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Trainierte Bienen erkennen Covid-19-Infektionen

Forschenden aus den Niederlanden ist es gelungen, Honigbienen darauf zu trainieren, mit Covid-19 infizierte Proben zu identifizieren.

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Bienen können so viel mehr, als nur Pollen zu sammeln. (Symbolbild)
Bienen können so viel mehr, als nur Pollen zu sammeln. (Symbolbild)
Getty Images/iStockphoto

Rüssel raus heißt positiv – so lässt sich die Funktionsweise des tierischen Coronatests von niederländischen Forschern wohl am besten auf den Punkt bringen. Das Team um Wim van der Poel vom bio-veterinärmedizinischen Forschungslabor der Universität Wageningen hat mit Unterstützung der Firma Insect Sense Bienen beigebracht, Corona-positive von Corona-negativen Proben zu unterscheiden.

Um die Insekten auf den Geruch einer mit Covid-19 infizierten Probe zu trainieren, wendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die pawlowsche Konditionierung an: Immer wenn die Tiere mit einer tatsächlich belasteten Probe konfrontiert wurden, gaben sie ihnen im Anschluss zur Belohnung eine zuckerhaltige Lösung. Saßen die Tiere vor einer Probe ohne Covid-19-Infektion, erhielten sie keine Belohnung.

Innerhalb kurzer Zeit hatten die Bienen das Prinzip verinnerlicht und streckten immer, wenn sie vor einer Corona-positiven Probe saßen, in der Hoffnung auf Zuckerwasser ihre Zunge raus. Die Forschenden werten das als eindeutiges Zeichen für eine vorliegende Infektion.

Pawlowsche Konditionierung

Der russische Forscher Iwan Petrowitsch Pawlow hatte während seiner Experimente beobachtet, dass bei Zwingerhunden schon die Schritte des Besitzers Speichelfluss auslösten, obwohl noch gar kein Futter in Sicht war. Er vermutete, dass das Geräusch der Schritte, dem regelmäßig die Fütterung folgte, für die Hunde mit Fressen verbunden war. Um diese Hypothese zu prüfen, gestaltete er 1905 ein aussagekräftiges Experiment: Auf die Darbietung von Futter folgt Speichelfluss, auf das Ertönen eines Glockentons nichts. Wenn aber der Glockenton wiederholt in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Anbieten von Futter erklingt, reagieren die Hunde schließlich auf den Ton allein mit Speichelfluss. Dieses Phänomen bezeichnete Pawlow als Konditionierung. Dafür wurde er 1904 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Schnell und zuverlässig

Für das Anzeigen eines positiven Testergebnisses benötigen die Tiere laut Mitteilung nur wenige Minuten. Damit würden tierische Corona-Tests in dieselbe Kategorie wie die Antigen-Schnelltests fallen. Allerdings dürften sie zuverlässiger sein als diese.

Zwar steht noch nicht definitiv fest, mit welcher Treffsicherheit die Bienen ans Werk gehen, die Forschung läuft noch. Aber das Team um van der Poel geht davon aus, dass der tierische Corona-Test zu rund 95 Prozent zuverlässig ist. Vorausgesetzt, es schnüffeln mehrere Bienen an einer Probe. Damit würde er in derselben Liga wie die als Goldstandard geltende PCR-Tests spielen, deren Ergebnis erst nach Stunden oder Tagen vorliegt. "Unser erstes Ziel war es, zu zeigen, dass wir Bienen so trainieren können, und das ist uns gelungen", zitiert die "Washington Post" van der Poel. "Und jetzt rechnen wir und arbeiten weiter, um zu sehen, wie empfindlich die Methode ist."

Große Hoffnungen, leise Zweifel

Sollten sich die Annahmen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestätigen und die tierischen Tests tatsächlich irgendwann zum Einsatz kommen, wäre es nicht das erste Mal, dass man bei großen Fragen auf die kleinen Tiere setzt – sowohl bei der Identifizierung von Krankheiten als auch beim Aufspüren von Sprengstoffen und Landminen.

Bei all diesen Einsätzen machen sich die Menschen den extrem guten Geruchssinn der Bienen zunutze. Dank der rund 60.000 Duftrezeptoren auf ihren beiden Antennen können sie flüchtige Stoffe mit einer Empfindlichkeit von einem Teil pro Billion erkennen. So können sie etwa Blumen aufspüren, die mehrere Kilometer entfernt sind. "Wenn das funktioniert, kann es sehr schnell und sehr billig sein", so van der Poel zur "Washington Post". "Das wäre sehr praktisch", vor allem in Ländern, in denen es kaum Tests gibt.

Doch es gibt auch skeptische Stimmen wie die von Dirk de Graaf, Bienenexperte von der Universität Gent in Belgien: Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagte er, dass er nicht sicher sei, ob Coronavirus-schnüffelnde Bienen in naher Zukunft Labortests ersetzen könnten: "Es ist eine gute Idee, aber ich würde es vorziehen, Tests mit den klassischen Diagnoseinstrumenten durchzuführen, anstatt Honigbienen dafür zu verwenden." Er liebe die Tiere, "aber ich würde die Bienen für andere Zwecke einsetzen als zum Nachweis von Covid-19."