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Verkehrsclub fordert Handy-Kontrolle nach Unfällen

Heute Redaktion
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Bild: Fotolia.com

In Deutschland nimmt die Polizei nach Verkehrsunfällen den Lenkern immer öfter das Handy ab - um herauszufinden, ob es während des Unfalls benutzt wurde. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) hält laut Ö3 ein ähnliches Vorgehen in Österreich für sinnvoll.

Wer bei Tempo 50 zwei Sekunden lang auf ein Display schaut, fährt knapp 30 Meter weit. Bei 100 km/h sind es 60 Meter. Springt dann plötzlich ein Kind auf die Straße oder das vorfahrende Auto bremst, kann das böse enden.

Laut einer VCÖ-Analyse wurde im Vorjahr jeder vierte Fußgängerunfall von einem abgelenkten Autofahrer verursacht – 16 Mal so viele wie durch Alko-Lenker. Auch US-Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Nebenbeschäftigungen am Steuer zu einem bis zu achtfachen Unfallrisiko führen.

Kölner Polizei beschlagnahmt Handys

In einer Studie der deutschen Allianz-Stiftung 2011 gaben 30 Prozent der Befragten zu, sie würden beim Fahren Nachrichten lesen. Weitere 20 Prozent sagten, sie würden selbst Nachrichten tippen. Seit Jahresbeginn beschlagnahmt die Kölner Polizei Handys bei wirklich schweren Unfällen mit Todesfolge oder schweren Verletzungen. Ausgewertet wird nach Anordnung der Staatsanwaltschaft lediglich, ob zum Zeitpunkt des Unfalls das Handy benützt wurde.

Lesen Sie weiter: Handy am Steuer: Fakten von VCÖ-Experten


Reaktionsfähigkeit


Die Reaktion bei telefonierenden Autofahrerinnen und Autofahrern ist noch schlechter als bei Personen, die mit 0,8 Promille alkoholisiert Auto fahren. Sie halten zudem die Tempolimits seltener ein und halten einen zu geringen Abstand zum Vorderwagen.

Autofahrer haben bei einer Geschwindigkeit von 50km/h einen durchschnittlichen Anhalteweg von 25 Metern. Bei einer Ablenkung von nur 0,5 Sekunden beim Telefonieren verlängert sich der Bremsweg auf 32 Meter, nach 25 Metern beträgt die Geschwindigkeit aber noch an die 40km/h! Wird eine Fußgängerin oder ein Fußgänger mit dieser Geschwindigkeit angefahren, endet das in vier von zehn Fällen tödlich.

Bei Handytelefonie am Steuer verlängert sich die Reaktionszeit um rund 50 Prozent, das sind durchschnittlich 0,5 Sekunden. Bei 100 km/h verlängert sich der Bremsweg dadurch um 14 Meter. Auch Mobiltelefone mit Freisprecheinrichtung weisen ein erhebliches Sicherheitsrisiko auf: Lenkende mit Freisprecheinrichtung benötigen 20 Prozent länger zum Betätigen der Bremsen.


Navi als Gefahrenquelle


Internet-News oder Navigationsfunktionen werden fatalerweise sogar so erstellt, dass die mit einer Blickabwendung von bis zu 2 Sekunden bedient werden. Eine Ablenkung von nur 2 Sekunden führt bei einem Tempo von 130km/ schon zu einem um 36 Meter längerem Bremsweg, bei Tempo 50 im Ortsgebiet zu einem um 14 Meter längeren Bremsweg. Im Stadtverkehr können bereits fünf Meter bei einem plötzlich auf der Straße auftauchenden Kind viel zu lange sein, auf der Autobahn kann eine Verzögerung von 20-36 Metern bei einer Notbremsung des Vorderwagens zu tödlichen Unfällen führen


Freisprecheinrichtung


Das Telefonieren mit Freisprecheinrichtung bietet laut VCÖ keinen wesentlichen Sicherheitsvorteil, denn der wichtigste negative Faktor trifft auf beide zu: Ablenkung vom Fahren durch die Konversation mit einer Person, die dem Verkehrsgeschehen nicht folgen kann. Lenkende benötigen trotz Freisprechanlage 20 Prozent länger zum Betätigen der Bremsen. 

Beim Testen von Bediensystemen (für Internet-News, Navigation,…) im Auto wird  darauf geachtet, dass die Funktionen mit einer „Blickabwendung von maximal zwei Sekunden bedienbar sind“.

Bereits bei niedrigen Geschwindigkeiten zeigt sich ein deutlich verlängerter Anhalteweg durch eine zwei Sekunden lange Blickabwendung von der Straße, wie sie beispielsweise bei der Programmierung von Navigationsgeräten der Fall ist. Selbst von technisch optimierten Sprachsteuerungssystemen bei Navigationsgeräten geht ein gewisses Unfallrisiko aus. Die manuelle Eingabe eines Navigationsziels bedeutet auf jeden Fall eine unverantwortlich gefährliche Ablenkung.


Gründe für erhöhtes Unfallrisiko durch Handy/Navi am Steuer


Der Grund für die vielen Unfälle durch Ablenkung ist laut VCÖ die verlängerte Reaktionszeit, die auch den Bremsweg massiv verlängert. So verlängert Telefonieren am Steuer die Reaktionszeit durchschnittlich um 0,5 Sekunden, SMSen oder Bedienen von Navis um ca. zwei Sekunden.

Bedienung und Telefonie mit dem Handy schränken die visuelle Wahrnehmung des Umfeldes ein und haben Auswirkungen auf die Fahrleistung der Lenkenden: 

Die Bedienung und das Halten des Mobiltelefons schränken die Bewegungsmöglichkeiten der Lenkerin beziehungsweise des Lenkers ein. Dies spiegelt sich auch in Fahrverhalten und Fahrleistung wider, auch bei verminderter Geschwindigkeit:


Gaspedal und Lenkrad werden abrupter betätigt.
Bei Abbiegemanövern geraten telefonierende Lenkerinnen und Lenker leichter von der Spur ab.
Auch  vermehrtes Kurvenschneiden ist ein Nebeneffekt.
Das Verlangsamen eines voranfahrenden Wagens wird mit deutlicher Verzögerung erkannt, ebenso wie das Aufleuchten des Bremslichtes.
Nur 25 Prozent der telefonierenden Lenkerinnen  und Lenker geben richtige Blinkzeichen.
Für nachfolgende Lenkerinnen und Lenker ist es schwieriger möglich, das Fahrverhalten abzuschätzen.
Signifikante Zunahme des Überfahrens von Sicherheitslinien und Stopp-Linien sowie Abkommen von der Fahrbahn.
Zunahme der Rotlicht-Missachtungen während des Telefonierens am Steuer um 15 Prozent.


Telefonierende Lenkerinnen und Lenker verursachen daher auch überdurchschnittlich viele Auffahrunfälle.

 


Unterschied zu Gespräch mit Beifahrer/Radiohören


Die WHO verweist auf Forschungsergebnisse, wonach es einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Situationen – Sprechen am Telefon beziehungsweise mit dem Beifahrer oder der Beifahrerin – gibt, wobei das Risiko der Ablenkung bei telefonierenden Autolenkern höher ist. Studien haben gezeigt, dass die Reaktionen beim Telefonieren (mit Freisprecheinrichtung!) langsamer sind als beim direkten Gespräch. Beifahrer können, anders als räumlich entfernte Telefonpartner, das Verkehrsgeschehen mit beobachten und daher besser Rücksicht nehmen, ihren Gesprächsfluss anpassen und unterbrechen, was bei Telefongesprächen nicht der Fall ist.

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