Am vergangenen Donnerstag steuerte ein 24-jähriger Afghane in München seinen weißen Mini Cooper in eine Demonstration der Gewerkschaft Verdi – ein Terror-Anschlag! Dutzende Menschen wurden teils schwer verletzt. Amel, eine 37-jährige Ingenieurin aus Algerien, und ihre zweijährige Tochter Hafsa wurden dabei getötet.
"Amel war ein Mensch, der sich für Gerechtigkeit eingesetzt hat. War aktiv für Solidarität, Gleichheit und setzte sich für Arbeitnehmer*innenrechte ein und gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung. Ihr war es sehr wichtig, ihrer Tochter diese Werte mitzugeben", sagen ihre Angehörigen später gegenüber zur "SZ". Ihr Wunsch: Der Tod von Mutter und Tochter solle nicht genutzt werde, "um Hass zu schüren", er dürfe "nicht politisch instrumentalisiert" werden.
Doch genau das passierte schon direkt am nächsten Tag. AfD-Politiker und Unterstützer marschierten samt Kamera-Tross am Tatort auf. Vorgeblich, um weiße Rosen niederzulegen und zu trauern. Was ihre wahren Absichten waren, enthüllten sie später selbst aus Versehen vor laufender Kamera eines AfD-YouTubers.
Denn: Eine Menschenkette aus Gewerkschaftsmitgliedern, Senioren, Jugendlichen und auch Antifa schirmte die Gedenkstätte am Tatort vor den blauen Politikern ab. Die Freunde und Kollegen der Opfer machten deutlich klar, dass die AfDler hier unerwünscht waren: "Ihr werdet unsere Trauer nicht instrumentalisieren". Genau auf ihre Anwesenheit und diese Reaktion hatten die AfDler rund um den Bundestagsabgeordneten und Bayern-Landeschef Stephan Protschka (47) aber ganz offensichtlich gebaut. Ihnen ging es um die "Show", wie Zuschauer später hören sollten.
Es folgte ein rund zweieinhalb Stunden dauerndes ein Schauspiel, das dem Wunsch der Opferfamilie völlig widerspricht. Lautstark empört versuchten die AfD-Mitglieder, körperlich durch die Menschenkette zu brechen. Mehr als einmal gingen sie absichtlich auf Tuchfühlung, Protschka legte sogar eine Schwalbe hin, tat lautstark so, als sei er gerempelt worden. Dabei beschimpfte der 47-Jährige, der Teil einer laut dem deutschen Verfassungsschutz "gesichert rechtsextremistischen" AfD-Teilorganisation ist, die Trauergemeinschaft als "Faschisten", die "Blut an ihren Händen" hätten.
Protschka versuchte später dann auch, sich an den wegen ihm in immer größerer Zahl angerückten Polizisten vorbeizudrängen: "Ich bin Bundestagsabgeordneter – und ich gehe jetzt da rein!". Keine Chance. Auch bei einem weiteren Mal nicht. Ein Sympathisant soll ihn laut "Merkur" mit den Worten "Lass dich verhaften! Wir brauchen Märtyrer!" angefeuert haben.
Nach zahlreichen Diskussionen mit der in immer größerer Stärke anrückenden Polizei – die Parteifreunde blockierten die Fahrbahn – wurde der AfD-Gruppe ein Kompromiss angeboten. Sie durften, von den Beamten abgesichert, in unmittelbarer Nähe der Menschenkette ihre mitgebrachten Blumen an einem Baum niederlegen. Als Protschka kurz zuvor mit seinen Anhängern noch eine zweite Option diskutierte, wurde sein Motiv erstmals vor laufender Kamera hörbar. Er pochte auf den Ort, wo neben ihm noch die Menschenkette zu sehen sein würde. "Da haben wir trotzdem Antifanten", begründete er seine Wahl.
Etwas später, als er sich unbeobachtet wähnte, schob er vor seinen Vertrauten nach: "Es geht ja nur um des: Wir stellen uns hin, legen die Blumen nieder und gehen wieder. Unsere Show haben wir gehabt." Der blaue Landtagsabgeordnete Rene Dierkes (33) pflichtete bei: "Das können wir gut verwerten!" Auch die Bekräftigung "Bilder!" war zu hören, ehe einer der Gesprächsteilnehmer die Kamera des AfD-YouTubers entdeckte und die anderen leise warnte.
Währenddessen hatten die Parteifreunde immer wieder lautstark auf ihr Recht als "freie Bürger" gepocht, auch die ihnen versperrten wenigen Quadratmeter Gehsteig zu betreten und ihre Trauer an der improvisierten Gedenkstätte auszudrücken. Das hatten Protschka und Kameraden eigentlich schon direkt zuvor bei einer selbst inszenierten Mahnwache bei den Propyläen am Königsplatz getan. Dort waren die Rollen vertauscht: Die rund 70 AfD-Teilnehmer konnten ungestört ihren Kranz niederlegen, während eine Gegendemonstration aus ebenso freien Bürgern durch Gitter und Polizei vom Veranstaltungsort ausgesperrt worden war.
Die Münchner Polizei, die zwischen den beiden Gruppierungen am Tatort schlichten musste, ärgert sich über dieses unrühmliche Gerangel. Sprecher Thomas Schelshorn kritisierte im "Merkur" beide Seiten deutlich: "Ich finde es furchtbar – von allen, die hier sind! Wenn man daran denkt, wie wenig pietätvoll das Ganze ist, wenn man an die Familie und an das denkt, was vor wenigen Tagen hier passiert ist. Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis."