Politik

Verein warnt Ministerien vor den eigenen Chefs

SOS Mitmensch schickt Mitarbeitern aller Ministerien Briefe. Darin warnt der Verein vor "rechtsextremen Umtrieben und Machtmissbrauch".

Heute Redaktion
Teilen
SOS Mitmensch warnt die Ministerien.
SOS Mitmensch warnt die Ministerien.
Bild: zVg

SOS Mitmensch versendet in diesen Tagen Schreiben an zahlreiche Mitarbeiter in den Ministerien, "wo auf die besondere Situation hingewiesen, zu Wachsamkeit aufgerufen und zu Zivilcourage ermutigt wird". "Zum ersten Mal in der zweiten Republik haben Personen mit einem Naheverhältnis zum organisierten Rechtsextremismus die Kontrolle über das Innenministerium, das Verteidigungsministerium und andere wichtige politische Machteinrichtungen", so Sprecher Alexander Pollak.

Man dürfe das Bedrohungspotenzial nicht unterschätzen, so SOS-Mitmensch. "Es wäre naiv zu glauben, Personen, die seit Jahren skrupellos hetzen, Falschinformationen verbreiten und Rechtsextremismus fördern, würden nicht genauso skrupellos handeln, wenn sie in Machtpositionen gelangen." Bereits die ersten Postenbesetzungen durch die neuen Minister würden zeigen, "dass Personal vom äußersten rechten Rand in Schlüsselpositionen gebracht wird."

SOS Mitmensch ruft deshalb die Ministerien-Mitarbeiter dazu auf, gegenüber den eigenen Chefs, aber auch Kollegen wachsam zu sein und Zivilcourage zu zeigen. "Bei rechtsextremen Umtrieben und Machtmissbrauch dürfe nicht weggesehen und nicht geschwiegen werden", so der Appell von SOS Mitmensch an die in den Ministerien beschäftigten Menschen.

Das Schreiben an die Mitarbeiter der Ministerien im Wortlaut finden Sie hier:

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit kurzem stehen Personen mit einem Naheverhältnis zum organisierten Rechtsextremismus an der Spitze einiger Ministerien. Das ist eine bedenkliche Situation, von der ein nicht zu unterschätzendes Bedrohungspotenzial für demokratische und menschenrechtliche Errungenschaften in unserem Land ausgeht. Diese Situation erfordert von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der betreffenden Ministerien ein besonderes Maß an Wachsamkeit.

Wir möchten Sie daher bitten, mehr denn je wachsam und couragiert zu sein. Sollten Sie rechtsextreme Umtriebe und Machtmissbrauch in Ihrem Ministerium wahrnehmen, dann schauen Sie bitte nicht weg und schweigen Sie nicht.

Bitte nehmen Sie Ihre große Verantwortung wahr.

Wir danken Ihnen dafür. Sie können auch gerne Kontakt mit uns aufnehmen.

Hier finden Sie Informationen über die unterschiedliche Verstrickung einiger Regierungsmitglieder in Extremismus bis hin zur Nähe zu neonazistischen und verfassungsfeindlichen Gruppierungen: Extremismus-Dossier

Mit freundlichen Grüßen,

Alexander Pollak

SOS Mitmensch, Sprecher


Eine Warnung in einem offenen Brief kommt auch von Überlebenden des nationalsozialistischen Konzentrationslagers Mauthausen und seiner Außenlager. Sie sind älter als 85 Jahre und senden ihren Appell aus verschiedenen Ländern weltweit. In diesem Appell heißt es unter anderem: "Wir erwarten von der neuen österreichischen Bundesregierung, dass sie sich – den Lehren aus dem dunkelsten Kapitel der europäischen Zeitgeschichte gehorchend – abwendet von nationalistischen Strömungen und sich hinwendet zu einem gemeinsamen und solidarischen Europa! Die rund 100.000 im Mauthausen-System Ermordeten und die Millionen übrigen Opfer des Faschismus dürfen nicht umsonst gestorben sein."

Zahlreiche KZ-Überlebenden aus verschiedenen Ländern der Welt richten eindringliche Worte an die österreichische Bundesregierung. Hier einige Auszüge:

Max R. Garcia (USA, Häftlingsnummer 116739, 93 Jahre): "Herr Bundeskanzler, sorgen Sie dafür, dass es in der österreichischen Regierung keinen Platz für Antisemitismus, Rassismus oder irgendeine Form von Rechtsextremismus gibt!"

Ennio Trivellin (Italien, Häftlingsnummer 110425): "73 Jahre nach Kriegsende scheint mir, dass sich in Österreich eine nationalistische Politik anbahnt. ... Der erste Schritt: Man macht das De-Gasperi-Gruber-Abkommen zur Makulatur, indem man ankündigt, einen Pass für die Südtiroler einführen zu wollen. ... Ich erhebe meine Stimme zu einem Protestruf."

Igor Malitski (Ukraine, Häftlingsnummer 188005, 93 Jahre): „Ich weiß aus eigener Lebenserfahrung, was entsteht, wenn in einem Land begonnen wird, Rechte von Menschen einzuschränken, und wenn Fremdenfeindlichkeit Teil der staatlichen Politik wird. … Man darf nicht zulassen, dass einer Regierung rechtsextreme Politiker angehören."

Aba Lewit (Österreich, Häftlingsnummer 85309, 94 Jahre): "Für mich ist die Koalition mit der rechtsextremen FPÖ … eine Gefahr für Österreich."

Marko Feingold (Österreich, Häftlingsnummern 11966, 4725, 25675, 8448, 104 Jahre): "Ich wünsche mir, dass ... es nie mehr zu solchen Zuständen kommt, wie ich sie von 1938 bis 1945 erleben musste."
(red)