Im Juli unterzeichnete Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ein Dekret, mit dem das Schnellverfahren für die Erteilung von Visa auch auf Russland und Belarus sowie sechs weitere Staaten ausgeweitet wurde. Bislang galten die Sonderregeln nur für Ukrainer und Serben.
In der EU sorgt die Ausweitung der Visaerleichterungen für viel Unmut. EU-Innenkommissarin Ylva Johannsson forderte, dass "russische Staatsangehörige, die Spionage betreiben oder andere Sicherheitsbedrohungen darstellen könnten, einer strengen Prüfung unterzogen werden".
Angesichts des geopolitischen Kontexts der EU-Beziehungen zu Russland sei ein solcher Mechanismus höchst fragwürdig und werfe sehr ernste Sicherheitsbedenken auf, schrieben Spitzenvertreter der europäischen Parteienfamilie EVP an EU-Ratspräsident Charles Michel. Das Vorgehen könnte ernsthafte Schlupflöcher für Spionageaktivitäten schaffen, warnte man.
"Wer Russen ohne Prüfung in die EU lässt, der gefährdet massiv die Sicherheit Europas", ärgerte sich Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der Konservativen im EU-Parlament, in einem Interview mit der "Bild am Sonntag". Die "Spione und Mörder Putins" hätten schon viel Schaden in der EU und Deutschland angerichtet. "Es muss Konsequenzen geben", forderte er.
In ähnlichen Tönen äußerte sich ein Sprecher der deutschen Innenministerin Nancy Faeser. Die Gefahr von russischer Spionage sei hoch und habe sich seit Beginn der Invasion in der Ukraine verschärft. "Die EU-Länder müssen den Schutz erhöhen", sagte er der "BamS".
Vertreter mehrerer EU-Parlamentsfraktionen fordern in einem Schreiben an die EU-Kommission, härter gegen Ungarn vorzugehen. So ist in dem Brief – signiert von tschechischen, litauischen und finnischen Parlamentariern bzw. ehemaligen Regierungschefs in Belgien und Irland – sogar von einem Schengen-Ausschluss Ungarns die Rede. Bisher gibt es keine Reaktion aus Budapest auf die Kritik.