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Ukraine: Regierung klebt auf ihren Sesseln

Heute Redaktion
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Die belagerte ukrainische Regierung trotzt den pro-europäischen Massenprotesten. Im Parlament in Kiew ist der Misstrauensantrag der Opposition klar gescheitert. Nur 186 der 450 Abgeordneten votierten für ein Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Mykola Asarow, 226 wären erforderlich gewesen.

Vor dem Parlament demonstrierten am Dienstag tausende Menschen für einen Sturz der russland-freundlichen Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch. Oppositionsanhänger protestieren seit Tagen gegen die auf russischen Druck erfolgte Abkehr vom EU-Annäherungskurs. Zusätzlich angeheizt wurden die Proteste durch den brutalen Polizeieinsatz gegen Demonstranten am Wochenende, bei dem über 200 Menschen verletzt wurden, darunter 40 Journalisten.

Demokratie oder Polizeistaat?

"Zuerst wurde den Ukrainern der Traum von Europa geraubt, dann wurden Demonstranten mit Knüppeln auseinandergejagt - das gab es noch nie in unserer Geschichte", so in der Parlamentsdebatte. "Es hängt nun von jedem einzelnen Abgeordneten ab, ob wir in einer Demokratie leben werden oder in einem Polizeistaat", so der Chef der Partei Udar (Schlag). Letztlich konnte die Opposition nicht genug Stimmen sammeln, obwohl zuletzt mehrere Abgeordnete der regierenden "Partei der Regionen" den Rücken gekehrt hatten.

Entschuldigung für Polizeigewalt

Ministerpräsident Asarow versuchte, der Kritik die Spitze zu nehmen, indem er sich demonstrativ für die Polizeigewalt entschuldigte. "Ich möchte Sie im Namen der Regierung um Verzeihung bitten für das Vorgehen der Sicherheitskräfte auf dem Unabhängigkeitsplatz", sagte er im Parlament. "Der Präsident und die Regierung bedauern das zutiefst." Asarow sagte weiter, dass er "klare Schlüsse" daraus ziehen werde und kündigte eine Regierungsumbildung an.

Kein neuer Orangene "Staatsstreich"

Zugleich sagte Asarow mit Blick auf die Orangene Revolution vor neun Jahren: "Wir reichen Euch die Hand, aber bremst die Aufrührer, die die Macht übernehmen und das Szenario von 2004 wiederholen wollen." Damals wurde mit Massenprotesten die Neuaustragung der zuvor offenbar zugunsten von Janukowitsch manipulierten Präsidentenwahlen erzwungen. Bereits am Montag hatte Asarow die Oppositionsproteste bei einem Treffen mit europäischen Botschaftern in die Nähe eines Staatsstreichs gerückt.

Timoschenko bittet EU um Hilfe

Die inhaftierte Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko rief unterdessen die EU zur Unterstützung der Regierungsgegner auf. Der Westen dürfe die "autoritäre Politik" von Janukowitsch nicht dulden, zitierte ihre Tochter Jewgenija Timoschenko aus einer Botschaft. Ihrer Mutter gehe es trotz eines gut. Julia Timoschenko protestiert mit der Nahrungsverweigerung dagegen, dass ihr Land ein Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis gelegt hat.

Janukowitsch fährt nach China

Während die Regierungsgegner am Dienstag weiter Regierungsgebäude in Kiew belagerten, brach Präsident Janukowitsch zu einer mehrtägigen Reise nach China auf. Der Besuch sei wichtig, da er lukrative Verträge für sein finanziell angeschlagenes Land unterzeichnen wolle, sagte der Präsident.

Europarat will vermitteln

Europarats-Generalsekretär Thorbjörn Jagland will am Mittwoch nach Kiew reisen, um zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Jagland plant Treffen mit Premier Asarow und Vertretern aller politischen Parteien. Die französische Außenminister Laurent Fabius wiederum lud Oppositionsführer Klitschko nach Paris ein.

Staatsanleihen werden immer teurer

Die anhaltenden Massenproteste machen sich inzwischen auch an den Finanzmärkten bemerkbar. Die Risikoaufschläge für ukrainische Staatsanleihen legten am Dienstag weiter zu, für Kreditausfallversicherungen (CDS) werden bereits elf Prozent des abgesicherten Wertes fällig. Höher liegen die CDS-Prämien weltweit nur in Argentinien und Venezuela.