Österreich macht blau

Umfrage-Beben: FPÖ hängt auch bei EU-Wahl alle weit ab

Nicht nur die Nationalratswahl, auch die EU-Wahl am 9. Juni 2024 dürfte zum blauen Triumphzug werden. Aber: Nur 56 Prozent wollen teilnehmen.

Robert Zwickelsdorfer
Umfrage-Beben: FPÖ hängt auch bei EU-Wahl alle weit ab
Die FPÖ führt derzeit in allen Umfragen, auch bei der EU-Wahl ist sie klarer Favorit.
apa/picturedesk ("Heute"-Montage)

Es wird der Härtetest vor der Nationalratswahl im Herbst: die Wahl zum EU-Parlament. Auch, wenn drei Parteien (ÖVP, Grüne, Neos) noch nicht einmal Spitzenkandidaten benannt haben, dürfte – Stand heute – politisch kein Stein auf dem anderen bleiben. Das zeigt die große, aktuelle Umfrage von "Unique Research" für "Heute" und Puls 24/ATV (1.600 Befragte telefonisch und online, max. Schwankungsbreite ±2,5 %, Befragungszeitraum 22. bis 29. November). Die spannenden Ergebnisse:

Blaue an der Spitze

Bei der Wahl 2019 – kurz nach Bekanntwerden des berühmt-berüchtigten Ibiza-Videos war die FPÖ auf 17,2 % abgestürzt und damit abgeschlagen auf dem dritten Platz gelandet. 2024 dürften sich die Freiheitlichen von diesem niedrigen Stand aus fast verdoppeln. Laut Hochschätzung kämen sie auf immerhin 30 %. Das wäre der eindeutige erste Platz – und das für eine explizit EU-kritische Partei. Der blaue Fraktionsführer im EU-Parlament und FPÖ-Spitzenkandidaten Harald Vilimsky profitiert wohl einerseits von der guten Stimmungslage für seine Partei in Österreich, andererseits aber auch von der allgemeinen Proteststimmung. 

Zweikampf um Platz zwei

Komplett offen ist das Match zwischen der SPÖ und der ÖVP. Die Sozialdemokraten kämen hochgeschätzt auf 24 %. Die Volkspartei würde mit 23 % nur äußerst knapp dahinter liegen. Innerhalb der Schwankungsbreite möglich wäre aber auch ein Ausgang 27 % SPÖ und 20 % ÖVP oder 26 % für die ÖVP und 21 % für die SPÖ.

Karas-Effekt? ÖVP droht massiver Absturz

Für die selbsternannte Europapartei ÖVP wären diese 23 % ein Minus von gleich 11,6 % gegenüber der EU-Wahl 2019 und damit nicht weniger als ein Debakel. Wie sehr die Ankündigung von Fraktionsführer und EU-Parlamentsvizepräsident Othmar Karas, nicht mehr für die Volkspartei kandidieren zu wollen, damit zusammenhängt, ist offen. Fest steht jedenfalls: Die Suche nach einem Ersatz gestaltet sich für die ÖVP äußerst schwierig. Als Spitzenkandidatinnen dezidiert abgesagt haben jedenfalls bereits Europa-Mininisterin Karoline Edtstadler und Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm.

Stabile SPÖ

Bei der SPÖ ist die Frage der Spitzenkandidatur seit dem Babler-Wahlparteitag in Graz geklärt. Die Roten gehen erneut mit Andreas Schieder ins Rennen. Einen Boost verleihen allerdings weder der neue Parteichef Andreas Babler noch Schieder selbst der Partei. Mit den 24 % bliebe sie fast exakt auf ihrem Niveau von 2019. Damals hatte die SPÖ 23,9 % geschafft.

Die Europawahl 2024 wird die siebente Direktwahl zum Europäischen Parlament in Österreich. Sie ist Teil der EU-weiten Europawahl 2024 und findet am 9. Juni 2024 statt. Österreich stellt nach einer Erhöhung der Mandatszahl von 705 auf 720 zukünftig 20 statt bisher 19 Abgeordnete. Wahlberechtigt sind alle Personen, die über die österreichische Staatsbürgerschaft und einen Hauptwohnsitz in Österreich verfügen, aber auch Auslandsösterreicher sowie andere EU-Bürger, wenn sie ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben. Die Hürde für den Einzug ins EU-Parlament liegt bei 4 %. Aufgrund des Sitz-Zuteilungsverfahrens ist jedoch erst ab einem Stimmenanteil von 4,76 % mindestens ein Sitz sicher.

Grünen schaden Turbulenzen kaum

Eindeutiger als bei der Nationalratswahl dürfte Platz vier in Sachen Europaparlament augehen. Die Grünen kämen laut der Hochschätzung auf 12 %. Das wäre zwar ein kleines Minus (2019: 14,1 %), würde aber trotzdem einen Respektabstand zu Platz fünf und sechs bedeuten. Zur Erinnerung: Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, immer wieder als Europa-Spitzenkandidaten der Grünen genannt, hatte mit ihrer Absage ja zuletzt für Turbulenzen gesorgt. Der Bundeskongress, auf dem die Spitzenkandidatur fixiert werden sollte,  wurde – offiziell aufgrund des Ukraine-Krieges – auf Februar verschoben. Auch der frühere EU-Mandatar und jetzige Nationalratsabgeordnete Michel Reimon hatte daraufhin seine geplante Kandidatur zurückgezogen.

Pinke wohl mit Minus

Auch bei den Neos ist noch offen, wer als Spitzenkandidat ins Rennen geht. Wie berichtet, wechselt ja Claudia Gamon von Brüssel und Straßburg zurück in ihre Vorarlberger Heimat. Einer der pinken Favoriten ist der aktuelle Nationalrats-Abgeordnete Helmut Brandstätter. An das Ergebnis seiner Vorgängerin (8,4 %) käme er mit 7 % aber nicht heran. Auch die Neos definieren sich ja als Europapartei. Da wären 7 % kein Grund zum Jubeln. Als Wahlziel vorgegeben haben sie jedenfalls zwei Mandate.

Die Rohdaten der großen "Heute"-Umfrage:

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    Die Rohdaten der großen "Heute"-Sonntagsfrage.
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    Unique Research für "Heute"

    Hoffnung auf den Einzug ins EU-Parlament dürfte sich laut der aktuellen Umfrage die KPÖ machen. Die Kommunisten – auch im Bund im Aufwind – kämen demnach auf 3 %. Zum Vergleich: Auch 2019 hatten sie kandidiert, damals aber ein miserables Ergebnis von nur 0,8 % erreicht.

    Wahlbeteiligung wohl wieder gering

    Die Wahlbeteiligung dürfte auch 2024 relativ gering ausfallen. Denn: Nur 56 % der Befragten gaben an, dass sie sicher zur Wahl gehen wollen. Der Rest hat sich noch nicht entschieden, immerhin 8 % sagen aber, dass sie sicher nicht wählen gehen werden. Zum Vergleich: 2019 lag die Wahlbeteiligung mit 59,8 % etwas höher.

    Experte: "FPÖ-Wähler gut mobilisiert"

    Wie beurteilt Meinungsforscher und Polit-Experte Peter Hajek all diese Ergebnisse? So viel vorab: "Die Hochschätzung stellt keine Prognose über den Wahlausgang der EU-Wahlen im Juni 2024 dar, sondern skizziert die Stimmung zum Erhebungszeitpunkt, also Ende November 2023." Was man aber sehe, sei, dass sich die Wähler der FPÖ im Gegensatz zu den bisherigen EU-Wahlen gut mobilisiert zeigen würden. "Neos-Wähler sind aktuell signifikant schwächer mobilisiert. Es ist aber davon auszugehen, dass sich das noch ändern wird. Immerhin zählen die pinken Wähler zu den stärksten EU-Unterstützern." Es werde jedenfalls viel von der tatsächlichen Wählermobilisierung abhängen.

    Polit-Experte und Meinungsforscher Peter Hajek analysiert Umfrage für <em>"Heute"</em>.
    Polit-Experte und Meinungsforscher Peter Hajek analysiert Umfrage für "Heute".
    Helmut Graf

    Immerhin 15 % jener Wahlberechtigten, die sicher an der Wahl teilnehmen wollen, seien laut eigenen Angaben noch unentschlossen. "In dieser Gruppe gibt es Vorteile für die ÖVP und die SPÖ", so Hajek. Und noch eines gibt der Experte zu bedenken: "Die Sonntagsfrage wurde ohne Nennung der Spitzenkandidaten durchgeführt, weil bei ÖVP, Grünen und Neos diese noch nicht feststehen. Das heißt: Es kann je nach Spitzenkandidat noch zu Veränderungen im Parteienzuspruch kommen."

    bob
    Akt.