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Traumjob E-Sportler: Wenn Gamen zum Beruf wird

Immer mehr Menschen wollen professionell gamen. Geschafft hat es Leandro Curty (18). Er ist der beste "Fifa"-Spieler der Schweiz.

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    Leandro Curty gewann im Juli 2020 die Schweizer Meisterschaft. Der 18-jährige will den Titel noch zwei weitere Male gewinnen.
    Leandro Curty gewann im Juli 2020 die Schweizer Meisterschaft. Der 18-jährige will den Titel noch zwei weitere Male gewinnen.
    Raphael Casablanca

    Die Corona-Krise legt derzeit die meisten sportlichen Betätigungen in der Schweiz lahm. Geisterspiele nehmen vielen Sportarten den Zauber und Fans den Spaß. Anders ergeht es dem E-Sport – dem professionellen Gamen. Dieser erlebt in der Covid-Krise einen regelrechten Aufschwung. Die Zuschauerzahlen auf Plattformen wie YouTube oder Twitch schossen während der Corona-Pandemie und den Lockdowns in die Höhe. Auch in der Schweiz ist der virtuelle Sport auf dem Vormarsch in den Mainstream. Gerade das jährlich erscheinende Fußball-Game "Fifa" ist bei der Jugend besonders beliebt.

    Zu den größten Talenten in der Schweizer "Fifa"-Szene gehört Leandro Curty. Der 18-Jährige aus dem Kanton Freiburg ist professioneller E-Sportler und steht beim eTeam des FC Basel unter Vertrag. Im Juli gewann Curty alias "Dufty80" die Schweizer "Fifa"-Meisterschaft und ist nun offiziell der beste Spieler des Landes. Begonnen hat er vor gut sieben Jahren mit der Version "Fifa 13". "Mittlerweile bin ich praktisch an jedem Schweizer Turnier dabei", sagt Curty. Seit seinem ersten Meistertitel hat er Hunger auf mehr.

    "Insgesamt möchte ich dreimal die Schweizer Meisterschaft gewinnen. Einen Titel habe ich nun", so Curty. "Ehrgeiz und mentale Stärke sind im E-Sport unabdingbar", sagt er. Es könne nämlich immer vorkommen, dass man in wichtigen Spielen in Rückstand gerät. "Deshalb ist es wichtig, stets einen kühlen Kopf behalten zu können."

    Der Schweizer Pep Guardiola des E-Sport

    Große Fußballvereine haben das Potenzial von E-Sport längst erkannt. Mittlerweile hat praktisch jeder große Name in der Fußballwelt ein eigenes "Fifa"-Team. Auch in der Schweiz mischen die Fußballvereine im Gaming-Bereich mit. Zu den bekanntesten Teams der Schweiz gehören beispielsweise der FC Basel, Lausanne Sport und Servette Genf. Seit diesem März gibt es gar eine Schweizer eNationalmannschaft. Curty wurde aufgeboten und ist seither mit vier Mitspielern ein Teil der neu gegründeten eNati des Schweizerischen Fußballverbandes (SFV).

    Die Messlatte für potenzielle eNationalspieler ist hoch: "Die Spieler müssen überdurchschnittlich gut sein und zu den besten des Landes gehören. Und dies über mehrere Saisons", sagt Thomas Temperli, Trainer des eNationalteams. Der 32-Jährige, der von manchen auch "Pep Guardiola des E-Sport" genannt wird, trainierte bereits eTeams wie Manchester City oder Ajax Amsterdam. Das ganze Potenzial des virtuellen Sports sieht Temperli noch nicht ausgeschöpft: "Es ist zwar jetzt schon so, dass E-Sport-Events ganze Stadien füllen können. Dennoch befindet sich die Szene noch in den Kinderschuhen."

    Spielanalysen wie bei den echten Profis

    Doch wie trainieren "Fifa"-Profis eigentlich? "Oft schicken mir die Spieler Aufnahmen von ihren Cup- oder Ligaspielen, die wir dann gemeinsam analysieren", sagt Temperli. Genau wie bei den echten Fußballprofis. Solche Zweitmeinungen seien für die Spieler enorm wichtig: "Da die meisten Profi-Gamer bereits Automatismen gebildet haben, reagieren sie in vielen Situationen im Spiel auf dieselbe Art und Weise. Ich zeige den Spielern alternative Lösungen."

    Schweizer E-Sportler sind (noch) keine Millionäre

    Das professionelle Gamen bringt Jugendliche nicht nur ins Träumen, weil sie dabei ihrem Hobby nachgehen können. Auch warten Preisgelder in Millionenhöhe für die Besten der Besten. Wer im E-Sport ein internationales Turnier gewinnt, kann mit einem Schlag zum Millionär aufsteigen. So geschehen bei der "Fortnite"-WM im Juli 2019: Damals gewann der 16-jährige Amerikaner Kyle Giesdorf drei Millionen US-Dollar Preisgeld für den ersten Platz.

    Aber aller Anfang ist schwer – besonders in der teuren Schweiz, wo Lebenskosten besonders hoch sind. Alleine vom E-Sport leben zu können ist hier schwierig, so Temperli: "Ein Spieler beim FC Sion oder FC Basel kann derzeit nicht alleine vom virtuellen Sport leben. Manche übernehmen noch andere Funktionen im Verein, um ihr Salär aufzustocken." Der Coach geht davon aus, dass sich dies in der Schweiz auch in naher Zukunft nicht ändern wird.

    "Der E-Sport wird sich weiter professionalisieren"

    Beim FC Basel verdienen die E-Sportler einen Salär im tieferen vierstelligen Bereich. In der Branche gehört der FC Basel zu den führenden eFootball-Vereinen in Europa. Dies spiegelt sich auch im "eClub-Ranking" des Weltfußballverbandes FIFA wieder: "Dort rangiert der FCB auf Rang 8 – als zweitbester klassischer Fußballclub der Welt hinter AS Rom", sagt Joachim Reuter, Leiter E-Sport FC Basel. Für Reuter ist es absehbar, dass der virtuelle Sport in Zukunft eher mehr als weniger Menschen in seinen Bann ziehen wird: "Der E-Sport wird sich weiter professionalisieren", sagt er.

    Könnte E-Sport den klassischen Fußball verdrängen?

    An dieser Entwicklung erfreuen sich jedoch nicht alle. Gerade bei eingefleischten Fußballfans ist der virtuelle Sport verhasst. Auch die Basler Muttenzerkurve protestierte schon mit mehreren Störaktionen gegen die E-Sport-Absichten des eigenen Vereins. Die Fans kritisieren, dass ihr Club damit kommerzialisiert wird und falsche Werte vermittelt werden.

    "Wir respektieren, dass ein neuartiges Phänomen wie E-Sport polarisiert und es in Teilen unser Fan-Szene auch kritische Stimmen gibt", sagt Joachim Reuter vom FCB dazu. Manche Fans befürchten, dass der virtuelle Sport den klassischen Fußball in Zukunft verdrängen könnte. "Das glauben und hoffen wir selber nicht", sagt Reuter. Dennoch würde er die Ängste der Fans verstehen: "Deswegen ist es uns so wichtig stets zu betonen, dass wir mit dem E-Sport unsere 1. Mannschaft stärken wollen."