Coronavirus

"Theater, abrupt": SP-Länder gehen auf Minister los

Die SPÖ-regierten Bundesländer schießen sich weiter auf den Gesundheitsminister ein. Am Dienstag wurden neue Corona-Regeln samt Quarantäne-Aus verkündet.

Nikolaus Pichler
Gesundheitsminister Johannes Rauch stellte am Dienstag neue Corona-Maßnahmen vor.
Gesundheitsminister Johannes Rauch stellte am Dienstag neue Corona-Maßnahmen vor.
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Die SPÖ-geführten Bundesländer haben am Dienstag ihre Kritik an dem von der Regierung verkündete Aus für die Corona-Quarantäne bekräftigt. Sowohl Wien als auch das Burgenland und Kärnten sind damit nicht einverstanden. Die Ärztekammer forderte begleitende Maßnahmen.

Wiens SPÖ-Stadtrat Peter Hacker äußerte im Gespräch mit der APA die Befürchtung, dass im Herbst ein neuer Lockdown drohen könnte. "Das Theater für Herbst und Winter ist vorprogrammiert", meinte der SP-Stadtrat: "Spätestens im September fliegen uns die Zahlen um die Ohren." Es sei zu befürchten, dass im Herbst in einigen Bundesländern die Spitäler wieder überlastet sein werden. Zum Teil sei das jetzt schon der Fall.

Hacker gibt diesen Hinweis

Der Wiener Stadtrat verwies darauf, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO die Situation als besorgniserregend eingestuft und zu Maßnahmen aufgefordert habe. Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe ebenfalls vor Lockerungen gewarnt. "Nur wir bilden uns ein, es besser zu wissen", kritisierte Hacker, dass der Bund die Pandemie für beendet erkläre.

Er beklagte einmal mehr, dass die drei SPÖ-geführten Bundesländer die Unterlagen erst während der gestrigen Bund-Länder-Runde erhalten haben. "Zusammenarbeit ist keine Einbahnstraße", merkte er an. Ob Wien nun eigene, strengere Maßnahmen trifft, könne man erst sagen, wenn man - in zwei bis drei Tagen - diese Unterlagen durchgearbeitet hat. Dass Wien bei der Quarantäne bleibt, wenn sie der Bund abschafft, schloss Hacker aber wie schon am Vortag Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) aus. Das mache angesichts der rund 300.000 Menschen, die täglich nach Wien pendeln, keinen Sinn. Entschieden trat Hacker dem Vorwurf entgegen, dass nur Wien die Daten nicht ins Spitalsregister einmelde. Das sei eine "echte Falschmeldung".

Doskozil beharrt auf Position

Aus dem Büro von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) hieß es am Dienstag auf APA-Anfrage nur, seine Position sei bereits hinlänglich kommuniziert worden. Doskozil hatte sich gegen eine "abrupte Abkehr" von der Quarantäne-Regelung ausgesprochen. Dafür würden Entscheidungsgrundlagen und Expertenempfehlungen fehlen, unter anderem in Hinblick auf den Schutz besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen. Einen stufenweisen Strategiewechsel hätte sich der Landeshauptmann hingegen vorstellen können.

Kärntens Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) zeigte sich nach einer Videokonferenz der Landesgesundheitsreferenten mit dem Gesundheitsminister enttäuscht. "Wir hätten uns zumindest heute erwartet, die 180-Grad-Kehrtwende im Umgang mit Corona, nämlich das geplante Aus für die Quarantäne, zu diskutieren." Tatsächlich sei das Thema in 20 Minuten abgehandelt worden, offene Fragen würden bleiben. Dabei gehe es um die Aufgabe "des letzten Instrumentariums zur Einbremsung von Corona". Prettner sorgt sich, dass nun noch mehr Mitarbeiter im Gesundheits- und Pflegebereich krankheitsbedingt ausfallen werden. "Die Personalsituation wird sich verschärfen." Zudem sei völlig unklar, wie man in Zukunft "risikobehaftete Mitarbeiter von infizierten Arbeitskollegen trennen und damit schützen" könne. Die SPÖ-Politikerin kritisierte, dass laut Ministerium keine zusätzlichen Mittel für Begleitmaßnahmen wie Abwassermonitoring und Besuchermanagement in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen angedacht seien. Weiters bemängelte sie, dass die neuen Erlässe noch nicht vorliegen würden.

Ärztekammer fordert weitere Maßnahmen

Tirols Gesundheitslandesrätin Annette Leja (ÖVP) war indes der Meinung, dass die "gegenwärtigen milden Varianten" die "jüngsten Entscheidungen" zuließen. Das Land trage die "Maßnahmen und Einschätzung der Expertinnen und Experten mit", beteuerte Leja auf APA-Anfrage und unterstrich: "Künftig gilt umso mehr: wer krank ist bleibt zu Hause. Fakt ist, dass jetzt auch die Bevölkerung gefordert ist, denn damit wird Eigenverantwortung wichtiger denn je." Vor allem ältere Menschen und Risikogruppen müssten geschützt werden, dafür sei ein aufrechter Impfschutz unverzichtbar, wurde Leja nicht müde zu betonen.

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    v.l.n.r.: Chief Medical Officer <strong>Katharina Reich</strong>, Gesundheitsminister <strong>Johannes Rauch</strong> (Grüne) und Arbeitsminister <strong>Martin Kocher</strong> (ÖVP) am 26. Juli 2022.
    v.l.n.r.: Chief Medical Officer Katharina Reich, Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) am 26. Juli 2022.
    GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

    Ärztekammer-Präsidet Johannes Steinhart nahm das Aus für die Quarantäne zur Kenntnis, forderte aber begleitende Maßnahmen. Sollten restriktivere Maßnahmen aufgrund der Datenlage nötig sein, müsse die Politik rasch reagieren. Jedenfalls brauche es aber "sofort zur Überwachung der Situation ein Wiederhochfahren des Testregimes in Ordinationen bei asymptomatischen Patientinnen und Patienten", meinte Steinhart in einer Aussendung. Über Krankenstand und Bewegungseinschränkungen sollten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte entscheiden, forderte der Kammer-Präsident.