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"Truck Driver: The American Dream" – noch kein Traum

Selbstbewusst nimmt sich das neue "Truck Driver"-Game den Zusatz "The American Dream" in den Titel. Ein Traum für Sim-Fans ist es bisher aber nicht.

Rene Findenig
"Truck Driver: The American Dream" – noch kein Traum
"Truck Driver: The American Dream" – noch kein Traum
SOEDESCO

Entwickler und Publisher Soedesco versucht es erneut mit einem "Truck Driver"-Game, und das soll alles besser machen. So entstand in Zusammenarbeit mit den Kyodai Studios eine Simulation mit der Unreal Engine 5, die euch die Möglichkeit gibt, mit tonnenschweren Lastern quer durch den US-Bundesstaat New York zu brettern. Gespielt werden kann auf PC, PlayStation 5 (Testversion) und Xbox Series X|S, samt ausführlicher Kampagnen-Story, komplexem Individualisierungs-System und auf PlayStation 5 mit DualSense-Feedback, adaptiven Triggern und 3D-Audio-Unterstützung. Schön ist, dass "Truck Driver: The American Dream" versucht, nun auch Nicht-Simulations-Fans mit einer emotionalen und packenden Geschichte einzufangen.

Hier ist zu sehen, dass die Macher durchaus viel Herzblut in das Game gesteckt haben – auch abseits der Straße. Zwar ist unser Protagonist stunden- und tagelang auf dem Asphalt unterwegs, daheim wartet aber eine Ehefrau, die zwar Verständnis dafür hat, dass wir erstmals einen erfüllenden Job gefunden haben, sich aber erst insgeheim und später immer offener eine Familie wünscht. Da passt die ständige Abwesenheit unseres Protagonisten natürlich gar nicht. Oscar gewinnt die Story zwar keinen, sie ist aber eine gut gemachte und ungewohnte Abwechslung in den sonst meist so eintönigen Simulationen, in denen nur das Gameplay und sonst nichts präsent ist. Dass diese Story geschickt ins Gameplay eingewebt wurde, gefällt.

Trotz vieler grafischer Details eine leblose Spielwelt

So bekommt man einerseits an bestimmten Stellen des Spiels Standbilder mit Erzählungen eingeblendet, andererseits kommuniziert unser Protagonist per Telefon aus dem Truck nicht nur mit seinen Auftraggebern, sondern auch Freunden und Ehefrau. Beides treibt nicht nur die Handlung voran, sondern sorgt auch für eine Langzeitmotivation. Und die Telefonate wirken zudem noch sehr realistisch, denn wer fährt in Wirklichkeit denn bitte stundenlang schweigend durch die Gegend? Verzeihen darf man da die vorkommenden Sinn- und Rechtschreibfehler in den deutschen Untertiteln, gesprochen wird nur – dafür qualitativ besser – auf Englisch. Abseits davon kämpft der Titel aber noch mit Problemen, die behoben werden sollten.

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    Entwickler und Publisher Soedesco versucht es erneut mit einem "Truck Driver"-Game, und das soll alles besser machen. 
    Entwickler und Publisher Soedesco versucht es erneut mit einem "Truck Driver"-Game, und das soll alles besser machen.
    SOEDESCO

    Grafisch sieht die Spielwelt toll und detailliert aus – in den Städten reihen sich viele verschiedene Häuser-Modelle aneinander und es gibt Parks, Industriezonen oder Häfen, kurz: Sie sehen sehr realistisch aus und bieten enorme Abwechslung. Im Freiland sieht es ebenso gut aus, mit Wald- oder Wiesengelände, aber auch mit unterschiedlichen Straßenbelägen wie Erde, Asphalt und Schotter. Und auch Autos (aber keine anderen Fahrzeuge) sind unterwegs – und dennoch wirkt die Spielwelt kalt und leblos. Das Problem: Passanten und Tiere gibt es zwar, sie wurden aber so sparsam eingesetzt, dass man erstere gerade mal in Lokalen oder Läden herumstehen sieht, letztere fast ausschließlich hört. Spaziergänger? So gut wie Fehlanzeige!

    Je weiter man spielt, umso schlimmer wird es

    Auch von den vorgesehenen Straßen darf man nicht abweichen – in Städten wurde das durch Hausfronten und Fabrikshallen gut gelöst, quer durch den Bundesstaat gibt es aber eintönige und kilometerlange Leitschienen. Da darf man zwar schlammige Waldwege und Schotterpfade bewundern, aber nicht befahren. Nicht, dass dies am Fahrgefühl viel verändern würde, denn das tut auch der Wechsel von Sonnenschein zu Regen nicht. Da ist es schade, dass verschiedene Wetter-Phänomene eigentlich grafisch schön gestaltet wurden – wenngleich auch nicht von vorne bis hinten durchdacht. So prasselt Regen auf die Straße und macht diese sichtbar feucht, Tropfen gibt es aber weder an der Karosserie noch den Lkw-Scheiben.

    Über solche Details lässt sich viel meckern, denn sie treten zuhauf auf – mehr Kopfzerbrechen bereiten aber die großen Probleme, die das Spiel nach den ersten, noch ziemlich einwandfrei laufenden Spielstunden, offenbart. Mal klappt die Kollisionsabfrage gar nicht und man hängt in einer Säule fest, der irgendwie mitten aus dem Laster wächst, mal bricht die Bildrate (von bis zu 120 Hertz je nach gewähltem der drei Grafikmodi) grundlos ein und wir ruckeln durch die Spielwelt, mal bleiben die anderen Verkehrsteilnehmer unmotiviert und minutenlang an Kreuzungen stehen, führen wilde Lichtspiele mit den Scheinwerfern auf und reagieren so gut wie gar nicht auf unseren Truck. Je weiter man spielt, desto schlimmer wird es.

    "Truck Driver: The American Dream" – noch kein Traum

    Irgendwann gelangt man schließlich unweigerlich zu einem Punkt, wo die Simulation wortwörtlich nicht mehr spielbar wird, wenn der Truck durch den Boden fällt oder an unsichtbaren Wänden feststeckt. Das alles ist schade, denn mit etwas mehr Entwicklungszeit hätte aus dem Game eine echt gute Lastwagen-Simulation werden können. Was nicht heißt, dass das nicht noch passieren wird. Gerade Sim-Entwickler und auch Soedesco sind dafür bekannt, ihre Titel intensiv mit Updates und Verbesserungen zu betreuen und auf das Feedback der Spieler zu hören. Wir können uns deshalb gut vorstellen, dass in einigen Wochen oder Monaten aus "Truck Driver: The American Dream" der bereits jetzt erhoffte Simulations-Traum wird.

    Die Zutaten dafür wären angerichtet, die Grafik ist bis auf kleine Schnitzer super, die Spielwelt bis auf die künstliche begrenzten Areale abwechslungsreich und auch die Steuerung klappt gut. Vor allem aber ist es eine Simulation, die von einer emotionalen und motivierenden Handlung getragen wird – das kennt man von Fahrsimulationen in dieser Form viel zu wenig. Da fragt man sich im Fazit zwangsläufig, warum das Game nicht als Early Access auf Konsolen (auf PC gibt es das Game schon länger), sondern als fertiger Titel veröffentlicht wurde. Ganz abschreiben sollten Fans "Truck Driver" aber noch nicht, dafür stecken einfach viel zu viel Herzblut und tolle Ideen im Spiel – sie müssen nur noch auf Vordermann gebracht werden.