Ukraine

"Wir schießen mit Panzerfäusten zurück – dann ist Ruhe"

In der Ukraine kündigt sich eine neuerliche russische Großoffensive an. Ein Lokalaugenschein in der Region Donezk zeigt die Vorbereitungen.

Jochen Dobnik
Die ukrainische Armee bereitet sich auf eine russische Großoffensive vor
Die ukrainische Armee bereitet sich auf eine russische Großoffensive vor
SAMEER AL-DOUMY / AFP / picturedesk.com

Die Ukraine ist in der Nacht auf Freitag von einer weiteren Welle russischer Raketen und Drohnen angegriffen worden. Dabei seien elf Menschen getötet und elf weitere verletzt worden, erklärte der Sprecher des staatlichen Notfalldienstes, Oleksandr Chorunschji, im Fernsehen. Die Angriffe hätten elf ukrainische Regionen getroffen.

Militärchef Walerij Saluschnyj hatte gesagt, zu der Kanonade hätten 55 Raketen gehört, von denen 47 abgefangen worden seien. Zuvor wurden nach Angaben eines Sprechers der Streitkräfte im Süden der Ukraine Drohnen eingesetzt, mit denen die Russen offenbar versucht hätten, die Abwehr abzulenken oder zu überrumpeln. Es war die erste große Angriffswelle seit dem 14. Januar.

"Sie haben wirklich schlechte Scharfschützen"

Landesweit heulten die Sirenen. In einer ukrainischen Stellung in der Region Donezk im Osten des Landes halten der 26-jährige Wolodymyr und seine Kameraden die Stellung. In einem Video (siehe oben) geben sich die jungen Männer allesamt furchtlos, keine Spur von Angst oder Panik:

"Sie schießen mit Maschinengewehren auf uns. Und dann schießen wir mit Panzerfäusten zurück und dann sind sie ruhig."

Wolodymyr lebte bis vor kurzem in Deutschland. Jetzt verteidigt er seine Heimat gegen die russischen Angreifer. Und ist vom Sieg seines Landes überzeugt. Wolodymyr: "Sie richten großkalibrige Maschinengewehre, Panzerabwehrkanonen auf uns, aber sie haben wirklich schlechte Scharfschützen. Hier ist es einfacher. Sie haben auch Granatwerfer, Kaliber 80 mm. Damit können wir umgehen. Die Stellungen sind gut gebaut und befestigt. Wir können hier die Stellung halten, und das werden wir auch tun", so der junge Ukrainer.

FOTOGALERIE: So brutal wird um Soledar und Bachmut gekämpft

    Die ostukrainischen Städte Bachmut und Soledar sind aktuell heiß umkämpft.
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    REUTERS

    Tödliche Angriffe auf Hauptstadt Kiew

    Der Chef der Kiewer Stadtverwaltung, Serhij Popko, teilte mit, 15 Marschflugkörper seien abgeschossen worden. Bürgermeister Vitali Klitschko teilte mit, ein Mensch sei durch Raketentrümmer getötet und zwei weitere seien verletzt worden. Im Stadtbezirk Dniprowskji seien Explosionen zu hören gewesen. Es war der erste Todesfall durch einen Raketenangriff in Kiew seit Silvester.

    Die Staatsanwaltschaft in Saporischschja teilte mit, bei einem Angriff auf eine Energie-Anlage in der Region habe es drei Tote und sieben Verletzte gegeben.

    Experten rechnen mit russischer Großoffensive in Luhansk

    Russlands strategischer Einsatz verschiedener Streitkräfte deutet nach Einschätzung des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) auf eine baldige Großoffensive in der Region Luhansk hin. Das Aufgebot konventioneller Streitkräfte entlang der dortigen Front sowie der Umstand, dass an den Fronten in anderen Gebieten nur begrenzte Angriffe stattfänden, sprächen dafür, dass sich die russischen Streitkräfte auf eine "entscheidende Anstrengung" in Luhansk vorbereiteten, erklärte die in Washington ansässige Denkfabrik in ihrem jüngsten Bericht am Mittwoch.

    Eine Reihe von Geheimdienstaussagen stützen diese Einschätzung. Die vereinzelten Angriffe an anderer Stelle dienten demnach dazu, die ukrainischen Streitkräfte abzulenken und zu zerstreuen. Als wahrscheinlichsten Verlauf der russischen Offensive beschrieb das US-Institut einen Angriff entlang der Achse zwischen den Orten Swatowe und Kreminna.

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