Wien

Über Nacht bekamen 23 Wiener Straßen neue Namen

Viele Wiener staunten Dienstagfrüh nicht schlecht: Insgesamt 23 Straßen wurde über Nacht ein neuer Name verpasst.

Leo Stempfl
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23 Wiener Straßen bekamen über Nacht neue Namen verpasst.
23 Wiener Straßen bekamen über Nacht neue Namen verpasst.
JöH

Am heutigen 9. November jähren sich die Novemberpogrome zum 83. Mal. Bereits seit langem geplant, fand man an diesem Datum schließlich Anlass, das jüdische Leben in Wien zu vernichten. Tausende Juden wurden verletzt, verschleppt und ermordet, beinahe alle Synagogen der Stadt zerstört, geplündert und niedergebrannt.

Noch im März 1938 umfasste die jüdische Bevölkerung Wiens über 200.000 Menschen, österreichweit überlebten nur etwa 5.500 das Jahr 1945. Fehlende kritische Auseinandersetzung mit diesen Jahren wurde Teil der österreichischen Identität und zieht sich teilweise bis heute. Ein Beispiel dafür seien einige Straßennamen in Wien, sagen jüdische Aktivisten.

28 Namen höchstproblematisch

Als Beweis dient eine Untersuchung durch eine Historikerkommission, die sich 4.300 personenbezogene Straßennamen zum Gegenstand machte. Das Ergebnis: 170 wurden als problematisch eingestuft. 28 sind gar nach Personen benannt, die "offensiv und nachhaltig antisemitische Einstellungen bzw. andere gruppenbezogene menschenfeindliche Vorurteile vertreten haben" (Kategorie A).

Doch selbst Straßen, die nach aktiven NSDAP-, SS- oder SA-Mitgliedern benannt sind, wurden nicht umbenannt, sondern schlicht mit einer Zusatztafel versehen. Im Gegensatz dazu seien aber kaum Straßen nach Widerstandskämpfern oder Oppositionellen benannt, kritisieren die "Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen".

Antifa statt Lueger

Man nahm die Sache deswegen vergangene Nacht selbst in die Hand. 23 der 28 existierenden Straßennamen der Kategorie A wurden mit Namen jüdischer und nicht-jüdischer Widerstandskämpfer überklebt. Teil davon war auch der Dr. Karl Lueger-Platz, Gründer der Christlich-Sozialen Partei, Bürgermeister und Mitgestalter des modernen Wiens, aber eben auch blühender Antisemit und Begünstiger des Nationalsozialismus.

"Wir begrüßen die Aktion der Aktivist:innen ausdrücklich, und schließen uns ihrer Forderung an: 83 Jahre nach den Novemberpogromen, 76 Jahre nach dem Ende der Shoah dürfen wir keine Antisemit:innen und Nazis mehr würdigen, sondern müssen stattdessen Widerstandskämpfer:innen den Platz einzuräumen, den sie verdienen. Wir fordern die Stadt Wien auf, die 23 Straßen auch offiziell umzubenennen!", so Sashi Turkof, Präsidentin der "Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen" (JöH).
"In Wien sind nur rund 10% der Verkehrsflächen nach Frauen benannt. Deswegen begrüßen wir auch unter diesem Aspekt ausdrücklich die geschlechterausgewogene Wahl der neuen Straßenschilder. Auch das muss Teil einer inklusiven Veränderung unseres Stadtbildes sein. Wir müssen antifaschistische Widerständigkeit sichtbar machen und nationalsozialistische Kontinuitäten weiterhin bekämpfen", sagt Victoria Borochov, Vize-Präsidentin der JöH.

Szenes statt Kloepfer

Ein weiteres Beispiel ist die Kloepferstraße im 22. Bezirk. Hans Kloepfer (1867-1944) war der Werksarzt der Alpine-Montagegesellschaft und Mundartdichter, euphorischer NS-Sympathisant, seit 1938 NSDAP-Mitglied und ein vom NS-Regime geförderter und ausgezeichneter Schriftsteller.

Überklebt wurde "seine" Straße mit Chana Szenes. Sie war eine ungarische Widerstandskämpferin, die mit anderen jüdischen Frauen und Männern mit dem Fallschirm hinter der deutschen Front absprang, um zu versuchen, Juden zu retten. Nach ihrer Verhaftung gab sie trotz schwerster Folter die Geheimcodes für die Funkverbindung nicht preis. 1944 wurde sie per Erschießung hingerichtet, lehnte dabei die Augenbinde ab, um ihren Henkern in die Augen blicken zu können.

Hier eine vollständige Liste der neuen und alten Straßennamen:
Dr.-Boehringer-Gasse wird zur Abba-Kovner-Gasse, Sebastian-Brunner-Gasse wird zur Anna-Bertha-von-Königsegg-Gasse, Häußlergasse wird zur Aron-Menczer-Gasse, Wiesingerstraße wird zur August-Dickmann-Straße, Kloepferstraße wird zur Chana-Szenes-Straße, Stelzhamergasse wird zur Egon-Erwin Kisch-Gasse, Spundagasse wird zur Elfriede-Hartmann-Gasse, Seefeldergasse wird zur Elisabeth-Schilder-Gasse, Saßmanngasse wird zur Erna-Musik-Gasse, Leopold-Kunschak-Platz wird zum Platz-der-Gerechten-unter-den-Völkern, Robert-Lach-Gasse wird zur Franz-Danneberg-Löw-Gasse, Müller-Guttenbrunn-Straße wird zur Franz-Jägerstätter-Straße, Kasparekgasse wird zur Gisi-Fleischmann-Gasse, Dusikagasse wird zur Haviva-Reik-Gasse, Chvostekgasse wird zur Herbert-Baum-Gasse, Josef-Schlesinger-Straße wird zur Hilde-Krones-Straße, Dr.-Karl-Lueger-Brücke wird zur Julius-Deutsch-Brücke, Pschorngasse wird zur Leopoldine-Kovarik-Gasse, Pfitznergasse wird zur Lisa-Fittko-Gasse, Dr.-Eberle-Gasse wird zur Marianne-Baum-Gasse, Josef-Pommer-Gasse wird zur Melanie-Berger-Volle-Gasse, Weldengasse wird zur Mordechai-Anielewicz-Gasse, Dr.-Karl-Lueger-Platz wird zum Platz-des-antifaschistischen-Widerstandes, Manowardagasse wird zur Resi-Pesendorfer-Gasse, Maria-Grengg-Gasse wird zur Rosa-Hofmann-Gasse, Porschestraße wird zur Franz-Danimann-Straße, Haberlandtgasse wird zur Zivia-Lubetkin-Gasse.

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