler tiefer ins Geschehen hinein. Dazu gibt es eine frei bewegliche Kamera, ein Novum in der Serie.

Am Weg zu einem Pflicht-Spiel

Für die letzte Staffel von The Walking Dead haben sich die Entwickler nicht lumpen lassen. Besonders bei der Grafik gibt es viele Neuerungen und erzählerisch orientiert sich die Staffel vorerst auf die ruhigeren, atmosphärischen Stärken der ersten beiden Teile. Das minimalistische Gameplay bleibt erhalten, ist aber auch ein Markenzeichen der handlungsstarken "Walking Dead"-Staffeln. Clementines letzte Reise könnte der Serie nun die Krone aufsetzen, wenn das Niveau gehalten werden kann.

Den tollen Eindruck kann auch der zwischenzeitliche Durchhänger samt Firmenpleite von Telltale und Bangen um die restlichen Episoden keinen Strich durch die Rechnung. Skybound spreang mit Ex-Telltale-Mitarbeitern ein und sorgt dafür, dass die restlichen drei Episoden erscheinen werden – Teil 2 noch auf Steam für PC, ab Teil 3 dann im Epic Games Store.

Lasst die Kinder zu mir kommen

Nach dem Ende von Episode 1 geht Episode 2 gleich qualitativ und inhaltlich nahtlos weiter. Clem und AJ werden aus dem Kinder-Camp geworfen und müssen sich nicht lange alleine herumschlagen. Eine schicksalhafte Begegnung mit einer alten Bekannten lässt Blut fließen und die Spieler um AJ bangen. Auch wenn wir nun kaum mehr Verbündete haben, zwingt uns eine neue Bedrohung zurück zum Camp der Kinder, wo eine erste große Neuerung der Serie ansteht. Die feindliche Gruppierung der Raiders wollen die Schule überrennen und die Kinder mit Gewalt in ihre Reihen eingliedern.

Wie zuletzt Assassin's Creed Odyssey lässt auch The Walking Dead den Spieler Clementines Sexualität lenken. So kann sie sich je nach getroffenen Entscheidungen zu einem Kuss mit einer weiblichen oder männlichen Figur hinreißen lassen – oder beide verschmähen. So oder so, lange bleibt es nicht romantisch, denn die Raider greifen das Lager an, das man erst mit Fallen präpariert und dann im direkten Kampf verteidigt. Mit Pfeil und Bogen zielt und schießt der Spieler auf Eindringlinge, so viel Action und spielerische Freiheit gab es bisher noch nie. Am Ende pflastern Leichen das Gelände und einige unserer Freunde wurden gefangen genommen. Ein düsterer Abschluss der zweiten Episode.

Kaputtes Spielzeug

Mit Episode 3 zieht nun auch das Tempo gehörig an. Ruhig ist nur der Auftakt der wiederum rund zwei Stunden langen Episode. Nach den Todesfällen und Entführungen der zweiten Episode steht nun eine letzte große Feierlichkeit an, bevor die Kindergruppe in den Krieg zieht. Tiefgründige Gespräche, die die Figuren noch emotionaler an den Spieler binden, finden hier statt. Und was auch hier gesagt werden muss: Die Sprachausgabe ist hervorragend, so viel Gefühl in den Stimmen gibt es anderswo selten.

Der Rest der Episode ist voll nervenzerfetzender Spannung. Eigentlich hoffnungslos unterlegen, wird ein Boot der Raiders geentert, indem sich der Spieler in einer Zombie-Herde versteckt. Gefahr von allen Seiten, Nervenkitzel pur! Im Episodenende gipfelt das in einer Orgie der Gewalt: Eine abgeschnittene Zunge, eine Bombe und einige Tode sind zu erleben, bevor die Lage am Boot vollends eskaliert – und Clementine beobachten muss, wie ihr Schützling AJ in die Hände der Raider-Anführerin fällt. Ab­rupt endet Episode 3 – und lässt uns die vierte und letzte Episode kaum erwarten. Egal wie diese ausfällt: Mit The Walking Dead Die letzte Staffel haben die Entwickler Clementine ein Denkmal gesetzt, dass der "The Walking Dead"-Heldin würdig ist.

Bring uns zurück

Mit der vierten Episode schließt sich der Kreis um Clementine. Sie setzt direkt an der Stelle ein, in der wir Episode 3 verlassen haben. Nach der missglückten Rettungsaktion an Bord des Raider-Boots stehen erst einmal emotionale Gespräche unter der Überlebenden an, bei denen keine der Dialogoptionen wirklich attraktiv erscheint. Gleichzeitig wird es aber interessant, denn ein Gespräch mit AJ ist der Höhepunkt von allem, was wir in den vorigen Episoden unserem Schützling beigebracht haben – und nun liegt es an uns zu entscheiden, ob AJ allein handeln kann oder ob wir als sein Beschützer versagt haben. Allerdings zeigt sich hier auch ein Problem des Schützling-Aufbaus: Egal welche Entscheidungen wir getroffen haben und was wir AJ zugemutet haben, es läuft alles auf eine Frage mit zwei Antwortmöglichkeiten hinaus

. Stattdessen hätten wir gerne mehr Nuancen oder gar differenzierte Storylines gesehen. Infolge hat man zwar das Gefühl, dass vieles in der Handlung automatisiert abläuft, dennoch glänzt die letzte Episode mit zwei, drei guten Szenen. Das Ende bleibt aber insgesamt eher zurückhaltend. Eines bietet es aber: Den großen Schluss, den sich Clementine wahrlich verdient hat, ohne etwas offen zu lassen. Dafür gibt es dann aber, ohne zu viel zu verraten, einen düsteren Teil im Epilog sowie endlich die Antwort darauf, was zwischen der vorigen und aktuellen Staffel passiert ist. Das Ende wird vermutlich nicht jeden Spieler zufriedenstellen. Gesehen haben sollte es aber trotzdem jeder, denn eine großartige "The Walking Dead"-Staffel wird mit einem gebührenden Ende geschlossen.