Wildtiere

100 Millionen Haie getötet – kommt globaler Schutz?

In den letzten 50 Jahren ging die Haipopulation um 70 Prozent zurück und jede zweite Haiart ist massiv vom Aussterben bedroht. Kann die EU helfen?

Christine Kaltenecker
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Jedes Jahr sterben 100 Millionen (!) Haie.
Jedes Jahr sterben 100 Millionen (!) Haie.
© Jim Abernethy

Wien, 3.5.2022. Haie zählen zu den am stärksten gefährdeten Tiergruppen. Heute ist weltweit jede zweite Hai-Art bedroht. Gründe dafür sind die Zerstörung des Lebensraums und der Handel mit Haifleisch und Haiflossen, dem jedes Jahr mehr als 100 Millionen Haie zum Opfer fallen. Europa spielt eine zentrale Rolle beim unregulierten Handel mit Haiflossen und -fleisch und damit dem Niedergang vieler Haiarten – das zeigt ein neuer Bericht. Der IFAW (International Fund for Animal Welfare) und die Meeresschutzorganisation OceanCare fordern die Staaten der EU dazu auf, bei der im Herbst stattfindenden Artenschutzkonferenz einen zukunftsweisenden Schritt für den Schutz der Haie zu gehen. Die Zeit drängt!

Europa wird unterschätzt

In den letzten 50 Jahren sind die Haipopulationen der offenen See um etwa 70 Prozent zurückgegangen. An jedem fünften untersuchten Riff sind die Haipopulationen funktionell ausgestorben, was enorme Folgewirkungen für die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme nach sich zieht. Hauptdrehscheiben des weltweiten Handels mit Haifleisch und -flossen sind Hongkong, Taiwan und Singapur. Jedoch wird die Rolle der europäischen Staaten als Lieferanten oft unterschätzt. Im Zeitraum 2003 bis 2020 kamen durchschnittlich 28 Prozent der Lieferungen von Haiflossen auf die obigen Marktplätze aus EU-Mitgliedstaaten, vor allem aus Spanien – in absoluten Zahlen 10.465 Tonnen pro Jahr. Im Jahr 2020 betrug der EU-Anteil sogar 45 Prozent!

Kaum feststellbar bei abgetrennten Flossen

Dieser Handel geschieht weitgehend unreguliert. „Von den Hai-Arten, die im Handel zu finden sind, sind 70 Prozent gefährdet. Aber nur 25 Prozent sind vom Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) erfasst, das den internationalen Handel so regeln soll, dass Arten nicht aufgrund des Handels aussterben. Überdies ist bei abgetrennten Flossen und bei Fleisch oft kaum noch festzustellen, von welcher Art sie stammen. So werden die Flossen vom Aussterben bedrohter Haie zusammen mit solchen von noch häufigeren Arten gehandelt“, erklärt Andreas Dinkelmeyer, Campaigns und Communication Manager, IFAW in Deutschland.

"Europa hat die Wahl, ob es das Überleben von Haien weiter gefährden oder eine zentrale Rolle bei ihrem Schutz einnehmen möchte“

Eine zentrale Forderung ist, den Handel mit betroffenen Hai-Arten streng zu regulieren. Die EU hat selbst einen wichtigen Schritt in diese Richtung gesetzt und für die im November stattfindende CITES-Vertragsstaatenkonferenz die Aufnahme der Familie der Hammerhaie in Anhang II vorgeschlagen. Das Gastgeberland der Konferenz, Panama, hat den Hai in das Konferenzlogo aufgenommen und wird selbst einen Antrag auf Listung der Familie der Requiemhaie einbringen. Die EU, die bei CITES immer als einheitlicher Block abstimmt, ist hier aufgerufen, sich ihrer Verantwortung für den Haischutz zu stellen und den Antrag Panamas mitzuunterzeichnen.

„Europa hat die Wahl, ob es das Überleben von Haien weiter gefährden oder eine zentrale Rolle bei ihrem Schutz einnehmen möchte“, sagt Nicolas Entrup, Leiter Internationale Zusammenarbeit bei OceanCare. „Wir appellieren an die österreichische Regierung, die sich international als ‚Blue Leader‘ zum Schutz der Ozeane verpflichtet hat, dem Haischutz innerhalb der EU sowie global Gewicht zu verleihen!“