Österreich

Essen von toter 41-Jähriger lag 6 Tage im Spitalskas...

Heute Redaktion
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Sonja (41) starb letzten Donnerstag im Wr. Neustädter Spital, nachdem sie nicht mehr auf die Intensivstation verlegt worden war. Neben Partner bestätigen jetzt Freunde mutmaßliche Missstände.

Nach längerem Leidensweg starb Sonja Labidi am letzten Donnerstag (26. März) im Wr. Neustädter Spital. Der langjährige Lebenspartner, Martin Hauser (50) aus Theresienfeld (Bezirk Wr. Neustadt) macht dem Spital schwere Vorwürfe: Es seien ärztliche und vor allem auch hygienische Fehler passiert - die erst 41-Jährige hatte im September 2019 einen Infarkt erlitten, fing sich dann einen multiresistenten Keim ein, starb an einem septischen Schock ("Heute" berichtete).

3 Stunden Warten auf Zahnpflege

Beinahe im Stundentakt meldeten sich am Donnerstag per Telefon, Mail oder SMS Bekannte, Zeugen, Angehörige. Hier ein Auszug der erschütternden Erzählungen.

Matthias K. sagte: "Mit Bestürzung musste ich heute die Stellungnahme der Holding in der "Heute" lesen. Auch ich habe Frau Labidi im Krankenhaus Wiener Neustadt besucht und musste teils katastrophale Zustände mitansehen. Angefangen von Lagerungsschäden bis hin zur Hygiene. Mehr als verwundert war ich, als Sonja Hilfe beim Zähneputzen brauchte und drei Stunden niemand kam."

Verfaultes Essen im Kasten

Franz B. schrieb per Mail: "Mein Name ist Franz B. Ich empfinde das Statement der Holding als bodenlose Frechheit. Da ich persönlich von Anfang an jeden Tag dabei war (Anm.: Herr B. chauffierte Herrn Hauser täglich ins Spital) und ich auch bei Arztgesprächen als Zeuge anwesend war, kann ich Herrn Hausers Vorwürfe zu 100 Prozent bestätigen. Und ich war auch gestern dabei, als er weinend das verfaulte Essen von Sonja (Anm.: ihre letzte Mahlzeit) entsorgen musste. Das Essen war sechs Tage alt und lag noch immer im Kasten des Zimmers."

Eine gute Freundin der Toten (Name der Redaktion bekannt): "Ich kann die Vorwürfe von Herrn Hauser nur bestätigen. Was ich ergänzen will: Ein Arzt, der nach dem Urlaub seinen Dienst wieder antrat und Sonja sah, war sehr erstaunt, dass man ihr die abgestorbenen Fußteile noch immer nicht amputiert hatte. Er schob sie sogleich in seinen engen OP-Terminkalender ein und dann wurde sie operiert. Sonja machte auf mich zuletzt einen guten Eindruck, war voller Zuversicht und dann diese Schreckensnachricht."

"Sonja starb allein"

Ein Verwandter der Toten sagt: "Die hygienischen Zustände in Wr. Neustadt sind nicht zu verstehen. Das Personal hat das Zimmer ohne Schutzkleidung betreten. Obwohl gleich mehrere Patienten mit Infektionen auf der Abteilung lagen. Ich hatte das Gefühl, dass Sonja dem Personal lästig war, weil eben Schutzkleidungs-Pflicht bestand. Das Schlimmste: Sie musste alleine sterben. Aus meiner Sicht war ihr ganzer Aufenthalt von Fehlern und ärztlicher Ignoranz durchzogen."

"Im Zimmer roch es nach Stuhl"

Eine Schwester der Toten (Name d. Red. bekannt) berichtet: "Mir fehlen teilweise die Worte, was die Hygiene und Betreuung auf der Normalstation im Krankenhaus Wr. Neustadt anbelangt. Bei einem Besuch von mir stand ein nicht entleerter Leibstuhl im Krankenzimmer - aufgrund der extremen Geruchsbelastung fiel mir das Atmen sogar trotz Schutzmaske schwer. Der Stuhl wurde laut Auskunft meiner Schwester seit dem Morgen nicht entleert - und genauso roch es in ihrem Zimmer auch. Bei meinem Besuch war es circa 14.30 Uhr. So etwas darf einfach nicht vorkommen.

Dass das Personal nicht immer Schutzkleidung bzw. oft nicht vollständige Schutzkleidung getragen hat, ist mir auch aufgefallen.

Die Verständigung von uns Angehörigen erfolgte viel, viel zu spät - wie so manches während des gesamten Krankenhausaufenthaltes!"

Ein Spitalsmitarbeiter (der anonym bleiben muss) zu den Vorwürfen: "Ich will jetzt nichts Spezifisches zu diesem Fall beitragen. Aber generell etwas zur Hygiene und Schutzkleidung auf Isolierstationen: Das Anlegen der Schutzkleidung wird vom Personal doch sehr vernachlässigt - großteils aus Gründen der heillosen Überlastung, teils auch aus Ignoranz. Die Pflegekräfte sind großteils am Limit."

Holding wehrt sich

Die Holding selbst nahm zu den Vorwürfen von Herrn Hauser bereits am Mittwoch Stellung: Die Holding drückte den Angehörigen ihr Bedauern zum Ableben der Patientin aus. "Aufgrund eines schweren, verschleppten Infarktes und trotz intensiver medizinischer Behandlung über Monate haben andere Organe Schaden genommen", so Holding-Sprecher Bernhard Jany.

"Es ist uns wichtig zu sagen, dass die Thematik COVID-19 in absolut keiner Weise mit den Entscheidungen rund die besagte Patientin zusammenhängt. Weder war dies ein COVID-19-Verdachtsfall, noch wurde ihr ein Intensivbett verwehrt, um Kapazitäten vorzuhalten. Aus medizinischer Sicht musste leider so entschieden werden, dass ein nochmaliger Intensiv-Aufenthalt keine Besserung mehr bringen würde – und kurz darauf ist sie verstorben. Und der Lebensgefährte wurde auch telefonisch kontaktiert, um ihm die Möglichkeit zu kommunizieren, sich von seiner Partnerin zu verabschieden", stellt Jany weiters klar.

Patientenanwalt aktiv

Der mittlerweile informierte Patientenanwalt Gerald Bachinger am Donnerstag zu "Heute": "Wir stehen bereits in Kontakt mit Herrn Hauser, es fehlen noch Unterlagen, sobald er sie uns schickt, leiten wir ein offizielles Ermittlungsverfahren ein.

Zusätzlich werde ich wegen der beschriebenen Qualitätsmängel Kontakt mit dem Qualitätsmanagement der Landesklinikenholding aufnehmen." Für das Personal und das Spital gilt die Unschuldsvermutung.