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Ukraine: Friede kommt, Innenminister flüchtet

Heute Redaktion
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Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch und Oppositionsführer haben in Kiew eine vorläufige Vereinbarung zur Lösung der innenpolitischen Krise unterzeichnet. Der Plan sieht vorgezogene Präsidentenwahlen, starke verfassungsrechtliche Vollmachten für die Regierung sowie ein Übergangskabinett vor. Das Parlament setzte kurz darauf den Innenminister ab und beschloss die Freilassung der Ex-Ministerpräsidentin Timoschenko. Der Präsident orfnete Staatstrauer für die Opfer an.

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch und Oppositionsführer haben in Kiew eine vorläufige Vereinbarung zur Lösung der innenpolitischen Krise unterzeichnet. Der Plan sieht vorgezogene Präsidentenwahlen, starke verfassungsrechtliche Vollmachten für die Regierung sowie ein Übergangskabinett vor. Das Parlament setzte kurz darauf den Innenminister ab und beschloss die Freilassung der Ex-Ministerpräsidentin Timoschenko. Der Präsident ordnete Staatstrauer für die Opfer an.

"Das war vielleicht die letzte Chance, um einen Ausweg aus der Spirale der Gewalt zu finden. Nicht alle Probleme sind gelöst", sagte Steinmeier am Freitag nach Unterzeichnung der Lösung zwischen Präsident Viktor Janukowitsch und der Opposition. Laut Steinmeier sieht die Vereinbarung vor, dass die Neuwahlen noch 2014 stattfinden sollen. Auch die Verfassung von 2004 soll vorläufig wieder in Kraft gesetzt werden.

Innenminister abgesetzt, jetzt soll er auf der Flucht sein

Der nächste Paukenschlag folgte kurz nachher: Das ukrainische Parlament setzte den umstrittenen Innenministers Witali Sachartschenko ab. Die Opposition gibt Sachartschenko die Schuld für brutale Polizeiübergriffe auf friedliche Demonstranten.  Dazu zählt auch der Einsatz von Schusswaffen gegen Regierungsgegner in den vergangenen Tagen. In Kiew verbreiteten sich Gerüchte, dass der Politiker ins benachbarte Weißrussland geflohen sei.

Auch die seit über zwei Jahren inhaftierte ehemalige Ministerpräsidentin und OppositionspolitikerinTrauer: Fahnen auf Halbmast, Konzerte abgesagt, TV-Programm geändert

Zum Gedenken an die mindestens 77 Toten der blutigen Straßenkämpfe von Kiew hat der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch zwei Trauertage angeordnet. An diesem Wochenende (22./23. Februar) sollen an allen staatlichen Gebäuden in der Ex-Sowjetrepublik die Fahnen auf halbmast gesenkt werden. Zudem sollten Konzerte und Sportveranstaltungen abgesagt werden. Fernseh- und Radiosender wurden aufgefordert, ihr Programm "angemessen" zu ändern. Bereits nach ersten schweren Zusammenstößen am Dienstag mit vielen Toten hatte Janukowitsch für Donnerstag (20. Februar) einen Trauertag angesetzt - ausgerechnet dann kam es erneut zu brutalen Auseinandersetzungen.

Ashton vorsichtig optimistisch, Obama bietet Hilfe an

Trotzdem ist ein Happy End nicht sicher: EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton ist nur vorsichtig optimistisch. Die Zukunft der Ukraine hänge von der Umsetzung des Mehrstufenplans ab.  "Die Umsetzung ist der Schlüssel und wird sehr schwierig werden." "Wir möchten, dass das Land vorankommt. Präsident Janukowitsch hat mir oft gesagt, dass er das auch will und ich hoffe, dass das jetzt geschehen wird", sagte Ashton. Zudem betonte die EU-Politikerin, dass freie und faire Wahlen in der Ukraine zum "richtigen Zeitpunkt" stattfinden müssten, aber nicht notwendigerweise in den nächsten Wochen. Lob für die Einigung kommt aus den USA, die ihre Hilfe anbietet. Washington lobte die "mutigen Führer der Opposition", die die Notwendigkeit eines Kompromisses erkannt hätten.

Kabinett als Übergangslösung

Vorgesehen seien ein "Kabinett des nationalen Vertrauens" innerhalb von zehn Tagen, eine Rückkehr zu einer parlamentarischen Demokratie sowie eine baldige Abstimmung über den Staatschef, hatte Janukowitsch einer Mitteilung zufolge am Vormittag gesagt. Die EU-Delegation sowie der russische Vermittler Wladimir Lukin hatten die ganze Nacht hindurch in Kiew mit Janukowitsch und Oppositionsführern verhandelt. Lukin unterzeichnete die Vereinbarung allerdings nicht - im Gegensatz zu Steinmeier (Deutschland) und Sikorski (Polen).

EU-Sanktionen noch nicht vom Tisch

Derweil will die EU-Kommission vorerst noch nicht abblasen. Erst wenn das angekündigten Übergangskabinetts steht und die vorgezogenen Wahlen vorbei sind sollen die Sanktionen zurückgenommen werden.

Die technischen Arbeiten zur Umsetzung der Sanktionen hätten bereits begonnen.

 

Vor wenigen Stunden noch Schüsse gefallen

In Kiew hatten Unbekannte nach Angaben des Innenministeriums Freitagfrüh erneut auf Polizisten gefeuert. Das sagte Ministeriumssprecher Sergej Burlakow der Agentur Interfax. Es gab zudem Versuche, zum Parlament vorzudringen. Nach Polizeiangaben schossen Regierungsgegner in der Nähe des Unabhängigkeitsplatzes.

Zwei Tage nach der Entlassung des ukrainischen Armeechefs Wolodimir Samana ist unterdessen auch dessen Stellvertreter Juri Dumanski zurückgetreten, damit das Militär nicht gegen die Demonstranten einschreitet. "Ich habe beschlossen, meinen Rücktritt einzureichen, um eine Eskalation zu verhindern", sagte Dumanski am Freitag im TV-Sender Kanal 5.

Nächste Seite: Vorgeschichte der Verhandlungen und Anschlag in der Nacht

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und seine Kollegen aus Frankreich und Polen, Laurent Fabius und Radoslav Sikorski hatten sich am Donnerstag mit Ukraines Staatschef Viktor Janukowitsch und der Opposition um Vitali Klitschko zusammengesetzt. Den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch wurde verhandelt, geredet und diskutiert.

Deklariertes Ziel der EU-Außenminister ist ein Fahrplan, der folgende Punkte beinhaltet:

Neuwahlen noch 2014. Die Ukrainer sollen sowohl über einen neuen Präsidenten als auch über ein neues Parlament abstimmen dürfen.
Binnen 10 Tagen soll eine Übergangs-Regierung gebildet werden
Eine neue Verfassung muss her (laut ZiB2-Interview mit Außenminister Kurz)


Inwieweit Janukowitsch den Forderungen der Opposition nach einer Übergangsregierung, einer Verfassungsreform und vorgezogenen Wahlen zustimmt, ist noch offen.

Verhandlungen dauerten die ganze Nacht

Die ganze Nacht hindurch hatten Staatschef Viktor Janukowitsch, Oppositionsvertreter und die EU-Außenminister verhandelt, Merkel telefonierte mit Putin und Obama. Dann kam noch am Donnerstag die Jubelmeldung: Das Parlament beschloss, den "Anti Terror-Einsatz" zu beenden. Kurze Zeit später der Schock:

Seit Dienstag kamen 67 Menschen bei den Zusammenstößen zwischen Regime-Gegnern und Regierungstruppen um. Zuerst gab die Regierung einen .

Parlament fast einstimmig für Rückzug der Soldaten

Gesänge und Feuerwerk statt Schüssen und Gewalt: Am Donnerstag in der Nacht beschlossen die ukrainischischen Politiker, den "Anti-Terror-Einsatz" zu beenden. Die Abgeordneten verlangten, dass sich alle Einheiten in ihre Kasernen zurückziehen, wie Fernsehsender am Donnerstagabend live berichteten. Zudem untersagten die Parlamentarier den Einsatz von Schusswaffen. Anwesend waren 238 Abgeordnete von offiziell 450. Nach der Abstimmung sangen die Parlamentarier die Nationalhymne. Beobachter sprachen von einem symbolisch wichtigen Zeichen.

Gleichzeitig wurden bei . Im pro-westlichen Lemberg sollen Handgranaten geworfen worden sein.

Visa-Sperren, Geld einfrieren

Die EU beschloss als Reaktion auf die Welle der Gewalt Visa-Sperren und wollte die Verantwortlichen dort treffen, wo es ihnen besonders weh tut - sie wollen die ausländischen Konten einfrieren, eine Liste wird zusammengestellt.

Merkel telefoniert mit Putin und Obama

Am Donnerstagabend liefen die Telefonleitungen zwischen Berlin, Moskau und Washington heiß. "Die Bundeskanzlerin und die Präsidenten stimmten darin überein, dass schnellstmöglich eine politische Lösung der Krise in der Ukraine gefunden werden und das Blutvergießen aufhören müsse", hieß es in der Erklärung.

APA/red.